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Slowakei verschärft Waffenrecht

Die Slowakei hat ihr Waffenrecht verändert und reagiert damit auf einen Amoklauf im Sommer 2010. Damals hatte ein Sportschütze in einem Vorort von Bratislava sieben Menschen und anschließend sich selbst erschossen. Bei den Schützenvereinen regt sich Unmut.

Von Katrin Materna | 22.02.2012
    Der Schützenverein "Fox" am Rande von Devinska Nova Ves, einem kleinen Vorort von Bratislava: Vier junge, muskulöse Männer stehen breitbeinig nebeneinander am Schützenstand, die Pistolen am ausgestreckten Arm fest umklammert. Konzentriert fixieren sie die Zielscheiben aus Papier, feuern eine Kugel nach der anderen ab. Das Knallen der Schüsse zerreißt die stickige Luft, ohne Ohrenschützer darf niemand den engen Raum betreten.

    "Für mich ist das Schießen Sport und Entspannung. Ich arbeite daran, besser zu werden, es ist ein innerer Wettkampf, den ich mit mir selbst ausfechte","

    erzählt Petr, ein 22-jähriger Student, der den Großteil seiner Freizeit in dem Schützenclub verbringt.

    Auch der Amokläufer von Devinska Nova Ves hatte regelmäßig hier trainiert, bevor er im August 2010 sieben Menschen erschossen und schließlich die Waffe gegen sich selbst gerichtet hat.

    Dennoch haben seine ehemaligen Vereinskumpel kein Verständnis für die kollektiven Psychotests.

    ""Die Regelung trifft auch diejenigen, die schon seit Jahren Waffen besitzen und sich nie haben etwas zuschulden kommen lassen. Das ist diskriminierend","

    beklagt Vereinsmitglied Roman. Tatsächlich gelten die Tests nicht nur für Neulinge, sondern auch für erfahrene Schützen, sobald ihr Waffenschein abläuft – und der ist immer nur zehn Jahre lang gültig.

    Karol Kleinmann ist Vizevorsitzender der slowakischen Psychologenkammer. Den Unmut vieler Schützen kann er nachvollziehen. Tatsächlich seien etwa 90 Prozent der Menschen, die einen Waffenschein beantragen, psychisch durchaus befähigt dazu, mit einer Schusswaffe umzugehen. Doch bei den übrigen sei es ratsam, genauer hinzuschauen:

    ""Bei diesen klinisch-psychologischen Tests wird ein Persönlichkeitsprofil des Antragstellers erstellt, um bestimmte Störungen auszuschließen wie eine erhöhte Aggressivität, dissoziale Störungen, übermäßige Impulsivität. Massenmörder sind andererseits oft eher in sich gekehrte Personen, auch das wird untersucht. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Prävention, denn Menschen mit bestimmten psychischen Problemen werden herausgefiltert."

    In Gesprächen, einem standardisierten Fragebogen und mit Hilfe von Assoziationsketten werden die Eckpunkte abgeklopft. Auch Faktoren wie die Intelligenz, Risikobereitschaft, das soziale und familiäre Umfeld sowie die sensomotorischen Fähigkeiten des Untersuchten spielen eine Rolle bei der Entscheidung, ob jemand ein Waffe besitzen darf oder nicht. Ludovit Miklanek, Vorstandsvorsitzender der Vereinigung slowakischer Schusswaffenbesitzer, hält das neue Gesetz jedoch für reinen Aktionismus.

    "Anfang der 90er Jahre gab es bereits ein ähnliches Gesetz, das aber sehr bald abgeschafft wurde, weil keine positiven Effekte nachweisbar waren. Die Psychotests werden hier jetzt als Allheilmittel gegen den Missbrauch von Schusswaffen verkauft. Doch das Problem ist deutlich vielschichtiger. Das Gesetz ist doch lediglich ein Tribut für das Attentat. Mit Prävention hat das nichts zu tun."

    Die Straße in Devinska Nova Ves, in der der Amokläufer gewütet hat. An Häuserfassaden und dem Zeitungskiosk klaffen noch die Einschusslöcher. Hier zeigt die Verschärfung des Waffengesetzes durchaus Wirkung: zumindest auf das Sicherheitsgefühl der Bewohner.

    "Das Gesetz war notwendig. Ich fühle mich jetzt sicherer. Das, was hier passiert ist, ist erschütternd. Solche Menschen dürfen keine Waffen in die Hand bekommen." - "Ein Psychologe kann immerhin besser einschätzen, ob jemand eine tickende Zeitbombe ist als ein Laie."

    Für eine "Wunderwaffe" hält aber selbst Psychologe Karol Kleinmann die Tests nicht.

    "Es ist das Mindeste, das der Staat tun kann, um seine Bürger zu schützen. Leider ist das Attest aber leicht fälschbar. Es gibt auch keine zentrale Datei, in der die Ergebnisse erfasst würden. Wünschenswert wäre auch, dass in dem Moment, da der Psychologe einen negativen Bericht abgibt, andere Mechanismen greifen, die das Sicherheitsrisiko minimieren."

    Beispielsweise könnten besonders auffällige Befunde an Polizei und andere Behörden weiter geleitet werden, um den abgewiesenen Antragsteller im Auge zu behalten, so Kleinmann. Doch das sehe die gegenwärtige Regelung nicht vor.