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"Sie haben sich schuldig gemacht"

Im Frankfurter Städel fand jüngst ein Symposion statt, in dem die Politik des Städel'schen Museums im Dritten Reich und der Nachkriegszeit im thematischen Mittelpunkt stand. Auch DLF-Redakteur Stefan Koldehoff war in Frankfurt dabei.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Beatrix Novy | 20.02.2010
    Beatrix Novy: Gestern fand im Frankfurter Städel Museum ein besonders gut besuchtes Symposion statt. Der Eintritt war frei, das Interesse sehr groß. Es ging einen halben Tag lang um die Geschichte und die Museumspolitik des Städel’schen Kunstinstituts im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit. Also ging es sicher darum, ob beispielsweise das Museum von dem profitiert hat, was jüdischen Kunstsammlern durch Enteignung oder Zwangsverkäufe weggenommen wurde. Stefan Koldehoff war dabei. Die Klärung solcher Fragen wird ja seit Jahren gefördert. Was da jetzt im Städel stattfand, machen das jetzt alle Museen?

    Stefan Koldehoff: Leider noch nicht alle Museen, aber glücklicherweise zunehmend mehr. Vor elf Jahren hatte man sich ja verpflichtet, so etwas zu tun, die eigene Geschichte im Nationalsozialismus zu erforschen und vor allen Dingen auch die eigenen Sammlungen durchzuschauen, ob da vielleicht noch was vorhanden ist, was man als NS-Raubkunst bezeichnen muss, also Werke, die zwischen '33 und '45 meist jüdischen Eigentümern enteignet oder beschlagnahmt wurden. In den elf Jahren ist nicht viel passiert, aber seit zwei Jahren tut sich jetzt etwas, denn vor zwei Jahren hat der Kulturstaatsminister – endlich muss man sagen – beschlossen, nicht nur moralisch, sondern auch handfest die deutschen Museen zu unterstützen. Man kann jetzt Gelder in Berlin beantragen, und das tun auch zunehmend Häuser. Der Schritt, den man in Frankfurt allerdings gegangen ist, ein externes Forschungsteam zu beauftragen, das ist bisher einmalig in der Bundesrepublik, und es ist sicherlich auch ein sinnvoller Schritt gewesen, denn da kommen junge Wissenschaftler, die weder mit der Stadt noch mit dem Haus in irgendeiner Weise verbandelt sind, ins Archiv, dürfen alles anschauen und ziehen dann ihre völlig unabhängigen Schlüsse.

    Novy: Welche Zahl, wie groß war das Team?

    Koldehoff: Das war ein Team von zwischen fünf und zehn Wissenschaftlern, gestern haben sechs von denen ihre Ergebnisse vorgestellt, junge Wissenschaftler. Es gibt an der Berliner Universität eine Forschungsstelle "Entartete Kunst", und der dortige Leiter, Professor Uwe Fleckner, hat dieses Team betreut. Das ist ein bisschen zweischneidig, denn eigentlich, finde ich, sollte man die Bereiche entartete Kunst, also die Werke, die die Nazis aus deutschen Museen nach damaligem Recht und Gesetz entfernt haben, und die NS-Raubkunst, also das, was einfach gestohlen wurde, das sollte man nicht vermengen. Das ist leider gestern auch ein wenig passiert, ein bisschen zu häufig auch passiert. Bisschen klang es zum Teil so nicht nach Forschungsergebnissen, sondern nach Proseminar Kunstgeschichte im Nationalsozialismus, also da hätte man noch eine schärfere Zuspitzung eigentlich schaffen können.

    Novy: Und welche Erkenntnisse zum Städel Museum im Nationalsozialismus hat das Team nun mitgebracht?

    Koldehoff: Es gibt zwei Reizfiguren in Frankfurt, das sind die Herren Holzinger und Wolters, die Leiter der städtischen Galerie und des privaten Städel Museums, beide unter einem Dach, und beiden ist vorgeworfen worden, sie hätten sich zu willfährigen Helfern der Nationalsozialisten gemacht. Holzinger beispielsweise, indem er in mindestens 55 Fällen als Gutachter fungiert hat für Kunstgegenstände, aber auch Möbel, Silber, Schmuck, die die nationalsozialistischen Finanzbehörden beschlagnahmt hatten. Über beide Figuren ist natürlich geforscht worden, und man ist zu dem Ergebnis gekommen, sie haben sich schuldig gemacht, also sie haben in der Tat kollaboriert, sie haben das NS-Regime bei seinen Taten unterstützt, aber eine ganz klare Schuldzuweisung kann man dann auch wieder nicht vornehmen, denn auf der anderen Seite sind auch Fälle dokumentiert, in denen beide Herren privaten Sammlern geholfen haben, ihre Kunstschätze – obwohl die offiziell als entartet gegolten haben – ihre Kunstschätze im Museum zu verbergen und über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus zu retten. Also es ist das klassische Einerseits-andererseits, wenn man dann allerdings die Papiere liest, die gestern auch vorgestellt wurden, in denen Holzinger 45 bei Befragungen durch die Alliierten überhaupt nicht über seine Gutachtertätigkeit sprach, Sätze sagte wie, das Städel hat sich in all den Jahren nicht ein einziges Mal antisemitisch verhalten, dann muss man schon ganz klar sagen, pendelt da die Waage doch eher in Richtung des Unverständnisses, des fehlenden Schuldbewusstseins und ich glaube schon, dass man ihn heute nicht mehr als die Lichtfigur sehen kann, als die er noch vor 20 Jahren in Frankfurt gesehen wurde.

    Novy: Wird dieses Symposion ein Anfang sein für ähnliche Entwicklungen in anderen Museen in Deutschland?

    Koldehoff: Es gibt zunehmend solche Projekte auch an anderen Museen, seit das Geld dafür, wie gesagt, zur Verfügung steht. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass mal erst – das war gestern auch am Rande Thema – weil erst ein Generationenwechsel stattfinden musste. Die Generation der Mitarbeiter, die noch direkten Kontakt hatten zu Mitarbeitern in der Zeit zwischen '33 und '45, die geht in den Ruhestand oder stirbt aus, sodass jetzt ein wenig Tabula rasa stattfinden kann, was persönliche Verbandelungen angeht. Und ich glaube, das ist eine gute Grundlage für objektive Forschung.

    Novy: So kommen nach Jahrzehnten und Jahrzehnten die Dinge immer noch mal in Bewegung. Stefan Koldehoff war das. Er war beim Symposion, das das Verhalten des Städel Museums im Nationalsozialismus offenlegte.