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Siemens
Ein Riese vor dem Umbau

Siemens steht vor einem massiven Umbau. Vorstandschef Joe Kaeser will die Struktur des Industriekonzerns zerschlagen, das Unternehmen schlanker und schlagkräftiger machen. Damit soll auch das angeschlagene Image aufgebessert werden. Doch die Mitarbeiter sind verunsichert. Denn von dem Umbau sollen laut IG Metall Tausende Stellen betroffen sein.

Von Stephan Lina | 30.07.2014
    Sieben Milliarden Euro? Acht Milliarden? Oder gleich zwölf? Es war das Pokerspiel des Jahres. Das Ambiente opulent, die Adresse exquisit: Pavillon Gabriel, direkt an den Champs Élysées. An jenem Junitag in Paris drängten sich Fotografen und Journalisten vor dem Podium, auf dem zwei Herren in gedeckten Anzügen in die Kameras lächelten. Die Chefs von Siemens und dem japanischen Industriekonzern Mitsubishi Heavy. Gerade hatten Joe Kaeser und Shunichi Miyanaga ein gemeinsames Gebot für große Teile der französischen Alstom-Gruppe abgegeben und ihre Offerte dem französischen Präsidenten François Hollande vorgestellt:
    "Er hat freundlich reagiert wie ein Gentleman, und wie ein Präsident der Republik."
    Joe Kaeser war an jenem Tag der Wortführer. Ein Manager, der den Weg aus der tiefsten niederbayerischen Provinz an die Spitze eines Weltkonzerns geschafft hat. Kaeser parlierte auf Englisch und Deutsch mit den Journalisten, und er pokerte hoch. Gegen die Offerte von General Electric, dem Erzrivalen aus den USA. Aber Siemens ging leer aus. Der französische Staat gab GE den Zuschlag. Eine schallende Ohrfeige für Siemens, eine persönliche Niederlage für Kaeser. Oder doch ein Sieg? Immerhin hat Siemens durch sein Angebot den Preis massiv nach oben getrieben, den die Amerikaner zahlen müssen. Gleichzeitig ließ er sich auf kein ruinöses Bietergefecht ein, in dem die Kontrahenten mit den Milliarden nur so um sich schmeißen:
    "Das werden wir garantiert nicht tun. Ich hatte schon anfangs deutlich gemacht, ganz am Anfang, als ich noch ziemlich alleine war bei der Angelegenheit, dass ich nicht das altertümliche Rom mit seinen Gladiatorenkämpfen ins moderne Paris transferieren werde."
    Pleiten, Pech und Pannen? - "Das ist nicht Siemens!"
    Es geht um Milliarden, doch Joe Kaeser wirkt so entspannt, als verhandle er für die Freiwillige Feuerwehr seines Heimatortes Arnbruck über ein paar Fässer Bier für ein Sommerfest. Das ist auch eine Botschaft an die Konkurrenz, an die Öffentlichkeit, und vor allem an die eigenen Mitarbeiter. Die Aussage: Ich weiß, was ich tue. Nach turbulenten Jahren soll endlich Ruhe einkehren bei Siemens. Morgen vor einem Jahr, am 31. Juli 2013, löste Joe Kaeser seinen zuletzt glücklosen Vorgänger Peter Löscher in einer Hauruck-Aktion als Vorstandsvorsitzenden ab:
    "24 Uhr. München. Der bisherige Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser wird neuer Chef des Elektronikkonzerns. Wie Siemens mitteilte, folgte er auf den bisherigen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher. Demnach hat der Aufsichtsrat Kaesers Berufung einstimmig beschlossen."
    Nur wenige Stunden danach stand Joe Kaeser das erste Mal als Vorstandsvorsitzender der Siemens AG vor der Presse, die man eilig in den Innenhof der Münchener Konzernzentrale geladen hatte.
    "Meine sehr geehrten Damen und Herren, willkommen bei Siemens! Sie haben in letzter Zeit viel über uns gehört, gesehen und vor allem geschrieben. Und wir haben Ihnen dazu reichlich viel Stoff gegeben. Geschrieben und geredet wurde von Chaos-Tagen, von Pleiten, Pech und Pannen. Aber, meine Damen und Herren, das ist nicht Siemens!"
    Der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Joe Kaeser, vor der Siemens Halbjahres-Pressekonferenz am 07.05.2014 in Berlin. 
    Ein Siemens-Urgewächs: Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser. (Rainer Jensen /dpa)
    Der Auftritt war voller Seitenhiebe gegen seinen Vorgänger Peter Löscher, der nicht nur unter Journalisten als eher verschlossen galt. 2007 hatte Aufsichtsratschef Gerhard Cromme den zuvor in Deutschland völlig unbekannten Manager an die Spitze von Siemens geholt. Der Konzern wurde damals vom größten Korruptionsskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte erschüttert. Es war klar: Nur ein Außenstehender konnte da aufräumen. Und das tat Löscher. Er sorgte dafür, dass der Skandal restlos aufgeklärt wurde, zahlte Milliardenstrafen und führte ein Kontrollsystem ein, das heute weltweit als vorbildlich gilt. Doch über die Jahre wurde sein Außenseitertum von einer Stärke zur Achillesferse. Öffentliche Auftritte blieben hölzern, intern sägten alteingesessene Vorstände an seinem Stuhl. Der Wechsel zu Joe Kaeser, einem Mann, der seit mehr als 30 Jahren im Unternehmen ist, galt als logisch, auch für den Finanzmarkt, sagt Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, kurz DSW. Sie beobachtet Siemens seit Jahren und hat in dieser Zeit vier Vorstandsvorsitzende erlebt.
    "Herr Löscher war dann sicher richtig in einer Zeit, in der Siemens sehr mit Compliance gekämpft hat. Und da musste jemand kommen, der einfach von außen kam, der keine Siemens-Vergangenheit hatte und damit unbelastet einen Neustart unbelastet bringen konnte. Und jetzt Herr Kaeser, ein Urgewächs, der Siemens kennt, der auch das Vertrauen der Siemensianer hat und auf der anderen Seite hochdynamisch und voller Energie ist."
    Einer der größten Unterschiede zwischen Joe Kaeser und seinem Vorgänger Peter Löscher ist, dass Kaeser seine Zuhörer für sich einnehmen kann. Während Löschers Reden und Interviews oft wie eine Ansammlung auswendig gelernter Floskeln wirkten, vermittelt Kaeser den Eindruck, dass er jedes Produkt des Weltkonzerns bis zur letzten Schraube kennt. Und nicht zuletzt besitzt er auch die Gabe der Selbstironie:
    "Ich hatte mir seinerzeit schon, als ich Finanzvorstand bei Siemens geworden bin, gedacht, das ist der schönste Job, den es auf der Welt überhaupt gibt. Das war dann nach einigen Monaten (Pause) anders."
    Alle müssen an einem Strang ziehen. Oder gehen.
    Doch bei aller Jovialität: Joe Kaeser ist natürlich ein Machtmensch, der seine Karriere langfristig geplant hat. Das ging so weit, dass er nach einem langen USA-Aufenthalt seinen niederbayerischen Taufnamen Josef in ein "Joe" verwandelte. Aus dem deutschen "ä" in Käser wurde ein "ae", mit dem die englischsprachige Finanzwelt besser zurechtkommt. Er ist im Konzern bestens vernetzt, ein Putsch gegen ihn wie gegen Vorgänger Löscher scheint undenkbar. Seit er an der Macht ist, gilt die Regel: Alle müssen an einem Strang ziehen. Wer darauf keine Lust hat, der muss gehen:
    "Siemens muss bei Siemens wieder über allem stehen. Und diesem Credo werden wir uns alle unterordnen. Alle. Vom Vorstand bis zum Auszubildenden. Ich garantiere Ihnen: Jeder, der das nicht versteht, dem werde ich helfen. Einmal, zweimal, wahrscheinlich sogar dreimal. Aber wer das noch immer nicht verstehen will, der ist bei uns nicht richtig eingesetzt. Ich werde nicht zulassen, dass ein Unternehmen wie unseres, das für Qualität, Integrität und weltweiten Anspruch steht, sich intern suboptimiert."
    Jetzt, ein Jahr nach Joe Kasers Amtsantritt, steht die Nagelprobe an. "Vision 2020" nennt sich etwas schwammig das Programm, das der Chef monatelang im kleinen Kreis ausgetüftelt hat. Die bisherige Konzernstruktur soll zerschlagen werden, Kaeser will Siemens schlanker und schlagkräftiger machen. Außerdem soll Siemens mehr Rendite erwirtschaften und damit endlich näher an den großen US-Konkurrenten General Electric heranrücken. Die Kehrseite: Mehr als 10.000 Jobs stehen zur Disposition, das hat die IG Metall errechnet. In der Belegschaft gärt es. Denn viele Mitarbeiter haben das Gefühl, seit Jahren von einem Programm zum nächsten zu stolpern. Selbst Experten wie Wolfgang Niclas, der langjährige Erste Bevollmächtigte der IG Metall am größten Siemens-Standort Erlangen, haben längst den Überblick verloren:
    "Beim Siemens-Konzern handelt es sich nicht um ein kleines, handhabbares Unternehmen, sondern im Grunde genommen um eine Vielzahl von Unternehmen. Und da ist es inzwischen Standard, dass Reorganisations-Programme - eines nach dem anderen - sich gegenseitig ablösen. Die entscheidende Frage ist, wie weit werden die Mitarbeiter mitgenommen, und wie weit werden die Mitarbeiter verunsichert."
    Wolfgang Niclas ist ein freundlicher Herr im Pensionsalter, der im Erlanger Gewerkschaftshaus in der Friedrichstraße vor einer beeindruckenden Aktenwand bei Espresso und Keksen empfängt, der jede Antwort zum Umbau bei Siemens sorgsam abwägt. Eines ist aber klar: Niclas ist nicht damit zufrieden, wie das Management die Sache angeht, das vor einem Jahr verkündete, die verunsicherten Mitarbeiter mit Klarheit und Visionen motivieren zu wollen:
    "Kaeser ist unter anderem angetreten als Nachfolger von Herrn Löscher, um die Unruhe im Konzern zu beseitigen. Mit dem, was er jetzt in die Welt gesetzt hat, bringt er erhebliche Unruhe."
    Goldesel Medizintechnik vor dem Verkauf?
    Wolfgang Niclas' Wort hat in der Welt von Siemens Gewicht. Immerhin ist Erlangen der mit Abstand größte Standort von Siemens. 25.000 Menschen arbeiten hier für den Konzern, insgesamt gibt es in der Region Mittelfranken 45.000 Siemensianer. Hier sitzen drei der vier sogenannten Sektoren des Unternehmens, die im Zuge von Joe Kaesers Plänen zerschlagen werden sollen: Industrie, Energie und Medizintechnik. Für den Gewerkschafter ist das eine Zeitenwende, wie er sie zuletzt vor 15 Jahren unter Kaesers Vor-Vor-Vorgänger Heinrich von Pierer erlebt hatte:
    "Seitdem jagt eigentlich ein Reorganisations-, Kostensenkungs- oder wie immer tituliertes Programm das andere in der Siemens AG. Aktuell bemüht sich Herr Kaeser, einen neuen Kurs festzusetzen, der die absolute Reduzierung auf Energie und Industrie zu beinhalten scheint. Der Bereich Healthcare - seit mehr als zehn Jahren fordern Analysten, dass Siemens diesen Bereich verkauft - wird innerhalb der Siemens AG verselbstständigt. Man muss davon ausgehen, dass der erste Schritt der Verselbstständigung die Vorbereitung für den zweiten ist: den Verkauf."
    Die Sparte Medizintechnik mit Stammsitz in Erlangen ist der Goldesel von Siemens. Kein anderer Bereich des Konzerns macht eine annähernd hohe Rendite. Dennoch könnte Healthcare, wie das Geschäft im Manager-Englisch heißt, in Joe Kaesers Programm zur Disposition stehen. Der Vorstandschef will den Bereich innerhalb des Konzerns zu einem eigenständigen Unternehmen machen. Das soll für mehr Flexibilität sorgen. Ein möglicher Hintergrund: Die Siemens-Führung hat Angst, dass sich die Geschichte wiederholt. So lähmten lange Entscheidungswege einst das Siemens-Handygeschäft, bald war die Sparte abgewirtschaftet. Das soll Kaeser nicht noch einmal passieren. Deswegen soll die Führung der Medizintechniksparte eigenverantwortlich entscheiden können, was am besten für das Geschäft ist, überhaupt sollen ganze Management-Ebenen verschwinden, was bei Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt und anderen Investoren durchaus ankommt:
    "Die Verschlankung des Managements ist eine richtige Idee. Weil zu viel Overhead kann einfach Ideen bremsen, und nach unten findet dann keine Kommunikation mehr statt. Also das ist sicherlich richtig. Auch in der heutigen Zeit, wo die direkte Ansprache sehr viel eher möglich ist."
    Umstrittener Besuch in Russland
    Doch die neue Konzernstruktur ist nicht die einzige Baustelle bei Siemens. Joe Kaeser muss auch etwas für das Image des Unternehmens tun. Bis heute hängt der Firma der Korruptionsskandal nach. In Deutschland und in den USA ist das Thema zwar juristisch und finanziell aufgearbeitet, in anderen Ländern dagegen schwelt der Skandal weiter, zum Beispiel in Brasilien. Siemens soll beim Bau der U-Bahn von Sao Paulo mit anderen Unternehmen ein illegales Kartell gegründet und so den Preis nach oben getrieben haben. Außerdem wird wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt. Wir treffen den Siemens-Landeschef Paulo Stark in der brasilianischen Metropole. Dort baut der Konzern unter anderem Transformatoren. Die bis zu 450 Tonnen schweren Ungetüme werden in ganz Nord- und Südamerika verkauft, die Produktion ist gut ausgelastet. Paulo Stark ist bester Laune, reicht dem Besucher Kaffee in einem landesüblich winzigen Tässchen, Obst steht auf dem Tisch, frisch gepresster Saft. Mit dem Thema Kartell und Korruptionsaffäre hat er offenbar kein Problem, kommt darauf zu sprechen, bevor der Journalist überhaupt danach gefragt hat:
    "Was bedeutet für uns offen sein? Es bedeutet Klarheit zu schaffen. Es bedeutet, alles zu betreiben, um das, was noch nicht klar ist, zu erklären. Und natürlich den Behörden zu helfen bei deren Untersuchungsarbeiten. Das tun wir ganz klar und ganz offen. Und das wird natürlich auch geschätzt. Jeder gute Brasilianer will ein Land ohne Korruption haben. Und wenn eine Firma wie Siemens in diese Richtung hilft, dann wird das auch respektiert."
    Joe Kaeser und Wladimir Putin, beide im Anzug, stehend, Putin macht eine einladende Armbewegung.
    Ungeschickt? Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser (rechts) am 26. März 2014, während der Krim-Krise, beim russischen Präsidenten Wladimir Putin (dpa/picture alliance/Alexander Zemlianichenko / Pool)
    Gerade im Ausland sind die Kunden von Siemens oft Staaten, Behörden oder staatseigene Konzerne, die bei den Deutschen Kraftwerke, Infrastruktur und Züge kaufen. Nicht alle diese Länder sind nach westlichem Verständnis Demokratien. Geschäfte vor Ort sind eine Gratwanderung. Im März besuchte Joe Kaeser auf dem ersten Höhepunkt der Krimkrise Russlands starken Mann Wladimir Putin und sprach nicht nur von einer Partnerschaft, sondern sogar von einer Werte-Partnerschaft. Wurde der Siemens-Chef vom russischen Großkunden dazu genötigt, und machte Kaeser dann einfach gute Miene zum bösen Spiel? Oder war es eine Anmaßung eines unsensiblen Industriebosses, ein Solidaritätsbesuch? In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, Siemens unterlaufe die Politik des Westens. Der Bayerische Rundfunk jedenfalls nahm die Moskau-Reise in der Sendung "Quer" aufs Korn:
    Moderator: "Das ist Joe Kaeser, der Vorstandsvorsitzende von Siemens. Und der war gestern in Moskau bei Wladimir Putin und hat dem mal so was von demokratisch die Meinung gegeigt:
    Kaeser: "Ich darf Ihnen zunächst gratulieren für eine herausragende Olympiade in Sotschi. Das war für die Welt eine gelungene Zusammenkunft, in der sich die Nationen auch miteinander im fairen Wettkampf gemessen haben."
    Moderator: "Und jetzt noch die Goldmedaille für die schnellste Krim-Annexion. Glückwunsch! Der Siemens-Chef ist halt ein Unternehmer, und als solcher hat er in erster Linie das Ziel, lukrative Geschäfte einzufädeln in Russland und, das hat Herr Kaeser auch erwähnt, das macht Siemens jetzt schon seit über 160 Jahren."
    Automatisierung: Der Mensch als potenzielle Schwachstelle im System?
    Bei Siemens verweist man gerne auf solche Traditionen. Der Konzern ist in vielen Ländern seit mehr als 150 Jahren vertreten. Doch wie sieht die Zukunft aus? Vielleicht so wie in Amberg in der bayerischen Oberpfalz. Dort steht die "Beste Fabrik Europas". Diesen Titel haben Unternehmensberater der Anlage verliehen, die Siemens selbst als idealtypische Fabrik der Zukunft bezeichnet. In der riesigen Werkshalle arbeiten vor allem Maschinen. Sie produzieren komplizierte Schaltungs-Systeme, die dann wieder in Fabriken in aller Welt verkauft werden, um dort andere Maschinen und ganze Produktionslinien zu steuern. Die Bauteile sausen wie von Geisterhand über die Amberger Produktionsbänder, werden in atemberaubender Geschwindigkeit auf Maschinen verteilt, die sie zerteilen, mit Chips bestücken und verpacken. Industrie 4.0 nennen das die Fachleute oder auch das Internet der Dinge. Im Prinzip steckt dahinter ein gewaltiger Datenaustausch, erklärt Fabrikleiter Karl-Heinz Büttner, ein Ingenieur mit Leib und Seele, wie so viele Siemensianer:
    "Jedes Teil, das bei uns gehandelt wird, hat einen Namen, einen Barcode, und jede Maschine ist vernetzt. Und über diesen Mechanismus weiß jedes Teil in unserer Werkshalle genau, wo es hingehört oder was es tun muss. Das ist eigentlich das Geheimnis der Automatisierung und der Identifikation, die wir umgesetzt haben bei uns im Werk."
    An den Produktionsstraßen in der Amberger Fabrik sind menschliche Mitarbeiter eine Minderheit. Die Hauptarbeit erledigen die Maschinen. Wenn Menschen selbst Hand anlegen, etwa Teile zusammenstecken, dann sind es oft die Roboter, die ihr Tempo anpassen müssen, sprich langsamer arbeiten, als sie es könnten, damit ihre menschlichen Kollegen mitkommen. Der Mensch als potenzielle Schwachstelle im System? Karl-Heinz Büttner sieht das anders. Je mehr vernetzte Maschinen zusammen arbeiten, desto größer die Qualität und desto höher die Produktivität. Nur so könne man langfristig Industrie in einem Hochlohnland mit schrumpfender Bevölkerung halten:
    "Die Produktivität hat sich insofern verändert - und das ist für ein Unternehmen eine wichtige Kennzahl - dass wir innerhalb von 25 Jahren mit etwa der gleichen Anzahl von Mitarbeitern und mit der gleichen Werkhalle unser Volumen versiebenfacht haben."
    Mitarbeiter zwischen Widerstand, Duldung und Hoffnung
    Amberg ist eine Fabrik, auf die auch Joe Kaeser stolz ist, und die der Konzern gerne und regelmäßig auf das Besuchsprogramm von Delegationen aus aller Welt setzt. Siemens kann Zukunft, das will man signalisieren. Gerade in Deutschland hat das Image der Firma ja in den vergangenen Jahren schwer gelitten: unter Stellenstreichungen, Pannen bei Prestige-Projekten wie dem ICE, der Korruptionsaffäre, internem Machtgerangel. Siemens braucht deswegen mal wieder einen großen Erfolg. Den soll jetzt der Konzernumbau bringen. In der Belegschaft ist von Begeisterung bisher aber wenig zu spüren. Nach der Stagnation der vergangenen Jahre schwankt man offenbar zwischen Widerstand, Duldung und der Hoffnung, dass Kaesers Strategie am Ende aufgeht.