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Siemens
Vorerst keine Staatsaufträge in Brasilien mehr

Dass vergangene Korruptionsfälle aktuelle Wirkung entfalten können, muss derzeit Siemens feststellen. 2013 hatte ein Gericht den Konzern wegen Preisabsprachen für fünf Jahre von allen öffentlichen Ausschreibungen in Brasilien ausgeschlossen. Jetzt tritt die Strafe inkraft.

Von Michael Braun | 03.03.2014
    Es ist quasi ein Abfallprodukt alter eigener Recherchen, das nun auf Siemens zurückschlägt. Nach Korruptionsvorwürfen hauptsächlich aus Nordamerika hatte Siemens alle seine Geschäftsprozesse durchleuchtet. Und war dabei auch auf Preisabsprachen in Brasilien gestoßen. Die Siemens-Prüfer hatten die bei Ausschreibungen der brasilianischen Post und Telekom in den Jahren 1999 bis 2005 festgestellt. Die Münchner hatten dann offenbar die Flucht nach vorn angetreten. Der Siemens-Analyst von Fairesearch, Heinz Steffen:
    "So weit wir das gesehen haben, ist Siemens sogenannter Whistleblower gewesen. Die haben also das Ganze ins Rollen gebracht. Dor sind alle Geschäfte auf mögliche Korruptionsfälle in der Vergangenheit untersucht worden. Weltweit innerhalb des Konzens. Und da hat man auch im Zuge dieser Entwicklung auch diesen Fall aufgedeckt. Als Whistleblower ist es schon sehr merkwürdig, dass man dann letztlich dann dafür bestraft wird."
    Die Strafe sieht so aus, dass Siemens für fünf Jahre von allen öffentlichen Ausschreibungen in Brasilien ausgeschlossen bleibt. Das hatte ein Gericht schon voriges Jahr als angemessene Strafe beschlossen. Siemens hatte gegen dieses Urteil geklagt. Dieses Rechtsmittel wurde nun abgewiesen und die Strafe in Kraft gesetzt.
    Siemens setzt mit Brasilien jährlich etwa zwei Milliarden Euro um. Etwa zehn Prozent davon kommen von staatlichen brasilianischen Auftraggebern. Unter dem Strich machen diese Umsätze höchstens 0,3 Prozent aller Umsätze von Siemens aus. Das werfe den Konzern nicht um, ist zu hören, auch wenn im Bereich Stromversorgung und Medizintechnik die Umsatzanteile überdurchschnittlich seien. Helfen könnte zudem, dass der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen nicht das Ganze Siemens-Geschäft in Brasilien betrifft. Heinz Steffen:
    "Hier geht es um die brasilianische Tochtergesellschaft und nicht um die Niederlassung von Siemens in Brasilien. Sodass es durchaus sein kann, dass die brasilianische Tochtergesellschaft keine Aufträge mehr bekommt, aber dass es durchaus sein kann, dass die Siemens-Niederlassung Brasilien dementsprechend Aufträge erhält."
    Vorerst keine Entlassungen
    Die 7.910 Beschäftigten von Siemens müssen also nicht gleich an Entlassungen denken. Sie arbeiten in sieben Forschungszentren, 14 Fabriken und 13 Verkaufsbüros. Die Beziehungen sind so gewachsen, dass mithilfe von Siemens-Produkten die Hälfte des in Brasilien hergestellten Stroms erzeugt wird.
    Für Siemens bleibt die Erkenntnis, dass die Korruptionsfälle der Vergangenheit immer noch aktuelle Wirkung entfalten können. Das nehme ab, werde sich aber wohl nie ganz vermeiden lassen, meint Analyst Steffen:
    "Sie haben jetzt ihre Compliance-Richtlinien so aufgestellt, dass ich nicht mehr glaube, dass große Korruptionsfälle aus der Vergangenheit noch auftauchen werden. Und bei neuen, denke ich mal, dass das Unternehmen da sehr gut aufgestellt ist. Aber generell können Sie so was natürlich nicht ausschließen, dass das passiert. Das ist nicht nur bei Siemens, sondern auch bei anderen großen Unternehmen möglich."
    Siemens gibt aber den Rechtsstreit nicht in Brasilien nicht auf. Gegen die jüngste Entscheidung des brasilianischen Gerichts will der Münchner Konzern weiter juristisch vorgehen. Die Rolle als Whistleblower will Siemens offenbar gewürdigt wissen.