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Sicherheitsseminar
Dienstreisen in Zeiten des Terrors

Wie lässt sich das Risiko mindern, auf Dienstreisen Opfer einer Gewalttat oder eines Terroranschlags zu werden? In Stuttgart bereiten Unternehmen ihre Mitarbeiter mit Sicherheitsseminaren auf Extremsituationen vor. Auf dem Trainingsplan stehen: Konterstrategie, Versicherungsfragen und Schreien.

Von Uschi Götz | 01.11.2017
    Eine Frau geht surch eine Sicherheitskontrollen am Flughafen in Frankfurt am Main
    Wie kann man sich auf Reisen vor Gefahren schützen? - Sicherheitsseminare sollen Dienstreisenden Strategien für Notfallsituationen an die Hand geben (dpa / Boris Roessler)
    Ein Stapel Unterlagen, eine große Leinwand, und zum Einstieg ein paar Zahlen: Fast jedes zweite Unternehmen in Deutschland hat für seine reisenden Mitarbeiter kein Konzept, wenn es um Medizin und Sicherheit geht. Das Seminar findet mitten in Stuttgart in Schulungsräumen einer Bank statt.
    "Ich werde sicher keine Angst machen, ich gebe Ihnen Hinweise, was sie machen können, als Reisender, aber auch als Unternehmer, als Verantwortlicher."
    Joachim Leis war fast drei Jahrzehnte bei der Polizei; in drei Spezialeinheiten. Heute hat er ein eigenes Unternehmen und leitet das Seminar in Stuttgart. Ein großer, staatlicher Mann mit grauen, nach hinten gegelten Haaren.
    "Dann gehen wir rein, heute Mittag, in den Modus Operandi: Wie gehen Täter vor?"
    Der Sicherheitschef eines großen mittelständischen Monatgebauunternehmens nimmt an dem Schulungstag teil, ebenso eine etwa 40 Jahre alte Travelmanagerin. Sie bereitet vor allem für Bauingenieure in ihrer Firma Auslandsreisen vor, häufiges Ziel ist dabei Ägypten. Alle Teilnehmer wünschen sich vertiefende Informationen, um künftig ihre Kolleginnen und Kollegen besser auf Reisen schützen zu können.
    Die Teilnehmer wollen und müssen anonym bleiben, das war die Bedingung um ein Sicherheitsseminar mit diesem Thema journalistisch zu begleiten.
    Schreien als universelles Mittel
    Der Trainer spricht von Hochrisikoländern. Die erste Übung kann man allerdings überall auf der Welt brauchen: "Schreien sie so laut sie können" fordert Leis auf.
    "Stopp! Stopp!"
    "Üben Sie immer wieder schreien, am besten im Auto."
    Schreien schrecke vor allem Einzeltäter in bestimmten Situationen ab.
    "Eins, zwei drei: Stopp"
    Statt "Hilfe" besser "Feuer"" oder "Fire" rufen, das lasse mehr Menschen aufhorchen und zwar überall auf der Welt, weiß Leis.
    Wenigstens zwei Rufnummern müssten vor jeder Reise im Handy gespeichert werden: Die der Deutschen Botschaft im Zielland und die 112. Unter dieser Nummer erreiche man zumindest in Europa Rettungsleitstellen.
    "Überall in ganz Europa, bis an die chinesische Grenze bei den Ukrainern und die Russen machen auch mit."
    Gesetzliche Grundlagen und Versicherungsfragen
    Welche Pflichten hat ein Arbeitgeber bei Dienstreisen, was müssen Geschäftsreisende selbst beachten? Im Schnelldurchgang geht es durch gesetzliche Grundlagen bis hin zu Versicherungsfragen. Gedanklich ist die Gruppe nun in einem sogenannten Hochrisikoland.
    "Stehen Sie alle mal auf! Was mache ich denn, wenn Ihnen jemand das Messer an den Hals hinhält?"
    Schweigen im Raum. Leins holt ein Messer aus seinem Koffer und hält es einer Teilnehmerin nach vorheriger Ankündigung an den Hals. Sie bewegt den Kopf nach hinten. Ein Fehler.
    "Freeze ist das Zauberwort: friere ein, bewege dich nicht. Die normale Haltung ist das, und Sie haben eben gespürt, was dann passiert."
    Verschiedene Szenarien werden gedanklich durchgespielt
    Es geht weiter: Ein terroristischer Angriff, eine Geiselnahme, ein Amoklauf. Verschiedene Szenarien werden gedanklich durchgespielt. "Nicht diskutieren, alles befolgen, was der oder die Täter von ihnen wollen", bläut Leins ein.
    "Und wenn Sie zum Beispiel von einem bewaffneten Täter, der komplett am Rad dreht, der tobt und tobt und steckt schon den Finger rein, zittert dann - was mach ich dann? "
    Der fast 1,90 Meter große Trainer geht auf die Knie, legt die Hände gekreuzt über seine Stirn und sagt leise: "Deeskalieren, bleiben sie ruhig!"
    Enge Bindung an Landes- und Bundessicherheitsbehörden
    Es geht weiter mit verschiedenen Szenarien nach einem Terroranschlag. Veranstaltet wird das Seminar von der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft. Eine in Stuttgart vor fast 50 Jahren gegründete mittlerweile bundesweit tätige Selbsthilfeeinrichtung für die Wirtschaft.
    Karl Stefan Schotzko: "Wir sind pro-aktiv für dieses wichtige Feld verantwortlich, für die Mitgliedsfirmen, aufgrund unserer Fachleute, aufgrund unserer engen Bindung an unsere Landes- und Bundessicherheitsbehörden, die geben uns den fachlichen Input, die Unterstützung für neue Lagen, neue Szenarien. Da geht es auch um das Thema sicher Reisen in gefährdeten Bereichen."
    "100-prozentige Sicherheit gibt es nicht"
    Konterstrategie, dieses Thema steht am Schluss des sechsstündigen Seminars auf dem Plan, das pro Teilnehmer 400 Euro kostet. Wie lässt sich das Risiko mindern, auf Dienstreisen Opfer einer Gewalttat, eines Terroranschlags zu werden. Einer von vielen Tipps dabei: nicht zur Hauptflugzeit am Morgen einen Flug buchen, eher Randzeiten wählen.
    Doch auch Leis stellt fest: "Man kann sich im gewissen Maße schützen, aber 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Das ist ja auch die Vorgehensweise der Terroristen, dass sie unberechenbar sind."