Rhein-Main-Flughafen

Rechtsverbindliches aber umstrittenes Nachtflugverbot

Hinter den Wartungshallen der Lufthansa und dem neuen Tower setzt eine Passagiermaschine am Dienstag auf dem Flughafen von Frankfurt am Main auf der Nordwestbahn zur Landung an.
Seit rund vier Jahren gibt es in Frankfurt am Main ein generelles Nachtflugverbot. © dpa / picture alliance / Boris Roessler
Von Ludger Fittkau · 22.11.2016
Vor vier Jahren war es das Bundesverwaltungsgericht, das nach langem Rechtsstreit am Frankfurter Flughafen ein generelles Nachtflugverbot zwischen 23 Uhr und 5 Uhr morgens verordnete. Flughafenbetreiber Fraport und Großkunde Lufthansa reagierten verärgert.
Nach der Einführung des Nachtflugverbotes legte "Lufthansa-Cargo" ein geplantes neues Frachtzentrum in Frankfurt am Main auf Eis - mehrere hundert Stellen werden zurzeit abgebaut. Das Nachtflugverbot wird auch immer wieder im Hessischen Landtag diskutiert, wenn Fragen des Lärmschutzes rund um den größten deutschen Flughafen auf der Tagesordnung stehen. Der FDP-Abgeordnete Jürgen Lenders erinnerte erst vor wenigen Wochen bei einer Landtagsdebatte daran, dass das Nachtflugverbot international die Wettbewerbsbedingungen für den Rhein-Main-Airport verschärft habe:
"Nennen sie mir einen weltweit bedeutenden Flughafen, der ein Nachtflugverbot hat. New York, London, Paris, Amsterdam, Madrid, Istanbul, Dubai, Peking, Moskau - all diese internationalen Drehkreuze kennen kein Nachtflugverbot."
Der Frankfurter Flughafenbetreiber "Fraport" forderte noch vor kurzem mehr Flexibilität beim Nachtflugverbot und plädiert etwa für Starts und Landungen bis eine halbe Stunde nach Mitternacht. Ganz anders die Grünen, die in Hessen seit beinahe drei Jahren mit der CDU regieren. Sie forderten in ihrem Wahlprogramm nochmal ein längeres Nachtflugverbot.
Statt der sechs Stunden von 23 Uhr bis 5 Uhr morgens, die das Bundesverwaltungsgericht verfügte, versprach die Ökopartei ein Nachtflugverbot von 8 Stunden - von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens. Die oppositionelle Linkspartei im hessischen Landtag hält den Grünen nun vor, dass sie ihr Wahlprogramm an diesem Punkt der Koalitionsraison mit der CDU geopfert hätten. Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Linken im Wiesbadener Landtag:
"Aus der grünen Forderung im Wahlprogramm, ein achtstündiges Nachtflugverbot, wurden die sogenannten Lärmpausen, die je nach Wind- und Wetterlage mal eingehalten werden und mal nicht. Die Lärm verschieben, statt ihn zu reduzieren."
Lärmpausen - dahinter steckt die vom grünen Wirtschaftsminister Tarek Al Wazir eingeführte Praxis, dass in verkehrsärmeren Zeiten An- und Abflüge auf bestimmten Start- und Landebahnen gebündelt werden und damit die anderen Flugschneisen in manchen Stunden vom Lärm verschont bleiben.

Insgesamt vier Start- und Landebahnen

Frankfurt am Main verfügt heute über insgesamt vier Start- und Landebahnen, die beim Lärmpausenkonzept nicht immer alle in Betrieb sind. Das ist auch deswegen möglich, weil die Zahl der grundsätzlich genehmigten rund 700.000 Flugbewegungen jährlich am Frankfurter Flughafen noch längst nicht erreicht ist. Das Wachstum des größten deutschen Airports geht langsamer voran, als noch vor einigen Jahren prognostiziert.
Es gibt allerdings eine neue Studie, die sogenannte "Norah-Studie", die gesundheitsgefährdende Lärmbelastungen für mehrere hunderttausend Anwohner des Flughafens festgestellt hat. Tarek Al Wazir, der grüne hessische Wirtschaftsminister i in der jüngsten Landtagsdebatte zum Flughafen:
"Und die Ergebnisse der Norah-Studie zeigen, dass Handlungsbedarf besteht. Im Vergleich zu 2007 gibt es mindestens auf zwei Ebenen neue Erkenntnisse: Erstens die Frage der Belästigten. Wir wissen, dass bereits heute mehr Menschen vom Fluglärm hoch belästigt sind, als damals angenommen. Es sind allein 300.000 Menschen innerhalb des Gebietes mit mindestens 50 Dezibel Tagesdauerschallpegel, die vom Fluglärm des Flughafens Frankfurt hoch belästigt sind. Das ist eine neue Erkenntnis."
Das aktuelle, sechsstündige Nachflugverbot bietet wenigstens für eine paar Stunden Schutz vor dieser Lärmbelästigung. Deswegen wird es auch von der großen Mehrheit im hessischen Landtag nicht in Frage gestellt. Auch wenn Fraport oder Wirtschaftskreise rund um den Flughafen immer wieder die Gefahr beschreiben, dass Fluglinien wegen zu großer Auflagen beim Lärmschutz den Frankfurter Flughafen ganz verlassen. Jürgen Lenders, der liberale Landtagsabgeordnete, wendet sich mahnend an die Landtagsmehrheit:
"Meine Damen und Herren, ihre Theorie setzt voraus, dass die Airlines keine Alternative zum Standort Frankfurt haben. Ihre Rechnung wird nicht aufgehen. Es sind eben internationale Airlines, die nicht auf Frankfurt angewiesen sind, die eben nach Istanbul, Dubai und Co ausweichen können, meine Damen und Herren. Ihre Theorie wird nicht aufgehen und deswegen werden sie dem Standort Frankfurt schaden."
Doch die schwarz-grüne Landesregierung will beides – einen funktionierenden Flughafen und möglichst großen Lärmschutz für die Anwohner. Tarek Al Wazir, der grüne Wirtschaftsministers Hessens:
"Das ist der Kurs der Landesregierung. Entwicklung ermöglichen, Lärm begrenzen. Diese Arbeit hat am Ende Erfolg, da bin ich mir sicher."
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