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Siemens-Einkauf
Ohne Hausgeräte, dafür mit US-Kompressoren

Siemens-Chef Joe Kaeser trumpft mit einem der größten Zukäufe in der Unternehmensgeschichte auf. Sein Haus übernimmt für rund sechs Milliarden Euro den US-Turbinenspezialisten Dresser-Rand - und steigt dafür aus der Hausgeräte-Kooperation mit Bosch aus.

Von Susanne Lettenbauer | 22.09.2014
    Der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Joe Kaeser, vor der Siemens Halbjahres-Pressekonferenz am 07.05.2014 in Berlin.
    Der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Joe Kaeser (Rainer Jensen /dpa)
    Ein Schnäppchen sieht anders aus, das muss auch Siemens-Vorstand Joe Kaeser zugeben, dennoch: Es gäbe derzeit keinen Konzern weltweit, der so gut in das angestrebte Portfolio seines Unternehmens passe wie der texanische Konzern Dresser-Rand, sagte Kaeser heute nachmittag bei der Präsentation des Übernahmegeschäfts in München.
    Der Kauf soll und kann Schwung bringen in den geplanten Umbau des Siemens-Konzerns. Vom Gemischtwarenladen zum Spitzenkonzern will Kaeser das Münchner Unternehmen führen. Das hatte er im Mai 2013 bei der Amtsübernahme versprochen. Jetzt also der milliardenschwere Einstieg in den Kompressorenmarkt. Fast 100.000 Turbinen des Unternehmens sind in mehr als 150 Ländern im Einsatz. Mit etwa 8100 Mitarbeitern erzielte Dresser-Rand im Geschäftsjahr 2013 einen Umsatz von rund drei Milliarden Euro.
    Konkretisierung des Portefolios
    Mit dem Kauf der Anteile an der amerikanischen Firma Dresser-Rand geht Siemens einen entscheidenden Schritt zur Umsetzung seiner Vision 2020. Das von Joe Käser abgegebene Übernahmeangebot im Wert von 7,6 Milliarden Dollar konkretisiert das Portfolio des Münchner Konzerns im Bereich Öl- und Gasindustrie. In der texanischen Firmenzentrale wird die freundliche Übernahme einstimmig begrüßt.
    Umweltschützer dürften den Deal wachsam beobachtet haben. Denn mit dem Kauf von Dresser-Rand steigt Siemens in das Fracking-Geschäft ein. Vorerst in den USA, wo Fracking ganz anders diskutiert wird wie in Europa, Robert Halver, Börsenanalyst von der Baader-Bank:
    "Also in Amerika ist das Fracking-Thema ein ganz anderes als in Europa. Da gibt es viele Landstriche, da wohnt niemand, da hat man 100 Meilen mal nur Wüste oder Gestein. Das ist was anderes wie bei uns. Und genau da möchte Siemens jetzt mitmachen, weil man diese Technik in anderen Regionen der Welt nutzen möchte, wenn das alte Öl – will ich mal sagen - von der OPEC immer weniger wird. Da möchte man vorbereitet sein, wohl wissend, mit Umweltschutz hat das primär nichts zu tun."
    Die aufgekauften Technologien für die dezentrale Energieversorgung, wie beispielsweise Kolbenmotoren für Kompressoren würden hervorragend die ohnehin starke Position der Münchner bei Turbokompressoren, Downstream- und Industrie-Anwendungen und größeren Dampfturbinen ergänzen, heißt es aus der Konzernzentrale von Siemens.
    Ausbau zur Premium-Marke für Energieinfrastruktur
    Als Premium-Marke in den globalen Märkten für Energieinfrastruktur passe Dresser-Rand perfekt in das Siemens-Portfolio, so Joe Käser. Die in Houston, Texas (USA), und Paris (Frankreich) ansässige Firma ist bislang in Deutschland eher unbekannt. Die Wurzeln des Maschinenbaukonzerns reichen zurück bis in das Jahr 1840. Dresser-Rand ist an der New Yorker Börse NYSE gelistet. Inwieweit Arbeitsplätze betroffen sind, kann Siemens noch nicht beziffern. Es gäbe aber auf jeden Fall Standortgarantien für die kommenden drei Jahre. Betroffen sind die Standorte Paris, Bielefeld, Oberhausen sowie Produktionsstätten in Frankreich, Großbritannien, Spanien, Norwegen und Indien. Die Hauptzentrale von Dresser-Rand soll trotz der Übernahme in Houston bleiben.
    Siemens will durch die Transaktion jährliche Synergien von mehr als 150 Millionen Euro bis 2019 erzielen. Analysten merkten heute bei der offiziellen Vorstellung der Übernahme an, dass Dresser-Rand in den vergangenen Jahren immer 15 Prozent hinter den Erwartungen zurückblieb, für Siemens-Chef Käser kein Thema.
    Nach Konzernangaben soll die Transaktion bis zum Sommer 2015 abgeschlossen sein. Finanziert wird die milliardenschwere Übernahme durch einen Deal, der heute ebenfalls bekannt wurde: Siemens trennt sich von seinen Anteilen eines Gemeinschaftsunternehmens mit Bosch.