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Slowakei
Jugendliche gehen gegen Korruption auf die Straße

In der Slowakei rollt eine Welle des Jugendprotestes gegen Korruption und Machtmissbrauch in der Politik. Schon im April kamen Tausende zu einer Demonstration, Anfang Juni wollen Schüler und Studenten wieder in Bratislava auf die Straße gehen. Sie sehen die Politik und die Gesellschaft ihres Landes in Gefahr.

Von Stefan Heinlein | 01.06.2017
    Demonstranten schwenken bei einem Protest gegen die Korruption in der Slowakei in Bratislava slowakische Flaggen. Organisiert hatten den Protestmarsch Schüler. Sie fordern den Rücktritt von Innenminister Robert Kalinak, Polizeipräsident Tibor Gaspar und Sonderstaatsanwalt Dusan Kovacik.
    Ein von Schülern organisierter Protestmarsch gegen Korruption in der Slowakei. (AFP PHOTO / Vladimir Simicek)
    Lautstark aber friedlich marschieren die Schüler Mitte April durch die Innenstadt von Bratislava. Am Platz des slowakischen Nationalaufstandes von 1944 beginnt am Nachmittag die Abschlusskundgebung. Per Facebook hat Karolina Farska ihre Mitschüler zu der Demonstration aufgerufen. Es ist eine der größten Protestveranstaltungen in der noch jungen Geschichte der slowakischen Demokratie:
    "Das Ausmaß der Korruption in der Slowakei ist so gewaltig, das wir nicht länger warten können. Wir müssen sofort handeln."
    Schande, Schande skandieren die rund 5.000 Schüler und Jugendlichen. Ihre Wut ist groß. Von den Parteien fühlen sie sich im Stich gelassen. Die demokratische Zukunft ihres Landes werde durch die allgegenwärtige Korruption in Politik und Gesellschaft bedroht, ist Mitorganisator David Straka überzeugt.
    "Es fehlt jegliche Moral in diesem Land. Die Politiker lachen uns ins Gesicht. Sie lügen und sie stehlen. Unserer Gesellschaft scheint das aber völlig egal zu sein. Wir wollen aber nicht nur klagen, sondern für eine bessere Zukunft kämpfen."
    Das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren
    Tatsächlich ist die postkommunistische Gesellschaft der Slowakei geprägt durch politische Apathie. Es fehlt an breitem demokratischem Engagement. Nur wenige sind bereit, ihre Zeit für Bürgerrechte oder Umweltschutz zu opfern. Auch Parteien und Gewerkschaften klagen über fehlenden Nachwuchs. Der laute Aufschrei der Jugend sei deshalb ein positives Signal, so die Politikwissenschaftlerin Aneta Vilagi:
    "Diese jungen Menschen zeigen: Wir wollen, dass unser Land besser regiert wird. Wir sind keine Extremisten, aber wir sind nicht einverstanden wie es derzeit in der aktuellen Politik läuft."
    Ohne nachhaltige Veränderungen in der Politik drohe eine Radikalisierung weiter Teile der Gesellschaft. Schon jetzt hätten viele Menschen das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren. Vor allem junge Menschen hätten sich deshalb der rechtsextremen Volkspartei von Marian Kotleba zugewandt. Sein Erfolg bei der letzten Parlamentswahl und seine rasant steigenden Umfragewerte seien das Ergebnis enttäuschter Hoffnungen:
    "Kotleba spricht die jungen Menschen an. Er ist der Rattenfänger ihres Protestes. Viele vertrauen seinen schlichten Parolen und seinen einfachen Lösungen. In den sozialen Netzwerken ist die Partei sehr aktiv und kann viele Wähler mobilisieren."
    Den Rechtsextremen nicht das Feld überlassen
    Doch David Straka will den Neofaschisten nicht das politische Feld überlassen. Der Kampf gegen Rechts und die herablassenden Kommentare vonseiten der Regierungskoalition sind für den 18-jährigen Gymnasiasten und seine Mitstreiter ein weiterer Ansporn den Protest fortzusetzen.
    "Ministerpräsident Fico will uns als dumme kleine Kinder darstellen, die von der Lügenpresse angestachelt werden. Das ist unglaublich arrogant. Wir sind jetzt eine Bewegung geworden, die wirklich Veränderungen für dieses Land will. Das bedeutet eine große Verantwortung."
    Seit Wochen laufen deshalb die Vorbereitungen für eine weitere Protestkundgebung in Bratislava. Anfang Juni werden die Schüler und Jugendlichen dort erneut auf die Straße gehen. Das Vorbild zeigt Wirkung. Auch in zahlreichen anderen Städten des Landes sind diesmal Kundgebungen geplant.