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Situation in Griechenland
"Wir müssen natürlich humanitäre Hilfe leisten"

Die griechische Bevölkerung habe es nicht verdient, dass sie zur Geisel ihrer Regierung werde, sagte Hans Michelbach, Vorsitzender der CSU-Mittelstandsunion, im Deutschlandfunk. Deswegen seien alle EU-Staaten in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Menschen notwendige Arzneien bekämen sowie Rentenauszahlungen. Einen Schuldenschnitt betrachte er aber als keine gute Lösung für das Land.

Hans Michelbach im Gespräch mit Thielko Grieß | 06.07.2015
    Hans Michelbach, Verbandsvorsitzender und CSU-Bundestagsabgeordneter, spricht am 08.11.2014 während des Bayerischen Mittelstandstags der CSU-Mittelstands-Union in der Konzert- und Kongresshalle Bamberg (Bayern).
    Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach (picture alliance / dpa / David Ebener)
    Thielko Grieß: Jetzt wollen wir eine weitere Reaktion einholen, und zwar von Hans Michelbach von der CSU. Er sitzt im Deutschen Bundestag und ist Vorsitzender der Mittelstandsunion. Herr Michelbach, schönen guten Abend.
    Hans Michelbach: Guten Abend.
    Grieß: Haben Sie in Ihr Portemonnaie geschaut und sammeln Sie ab jetzt die griechischen Euromünzen, weil sie demnächst sehr viel wertvoller werden als Sammlerstücke?
    Michelbach: Nein, habe ich nicht geschaut. Ich habe auch keine mehr vom letzten Urlaub in Griechenland. Die sind mir ausgegangen. Ich hoffe, dass es vielleicht noch länger den Euro gibt, aber ich befürchte nach dieser Abstimmung, dass wir in Griechenland zu sehr schwierigen Lösungen kommen.
    Grieß: Das bedeutet Austritt oder Rausschmiss?
    Michelbach: Nein. Es ist zunächst einmal an der griechischen Regierung, deutlich zu machen, wie denn Staat und Banken wirklich stehen, gibt es einen Offenbarungseid? Ich gehe mal davon aus, dass all das, was man sich vorstellt, dass man morgen nach Brüssel geht und neue Verhandlungen beginnt, natürlich leere Versprechungen sind, denn es ist ja gar kein Programm mehr da. Es müsste ein neues drittes Programm erst auf den Weg gebracht werden. Da gibt es mit dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus sehr, sehr große Hürden. Da heißt es ja, Finanzhilfen unter dem ESM-Regime sind zunächst nur auszureichen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt unabdingbar erscheint. Das heißt, so einfach, dass man das wie im zweiten Hilfsprogramm jetzt auch auf den ESM überträgt und jetzt einfach so tut, als wenn man noch im Programm des zweiten Programms wäre, das ist nicht möglich. Unabdingbar müssen ja auch die Parlamente erst mal überhaupt zustimmen, ob es Verhandlungen geben sollte.
    "Es kann keinen Schuldenschnitt geben"
    Grieß: Sie schlagen vor, jetzt muss ganz neu verhandelt werden von einem Nullpunkt. Herr Michelbach, heute Abend ist in Athen mehrfach wiederum die Forderung erhoben worden, es solle und müsse nun doch und endlich einen Schuldenschnitt für Griechenland geben. Ist das für Sie denkbar?
    Michelbach: Es kann keinen Schuldenschnitt geben. Zunächst einmal muss man feststellen, dass Griechenland ja gar keine Schulden tilgt und auch keine Zinsen bezahlt und auf der anderen Seite man seinen Gläubigern einfach die rote Karte zeigt und nicht zahlt. Das heißt, ein darüber hinausgehender Schuldenschnitt würde ja gar nicht helfen, weil man ja gar nicht im Moment tilgt und Zinsen zahlt. Das Problem ist vielmehr, dass man in Griechenland wieder einen Primärüberschuss erzielt, um überhaupt zu Wachstum und zu Beschäftigung zu kommen. Das heißt, hier gibt es Notwendigkeiten, durch Reformen Lösungen zu erreichen, die den griechischen Staat und die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen.
    Grieß: Nun wird es allerdings in den nächsten Tagen nicht so einfach sein, einfach nur zu sagen, was alles nicht geht, denn entweder einigt man sich darauf, die Nothilfen für Griechenland weiterlaufen zu lassen, oder es gibt einen Schuldenschnitt, oder es gibt ein neues Programm, oder irgendetwas. Was ist denn für Sie denkbar?
    Michelbach: Wir müssen unterscheiden, dass die Menschen - und es haben ja auch viele mit Ja gestimmt - es natürlich nicht verdient haben, dass sie von einer griechischen Regierung mehr oder minder zur Geisel werden. Wir müssen natürlich humanitäre Hilfe leisten. Das ist durch die gesamte Europäische Union mit allen 28 Staaten zu unternehmen.
    Grieß: Was stellen Sie sich unter humanitärer Hilfe vor für ein europäisches Mitgliedsland?
    Michelbach: ... , dass man gerade natürlich den Menschen hilft und das muss dort auch ankommen, dass sie ihre Arzneien bekommen, dass sie ihre Renten bekommen. Aber das hat nichts zu tun mit den Werten der Währungsunion und den Stabilitätsfaktoren, die in einer gemeinsamen Eurogruppe, in einer gemeinsamen Währungsunion auf Dauer notwendig sind. Da geht es darum, dass nicht auf Dauer eine Transferunion entsteht und eine Haftungs- und Schuldenunion entsteht. Das sind völlig unterschiedliche Aspekte. Auf der einen Seite muss man dem griechischen Volk helfen, auf der anderen Seite braucht es eine stabile, langfristige, nachhaltige Entwicklung, was den Teil der Währung betrifft.
    Grieß: ... sagt Hans Michelbach, Bundestagsabgeordneter von der CSU und Vorsitzender der Mittelstandsunion. Herr Michelbach, herzlichen Dank für Ihre Stellungnahme heute am späten Abend, an diesem Denkwürdigen Abend.
    Michelbach: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.