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Singende Fußballer
Schmalz, Hits und Gruseliges

Ob Vereinslied, Schlachtgesang im Stadion oder offizielle WM-Hymne: Popmusik gehört heute so selbstverständlich zum Fußball wie Trikots und Ball. Dass Fußballer selber singen und Lieder aufnehmen, kommt inzwischen immer seltener vor. Es gab Zeiten, da war das anders.

Von Ronald Strehl | 26.06.2014
    Der brasilianische Fußballspieler Edson Arantes do Nascimento, genannt Pele in Sao Paulo, Brasilien am 24 April 2014.
    Der brasilianische Fußballer Pele glänzte 1969 mit dem Bossa-Nova-Titel "Meu Mundo E Uma Bola". (picture alliance / dpa / Sebastiao Moreira)
    John Charles, damals in Diensten von Juventus Turin, dürfte vermutlich der erste singende Fußballer im Pop gewesen sein. 1960 hatte der walisische Ausnahmestürmer die Schnulze "Love in Portofino" aufgenommen. Es war die Aussicht auf schnell verdientes Geld, die viele Fußballstars trotz oft dürftigem stimmlichen Talent in den 60er- und 70er-Jahren ins Studio lockte. So säuselte Franz Beckenbauer für die Garantiesumme von 100.000 DM belanglose Schlager mit Titeln wie "1:0 für die Liebe" ins Mikro, während Hollands Jahrhundertspieler Johan Cruyff, nach missglückten Anlagegeschäften verschuldet, den heute grotesk wirkenden Stimmungshit "Oei Oei Oei" anstimmte.
    Dass es auch anders geht, bewies Brasiliens Fußballer Nummer eins Pelé. Der 92-fache Nationalspieler, selbst Komponist zahlreicher Lieder, glänzte 1969 mit dem Bossa-Nova-Titel "Meu Mundo E Uma Bola" - "Meine Welt ist ein Ball" - eine Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Ausnahmemusiker Sergio Mendes.
    Nur wenigen Fußballern gelangen richtige Hits. Zu den erfolgreichsten singenden Kickern zählt bis heute Kevin Keegan. 1979 stand der beliebte Stürmerstar vom damaligen deutschen Meister HSV mit "Head Over In Heels In Love" auf Platz zehn der deutschen Hitparade. Auch in seiner Heimat England kletterte der von Chris Norman und Pete Spencer von der Popgruppe Smokie geschriebene seichte Ohrwurm in die Top 40.
    Auch ganze Teams haben sich immer wieder am Singen versucht. So nahm die deutsche Nationalmannschaft von 1974 bis 1994 zu jeder WM biedere Schunkelschlager auf, die für reichlich Häme im Feuilleton sorgten, sich aber sehr gut verkauften. Da hatten sich in Großbritannien längst Allianzen mit der Rockwelt gebildet. So schrieb die englische Popgruppe 10CC an der beliebten Vereinshymne "Blue Is The Colour" vom FC Chelsea mit. Rod Stewart verhalf der schottischen Nationalmannschaft 1978 mit dem fröhlichen WM-Lied "Olé Ola" zu einem Hit.
    Eine bis dahin undenkbare Annäherung von Fußball und Pop-Elite führte 1990 zum wohl besten WM-Song überhaupt: "World in Motion", eingespielt von der New-Wave-Band New Order mit der englischen Nationalmannschaft. In jener Zeit setzte auch ein Gesinnungswandel bei den Fußballern ein: Nicht nur weil sie jetzt mehr als genug Geld verdienten, nahmen sie immer seltener Lieder auf: Sie hatten auch gelernt, dass eine Schallplatte ihrem Image in der Regel eher schadete.
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