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Silke Burmester
Springer-Verlag macht Werbung für Yücels Gefängnis

Während Springer-Korrespondent Deniz Yücel im türkischen Gefängnis sitzt, druckt sein Verlag Werbung für die Türkei. Unsere Kolumnistin Silke Burmester findet das schizophren. Chefredakteure sollten es nicht zulassen, dass so die Reputation ihrer Blätter kaputtgemacht wird.

Von Silke Burmester | 20.07.2017
    #FREEDENIZ steht in weißer Schrift auf blauem Untergrund am Dach der Konzernzentrale der Springer SE. Daneben das Konterfei von Deniz Yücel.
    Am Dach der Konzernzentrale der Springer SE in Berlin prangt die Forderung nach der Freilassung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel. (dpa/Paul Zinken)
    Hallo liebe Hörerinnen und Hörer dieser kleinen Kolumne!
    Da sind wir wieder! Und ja, wir werfen uns direkt hinein in das Aufregerthema der Woche: Die ganzseitige, Unmengen an Penunzen bringende Türkei-Anzeige, die die Süddeutsche Zeitung am Wochenende im Blatt hatte. Die "Union der Kammern und Börsen der Türkei" preist darin die Niederschlagung des Putsches vor einem Jahr und den "Sieg der Demokratie über den Terror".
    Und weil wir, die klugen, denkenden Hörerinnen und Hörer des Deutschlandfunks, die Leser der FAZ und eben auch der Süddeutschen und ja, sogar der Schmierenpostille Bild uns kein X für ein U vormachen lassen, und schon gar keine Autokratie als Demokratie verkaufen, sind alle recht empört.
    Die Empörung richtet sich gegen die Bigotterie der Süddeutschen Zeitung, die immer so hübsch für die Demokratie schreibt, sich aber nicht zu fein ist, Geld von der bösen Türkei zu nehmen. Und Klaus Brinkbäumer, Chefredakteur des Spiegel und Tanit Koch, Chefin des wiedererwachten Kampagnenblattes BILD ebenso wie die Presseabteilung der "Zeit" behaupten, sie hätten das unmoralische Anzeigenangebot abgelehnt.
    Die Badestrände des Despoten lobpreisen
    Lustigerweise hatte "Die Zeit" vor drei Wochen eine Jubelbeilage über die Türkei im Gepäck. Ebenso wie die FAZ. Was aber niemandem Pulsrasen verursachte. Wobei man sich auch da schon fragen konnte, ob es für ein liberales, der Demokratie verpflichtetem Blatt ein schöner Zug ist, die Badestrände des Despoten zu lobpreisen. Die guten Handelsbeziehungen. Und vor allem: den großartigen Investitionsstandort Türkei. Zumal wenn die Postille im Auftrag des regierungsnahen Dachverbandes der türkischen Exporteure in der deutschen Zeitung landet.
    Auch die Chinesen hatten sich vor dem G20-Gipfel den Umstand zunutze gemacht, dass Zeitungen Geld verdienen müssen, so dass dem Tagesspiegel eine achtseitige Jubelpublikation über den Zwangsstaat beilag. Produziert vom Tagesspiegel, mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
    Auch ich habe schon für eine sogenannte "Beilagen-Redaktion" gearbeitet, für die der Financial Times Deutschland. Auch hier wurden Artikel erstellt, für die ein Interessensverband zahlte oder genügend Anzeigen schaltete: Energie- und Autowirtschaft, Tourismusorte, Politik- und Technologiethemen. Immer wird in solchen Fällen seitens der Verlage die redaktionelle Unabhängigkeit betont, der Umstand, dass man sich die Themen nicht diktieren lasse. Klar ist aber auch, was dem Chinesen nicht passt, kommt nicht ins Blatt.
    Und so sind diese Beilagen doppelt problematisch: Zum einen weichen sie für uns Journalisten die Trennlinie zwischen Journalismus und PR auf, denn es sind oft dieselben Personen, die einerseits über die Themen berichten, andererseits die Jubeltexte schreiben. Zum anderen führen sie die von den Zeitungen angestrebte Haltung ad absurdum, wenn sie ihren Leserinnen und Lesern völlig frei von jeglicher Kritik etwa die Diktatoren-Staaten in den schönsten Farben darlegen.
    Imagepolitur des Autokratenstaates
    Eine geradezu schizophrene Situation entsteht, wenn, wie im Fall der türkischen Imageblätter, der Axel-Springer-Verlag an der Herstellung und Verteilung beteiligt ist und verdient. Und der Verlag durch die Inhaftierung des Korrespondenten der Tageszeitung "Die Welt" gleichzeitig von der antidemokratischen Politik ihres Anzeigenkunden betroffen ist. So weist die türkische Firma "Global Connection", die die zum Teil von Ministerien finanzierten Jubelbeilagen herstellt, "Die Welt" als ihren "Partner" aus und nennt die Adresse des Axel-Springer-Verlages als Deutschlandkontakt auf ihrer Homepage.
    Zuletzt lag im März der "Welt" ein Reise-Extra von Global Connection über die Türkei bei. Da war Deniz Yücel schon im türkischen Gefängnis. Die Beilage über die schönen Handelsbeziehungen zwischen der Türkei und Deutschland wurde im Auftrag der Wochenzeitung "Die Zeit" bei Axel Springer gedruckt. Es hängen also viele drin bei der Verbreitung des türkischen Beziehungshonigs und letztendlich verdienen eine Menge Verlage an der Imagepolitur des Autokratenstaates.
    Ein jedes Mal, wenn das Thema aufkommt, wird, wie bereits erwähnt, betont, dass solche Beilagen Verlagsentscheidungen sind und nichts mit der Redaktion zu tun haben. Es ist die Frage, wie lange Chefredakteure es noch zulassen wollen, dass irgendwelche BWL-Hansel, getragen von einem Moralvakuum und Eurozeichen in den Augen, die Reputation ihrer Blätter kaputt machen. Oder anders gesagt: Auch Verlagsleute sollten mal dem ein oder anderen ethischen Gedanken nachhängen. Die stehen in den Zeitungen, für die sie arbeiten. Sind somit kostenfrei zugänglich.