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Siegen beginnt im Kopf

Wer beim Sport ganz vorne mitspielen will, muss absolut fit sein - körperlich, aber auch im Kopf. Denn oft entscheidet die Nervenstärke über Sieg oder Niederlage. Die Nachfrage nach speziell ausgebildeten Psychologen wächst, doch die Studienmöglichkeiten sind rar. Das will die Uni Halle mit dem Masterstudiengang Angewandte Sportpsychologie ab dem Wintersemester 2008/2009 ändern.

Von Secilia Pappert | 06.08.2008
    Vielleicht hat sie einmal den Absprung nicht richtig getroffen, vielleicht auch das Brett touchiert - warum der zweieinhalbmal gedrehte Auerbachsalto plötzlich ein Problem war, weiß Wasserspringerin Heike Fischer nicht mehr genau. Ganz plötzlich jagte schon der Gedanke an den Sprung den Puls in die Höhe, ließ das Herz rasen. Irgendwann stand für die 26-jährige Leipzigerin fest: Du schaffst es nicht alleine. Gemeinsam mit ihrer Trainerin wandte sie sich an einen Psychologen - zunächst mit Skepsis:

    " Es hatte diesen schlechten Ruf: Hast du einen Psychologen, dann hast du irgend eine Krankheit. "

    Heute weiß Heike Fischer, dass sie nicht krank war. Nach einem halben Jahr Arbeit mit einem Psychologen sitzt der Sprung wieder perfekt und die Athletin startet bei den Olympischen Spielen in Peking als Medaillenhoffnung im Synchronspringen. Der Druck im Leistungssport ist enorm, meint sie.

    " Wir im Wasserspringen müssen auf die Sekunde beziehungsweise genau an dem Tag, um die Uhrzeit müssen wir unsere Sprünge perfekt bringen. Ich kann nicht sagen, ich wiederhole meinen Sprung noch mal. "

    Stand bei der Wasserspringerin der Auerbachsalto auf dem Programm, kreisten ihre Gedanken nur noch um das Eine:

    " Du musst den Sprung jetzt wieder machen, Du weißt, du kannst den eigentlich. Aber es war einfach die Blockade, Angst vorm Sprung, mir weh zu tun. "

    Der Mann, der Heike Fischer die Scheu vorm Sprung nahm, heißt Professor Doktor Oliver Stoll.

    " Wir haben dann eine schnell wirkende Entspannung zusammen entwickelt, mit der konnte sie sich dann innerhalb von 15 bis 20 Sekunden herunterregulieren auf Pulsfrequenzen um den Bereich 110 bis 120. Und im zweiten Schritt haben wir dann ihre Selbstgespräche auf dem Brett analysiert, also die Art und Weise wie sie unmittelbar vor Absprung mit dem Sprung umgeht, wir haben dann ganz gezielt positive Selbstgespräche entwickelt. "

    Stoll ist Direktor des Sportwissenschaftlichen Instituts der Martin-Luther-Universität Halle. Außerdem betreut er die Nationalmannschaft der Wasserspringer als Psychologe. Eine solche Art der Betreuung ist in Deutschland erst in der Entwicklung, noch immer fehlen Fachkräfte, sagt er. Während beispielsweise in den USA 112 verschiedene Studiengänge in Angewandter Sportpsychologie angeboten werden, gibt es in Deutschland bisher keinen einzigen Vollzeitstudiengang. Deshalb hat sich Stoll für einen Vollzeit-Masterstudiengang in Angewandter Sportpsychologie eingesetzt. Dieser startet nun im kommenden Oktober an der Martin-Luther-Universität. Bewerberanfragen gibt es bereits aus allen Teilen Deutschlands, aus Österreich und Tschechien. Studienvoraussetzung ist ein Bachelor- oder Diplomabschluss in Sportwissenschaft oder Psychologie. Außerdem:

    " Wir wünschen uns Studierende die eine eigene leistungssportliche Erfahrung haben, muss nicht unbedingt A-B-C-Kader sein, also keine Europa- oder Weltmeister. Wünschenswert ist aber, dass man mal wettkampforientiert Sport getrieben hat um einschätzen zu können und auf eigene Erfahrungen zurückgreifen kann. "

    Der Studiengang startet mit neun Studienplätzen. Pro Semester sind 350 Euro Studiengebühren fällig. In vier Semestern erlernen die Studierenden unter anderem, wie Athleten ihre Emotionen regulieren können, wie man sie motiviert und den Willen der Sportler stärkt, außerdem wie man mittels Vorstellungskraft Bewegungsabläufe trainiert aber auch wie man ein gutes Team zusammenstellt. Die Ausbildung ist praxisnah, schon während des Studiums betreuen die Studierenden Leistungssportler. Für seine künftigen Absolventen sieht Stoll eine große Palette von Einsatzmöglichkeiten:

    " Ich denke, dass ne Zukunft da ist, entweder als selbstständiger Sportpsychologe zu arbeiten oder aber auch Sportverbände haben mittlerweile wahrgenommen, dass dies ein interessantes Feld ist, man kann also auch über Stellen im Verband nachdenken auf der anderen Seite gibt es die Laufbahnberater an den Olympia-Stützpunkten, die zum Teil auch schon angewandt arbeiten. "

    Auch Wasserspringerin Heike Fischer sieht durchaus Bedarf für speziell ausgebildete Psychologen

    " Ich denke, jeder gute Sportler sollte einen haben beziehungsweise gehabt haben, der einen betreut, der einem zeigt wie man mit sich selber klar kommt, sich selber motivieren kann und positiv zu sich selber reden kann. Ich denke, das hat einen hohen Stellenwert, gerade im Leistungssport, wo so viel Druck dahinter steht, sollte eigentlich jeder Sportler einen Ansprechpartner haben. "