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Sierra Leone
"Ebola ist schlimmer als der Bürgerkrieg"

Während das Nachbarland Liberia schon vor Wochen Ebola frei erklärt wurde, werden in Sierra Leone noch immer neue Ebola-Fälle gemeldet. Das Land tut sich auf der Zielgeraden schwer. Inzwischen ist eine regelrechte Ebola-Industrie entstanden.

Von Oliver Ramme | 24.05.2015
    Lansana Sinnah ist ein hagerer Mann. Seine Füße stecken in Gummistiefeln. Er trägt schwarze Jeans und weißes Poloshirt. Auf dem Hemd steht, nicht zu übersehen - Working with Communities - also mit der Gemeinde arbeiten. Direkt darunter: Ein rotes Kreuz – Sierra Leone Red Cross Society.
    Der 43-Jährige steht in einer steilen Gasse. Der Asphalt ist überzogen mit Schlaglöchern. Am Rinnstein schlängelt sich eine stinkende, milchige Flüssigkeit nach unten. Kloake vom Berg. Rechts und links stehen Baracken. Hütten gebaut aus Wellblech oder aus Holzbrettern mit Planen.
    Die Grandstreet, eine ganz normale Straße mitten in Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones: Sinnah läuft der Schweiß von der Stirn, die Sonne steht senkrecht über ihm. Kein Schatten. Es ist heiß, vielleicht 40 Grad. Der Mann vom Roten Kreuz erklärt den staunenden 50, vielleicht 70 Menschen, die sich vor ihm aufgebaut haben, was nun passieren wird. Dass nämlich drei Männer in Schutzanzügen in die Grandstreet 7 gehen werden, um dort einen Leichnam in eine reißfeste Kunststofftasche zu stecken. Danach wird der Tote in den Laster hinter ihm geschoben und abtransportiert.
    "Es gibt schönere Jobs. Aber ich bin jetzt seit über 25 Jahren Freiwilliger beim Roten Kreuz. Und wir haben schon im Bürgerkrieg Tote eingesammelt. Damals wie heute mussten wir die Leute schnell begraben. Heute wegen Ebola. Es ist hart, aber so kann ich meinem Land helfen."
    Die Bewohner der Straße, die Angehörigen des Toten und Schaulustige reagieren bestürzt. Vor allem als sie sehen, wie sich drei Kollegen von Sinnah in die gelben Schutzanzüge zwängen, sich Handschuhe anziehen und sich Mund- und Gesichtsschutz überstreifen.
    Das Rote Kreuz in Sierra Leone rettet längst nicht mehr nur Leben, sondern kümmert sich auch um die Toten. Ungefähr 50 Teams sorgen in ganz Sierra Leone für den sicheren Abtransport von Leichen. Die traditionellen Bestattungsrituale, bei denen der Leichnam berührt wird, sind seit dem Ausbruch von Ebola strengstens untersagt. Nur Spezialteams dürfen die Leichen abholen.
    Informationszentrale High Court
    Wenige Kilometer Luftlinie von der Grandstreet entfernt, auf einem der zahlreichen steilen, grünen Hügel von Freetown, liegt der High Court. Ein runder Gerichtssaal mit Holzvertäfelung. Vor diesem UNO-Tribunal wurden Kriegsverbrecher verurteilt.
    Zwischen 1991 und 2002 war Bürgerkrieg in Sierra Leona. 75.000 Menschen starben, gerichtet unter anderem durch Kindersoldaten. Ein Krieg befeuert durch Blutdiamanten. Ein Krieg der viele der rund sechs Millionen Einwohner zu Flüchtlingen machte, der das ohnehin arme Land weiter in die Armut bombte.
    Im High Court gibt es heute einen gemeinsamen Feind: Das Ebola Virus. Wer wissen will, wie es um den Kampf gegen Ebola in Sierra Leone bestellt ist, muss diesen Saal betreten.
    Jeden Werktag, immer um die gleiche Uhrzeit, werden Statistiken präsentiert. Wo hat es welche neuen Ebola Fälle gegeben? Wo liegen welche Patienten in den Behandlungszentren? Das National Ebola Response Centre, also der nationale Ebola Krisenstab wird geleitet von Steve Gaojia.
    Das Land tut sich auf der Zielgeraden schwer. Während das Nachbarland Liberia schon vor Wochen Ebola frei erklärt wurde, werden im High Court noch immer neue Ebola-Fälle gemeldet. Etwa zehn pro Woche.
    "Das ist wie ein 400-Meter-Rennen. Wir sind jetzt bei 380 Metern. Und die letzten 20 sind die schwierigsten. Wir ermuntern unsere Landsleute das mit uns anzugehen, damit wir Ebola in Sierra Leone so schnell wie möglich auf null bringen."
    Dazu ist eine regelrechte Ebola-Industrie entstanden. Gespeist hauptsächlich durch ausländische Hilfsgelder.
    "Wir haben hier 26.000 Menschen im Land – die meisten sind Freiwillige - die beherzt gegen die Seuche kämpfen. Wir haben ein enormes Wissen im Kampf gegen Ebola angehäuft. Mit all den Ambulanzen, Behandlungszentren, Laboratorien sind wir sehr gut aufgestellt für unseren Kampf. Und bei möglichen weiteren Ausbrüchen haben wir die nötigen Antworten."
    Vor allem eine Krankheit der Armen
    Noch immer wird an den Verkehrsknotenpunkten im Land die Körpertemperatur gemessen. Noch immer geben sich die Menschen nicht die Hand und bemühen sich um ABC, Avoid Body Contact. Also: Vermeidet Körperkontakt. Doch der lässt sich nicht ganz ausschließen.
    Die Märkte sind wieder voller Menschen, in den billigen Sammeltaxis werden die Passagiere zusammengeschoben um Platz zu schaffen für noch mehr Kunden. Gleiches spielt sich auf den Fähren ab. Ebola ist vor allem eine Krankheit der Armen.
    Geblieben als Ebola-Schutz sind auch die Kunststoffeimer mit eingebautem Wasserhahn – gefüllt mit Chlorwasser. Händewaschen, um die Übertragung zu unterbrechen. Überall stehen die Eimer herum, vor Supermärkten, Hotels und öffentlichen Gebäuden. Auch vor der Prince of Wales Schule in Freetown.
    Rund 1.200 Schüler des Jungengymnasiums singen vor Unterrichtsbeginn mit breiter Brust die Nationalhymne Sierra Leones. Doch auf dem weitläufigen Hof mit seinen hohen Laubbäumen herrschte acht Monate lang Grabesstille - nicht nur hier. Die Schulen blieben landesweit wegen Ebola geschlossen. Erst im April wurde der Unterricht wieder aufgenommen. Acht Monate Zwangsferien – kein Segen für diesen Achtklässler?
    "Es war langweilig. Die Schule war zu, ich durfte nicht rausgehen, keine Berührungen und nur zuhause büffeln. Ich bin froh, dass die Schule wieder aufhat und ich was lernen kann."
    Neben ihm steht der Direktor der Schule, Rodney Coker, und hört aufmerksam zu. Auch er ist froh, dass landesweit der Schulbetrieb wieder aufgenommen worden ist. Doch Coker, ein Mann mit Turnerstatur, ist nicht frei von Sorge.
    "Das Land ist ja noch nicht Ebola frei. Und nur ein Fall hier könnte uns acht Monate zurückwerfen. Und als wir den Unterricht wieder aufgenommen haben, haben wir darauf geachtet, alle Sicherheitsstufen einzuhalten. Hier stehen die Eimer und die Temperatur wird am Eingang gemessen. Und wir schauen uns die Jungs genau an und gehen von Klasse zu Klasse. Ja wir haben ein paar Krankheitsfälle, aber das ist dann Malaria oder Typhus. Und - wir berühren uns hier nicht."
    In den acht Monaten der Zwangspause haben Coker und seine Kollegen weiterhin ihr Gehalt bezogen. Mussten sich aber für den Unterricht per Radio zur Verfügung stellen und ein neues Curriculum erstellen: Die acht Monate Unterrichtsverlust sollen bis spätestens September nächsten Jahres wieder aufgeholt werden.
    Bislang 3.500 Ebola-Tote
    Zurück in der Grandstreet. Die drei Männer im gelben Schutzanzug sind in das Haus gegangen und haben den Leichnam des 45-Jährigen in einen weißen Sack aus glattem Planen Stoff gesteckt. Auf einer Bahre bringen die Männer in Gelb den Leichnam auf die Straße.
    Dramatische Szene<ins cite="mailto:Götzke,%20Manfred%20[X]" datetime="2015-05-20T13:01">n</ins> spielen sich jetzt ab. Die Leute Schreien. Ist es die Trauer um den Toten? Oder sind es die maskierten Männer im Schutzanzug? Oder beides? Eine Frau fällt in Ohnmacht. Ihr erschlaffter Körper wird hektisch weggetragen. Aber auch im Chaos herrscht Disziplin. Niemand nähert sich, alle halten gebührenden Abstand von dem weißen Sack und den gelben Männern.
    Als sich die Szenerie langsam beruhigt<ins cite="mailto:Götzke,%20Manfred%20[X]" datetime="2015-05-20T13:02">,</ins> tritt ein Imam an den weißen Sack. Er und ein paar Männer hinter ihm verneigen sich zum Gebet. Alle anderen sehen mit versteinertem Blick zu. Fast unbemerkt nähert sich ein zweites Team. Dieses bringt eine neue Matratze in das Haus des Verstorbenen. Außerdem werden die Räume mit chemischen Mittel desinfiziert.
    Der Tote wird auf die Ladefläche eines Lasters geschoben, die Klappe geschlossen. Auftrag erledigt.
    Nun fahren Sinnah und seine Männer zum nächsten Todesfall. Ob die Todesursache Ebola war, erfahren die Helfer erst morgen nach dem Labortest.
    Bis heute beklagt Sierra Leone etwa 3.500 Ebola-Tote. Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiß niemand.
    In Kallia starb jeder zehnte Bürger
    Das Dorf Kallia, etwa 200 Kilometer östlich von Freetown. Nicht weit von hier führt ein gut ausgebauter Highway in das Grenzgebiet von Guinea und Liberia. Dort hatte die Ebola-Epidemie Anfang 2014 ihren Lauf genommen. Der Highway brachte dann auch Sierra Leone den Tod, auch der 400 Seelengemeinde Kallia. Im August letzten Jahres schleppte ein Mann aus einer anderen Gemeinde das Virus ein. Ortsvorsteher Jamal erinnert sich.
    "Wir waren hier in Quarantäne, wir waren umstellt von Polizei und Militär. Für 42 Tage. Keiner durfte das Haus verlassen. Fast jedes Haus hatte Ebola-Fälle. Es war furchtbar. Es war die Zeit in der es im Dorf eigentlich viel zu tun gibt. Die Ernte zum Beispiel oder andere Familienaktivitäten.“
    Kallia gelangte zu traurige<ins cite="mailto:Götzke,%20Manfred%20[X]" datetime="2015-05-20T13:05">r</ins> Berühmtheit in Sierra Leone. Nirgendwo sonst wütete das Virus mit höherer Effizienz als hier! Von den 46 Infizierten überlebten gerade einmal sieben Einwohner.
    In den engen und dunklen Hütten müssen sich während der 42 Tage der Quarantäne klaustrophobische Szenen abgespielt haben. Keine der Hütte ist größer als zwei zusammengeschobene Autogaragen.
    "Wir haben im Haus Abstand gehalten, sogar ich von meiner Frau. Es war grausam. Du bist am Morgen aufgestanden und dachtest: Heute ist dein letzter Tag, das dachten alle. Morgen bist du tot!"
    Versorgt wurden die Bewohner während der Quarantäne von Hilfsorganisationen, die Nahrungsmittel durch die Fenster reichten. Und wenn jemand Symptome des Ebola Fiebers zeigte, kamen die Spezialkommandos in ihren Schutzanzügen und haben die Kranken in die Seuchenstation transportiert. 42 Tage warten auf den Tod.
    Spenden von internationalen Hilfsorganisationen sind in Kallia eingetroffen. Neue Matratzen, Eimer, Moskitonetze werden an jene Familien verteilt, die das Virus heimgesucht hat. Quasi an alle Familien. Nach der Quarantäne musste hier alles verbrannt werden. Nur die Lehmhütten mit ihren rostigen Wellblechdächern blieben stehen.
    Jamal hat seinen Vater, seinen Bruder und seinen Schwager verloren.
    "Ebola ist schlimmer als der Bürgerkrieg. Als der Krieg hier anfing, die Schüsse fielen, dann konntest du weglaufen. In die Stadt oder den Busch. Aber als Ebola kam, konntest du dich nicht verstecken, du musstest bleiben.“
    Arm, obwohl reich an Bodenschätzen
    Einige Dörfer leiden noch heute, ein halbes Jahr nach dem Höhepunkt der Krise, an der Quarantäne von damals. Andere profitierten. Hans-Peter Müller ist seit acht Jahren für die Welthungerhilfe in Sierra Leone.
    "Das Bild ist eher gemischt. Dörfer, die in der Erntezeit unter Quarantäne gestellt wurden, haben ihre Ernte verloren. Während die Nachbarn dann auf die Felder gegangen sind und dann die Ernte eingeholt haben. Dörfer, die von Ebola betroffen waren, haben Ernährungssicherungsprobleme zurzeit.“
    Deshalb müssen Hilfsorganisationen Waren in den Dörfern, die nicht unter Quarantäne standen aufkaufen, um sie an Ebola versehrte Dörfer wie Kallia weiterzureichen. Agrarexperte Müller glaubt, dass das Land zwei, drei Jahre brauchen wird, bis sich die vielfach nur dem Eigenbedarf dienende Landwirtschaft wieder eingependelt hat.
    Aber nicht nur die Millionen von Kleinbauern ha<ins cite="mailto:Götzke,%20Manfred%20[X]" datetime="2015-05-20T13:10">t</ins> das Virus hart getroffen. Auch größere Konzerne mussten Einbußen hinnehmen. Sierra Leone rangiert auf einem der letzten Plätze des Human Development Index, dem Index für menschliche Entwicklung. Sierra Leone ist arm, obwohl es reich an Bodenschätzen ist. Große Vorkommen gibt es an Diamanten, Gold, Rutil und Bauxit.
    Vimetco – ein rumänisches Konsortium - beschäftigt rund 500 Arbeiter in der zweitgrößten Bauxitmine des Landes. Die Mine liegt tief im Busch und nahe der Küste. Das Aluminiumerz wird im Tagebau gewonnen. Das Gestein wird nach der Förderung gewaschen, gewogen und anschließend zum Hafen transportiert. Kein aufwendiges Verfahren, aber auch hier hatte das tödliche Virus seine Hände im Spiel. Patricia Jangah ist die Sprecherin der Bauxitmine.
    "Ebola hat uns finanziell getroffen, ja. Wir konnten nicht die gleiche Fördermenge garantieren. Wir hatten nicht genügend Laster zur Verfügung, weil die kaputt gingen und nicht ersetzt werden konnten. Und wir hatten Probleme, Schiffe zu ordern, weil das Einlaufen in unseren Hafen zeitweise untersagt war. So konnten wir nur zwei Drittel der Schiffsladungen garantieren. So entstand eine große Lücke, für uns ökonomisch und finanziell ein echter Schaden."
    Aber wenigstens habe es keine Ebola Fälle unter den Arbeitern gegeben. Das hätte zur sofortigen Schließung der Mine geführt, sagt die junge Frau<ins cite="mailto:Götzke,%20Manfred%20[X]" datetime="2015-05-20T13:49"> in</ins> Sicherheitsstiefeln, Jeans und firmeneigene<ins cite="mailto:Götzke,%20Manfred%20[X]" datetime="2015-05-20T13:49">m</ins> Hemd.
    Andere Minen in Sierra Leone hatten weniger Glück und mussten ihren Betrieb einstellen. Ebola hat die ohnehin schon kränkelnden Volkswirtschaften der betroffenen Länder Sierra Leone, Liberia und Guinea laut Weltbank Milliarden gekostet.
    Der Tod ist alltäglich
    Das Kreiskrankenhaus in Kenema, eine Bezirkshauptstadt im Osten des Landes. Eine Mutter verlässt die einstöckige Baracke, in der die Kinderklinik untergebracht ist. Sie hat gerade ihr sechs Monate altes Kind verloren, eine zu spät erkannte Malaria. Vor allem Kleinkinder werden Opfer der heimtückischen Tropenkrankheit. Inden letzten Monaten sind ähnlich viele Menschen an Malaria wie an Ebola gestorben. Die schreiende Mutter erregt kaum Aufsehen im Krankenhaus. Zu alltäglich ist der Tod.
    Das verstorbene Kind wird in die Leichenhalle des Krankenhauses gebracht. Hier arbeitet der 33-jährige Kelfala. Auch er trägt gelben Overall, Mundschutz und Schutzbrille: "Mein Job ist gefährlich, wirklich gefährlich!"
    Aber, so betont er, er mache diesen Job für sein Land. Er will helfen, Ebola aus Sierra Leone zu vertreiben. Bezahlt wird er dafür nicht.
    "Ich bekomme seit Monaten kein Gehalt mehr. Ich komme aber jeden Tag, ziehe das Ding hier an und mache meinen Job. Manchmal stecken mir die Angehörigen der Toten ein bisschen Geld zu, damit ich den Leichnam etwas schmücke."
    Die Krankenhäuser im Land funktionieren wieder, mehr schlecht als recht. Das unterentwickelte Gesundheitssystem wurde hart getroffen. Über 100 Ärzte, Schwestern und medizinisches Fachpersonal starben durch Ebola. Bitter für ein Land, in dem Ärzte schon immer Mangelware waren. Und das verblieben<ins cite="mailto:Götzke,%20Manfred%20[X]" datetime="2015-05-20T13:53">e</ins> Personal ist völlig überlastet.
    Dr. Mohamed Vandi leitet den Kampf gegen Ebola im Bezirk Kenema. Die Gegend ist seit 70 Tagen Ebola frei. Trotzdem, Vandi blickt frustriert auf den langen Kampf zurück. Und nun versagt der Staat auch noch bei der Bezahlung.
    "Wir haben massive Probleme mit der Gefahrenzulage. Einige haben hier schon seit Monaten kein Geld mehr gesehen. Andere seit Wochen. Dann bekommen sie mal wieder was, dann wieder nicht. Die Bezahlung ist chaotisch. Und ich weiß echt nicht, was getan werden kann! Es gab Prüfungen, Nachprüfungen, Nachnachprüfungen. Es ist total frustrierend!"
    Sierra Leone gehört zu den ärmsten und korruptesten Ländern der Welt. Die Korruption macht nicht einmal vor der Ebola Hilfe halt. Wohin die Gelder versickern – niemand weiß es.
    Trotzdem arbeiten mehrere 10.000 Menschen in Sierra Leone teils auf freiwilliger Basis im Kampf gegen die tödliche Seuche. Jeder im Land kennt Ebola und weiß wie er sich zu verhalten hat, eigentlich. Aber Steve Gaojia, dem Oberste Kämpfer gegen das Virus, reicht das nicht.
    "Wenn irgendwer aus Ebola nichts gelernt hat, dann muss der noch mal in sich gehen. Ebola war eine Lebens- und Verhaltensverändernde Erfahrung. Es hat das Leben der Menschen verändert. Ein Fehler, eine Unachtsamkeit und du warst weg. Was wir in anderen Gebieten gesehen haben: Die Menschen haben tatsächlich ihr Verhalten verändert. Das geht auch nicht anders, sonst bekommen wir Ebola nicht weg.“
    Ein Friedhof etwa 20 Kilometer vor den Toren Freetowns. Hier war bis vor einem Jahr Buschland. Das Grab mit der Nummer 3895 wird ausgehoben. Es ist später Nachmittag. Lansana Sinnah und sein Rotkreuzteam sind hier. Drei Leichen liegen im Laster. Beim Abholen der anderen Verstorbenen kam es wieder zu dramatischen Szenen.
    "Im Grunde ein normaler Tag für mich. Was da passiert ist, das kommt jeden Tag vor."
    Im Schnitt finden hier 50 Begräbnisse pro Tag statt. Ohne Zeremonie. Die Leichen in dem weißen Sack werden von Spezialteams in Schutzanzug in die Gruben gehoben und mit Erde bedeckt. Ein paar Angehörige dürfen zuschauen, aus sicherem Abstand. Dann wird ein Holzstück mit Name und Alter des Toten aufgestellt. Der 45-Jährige aus Freetown liegt im Grab 3895.
    Abubakar Cisse aus dem Rotkreuzteam streift sich für heute zum letzten Mal den gelben Schutzanzug ab. Feierabend! Er ist von Beruf Lehrer. Er könnt es einfacher haben.
    "Nur meine Frau und meine Kinder sind bei mir. Der Rest der Familie diskriminiert mich. Sie kommen mir nicht nahe, weil ich mit Ebola zu tun habe. Aber wenn das hier alles vorbei ist, kommen sie zu mir zurück. Ich fühle mich als Held, weil ich den Kampf kämpfe."