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Slowakisches Bildungswesen
Lehrer im Abseits der Gesellschaft

Das Bildungswesen in der Slowakei ist chronisch unterfinanziert. Viele Schulen kündigen deshalb notgedrungen die Verträge ihrer Lehrer während der zweimonatigen Sommerferien. Eine Grundschullehrerin verdient rund 850 Euro brutto. Landesweit sind über 80 Prozent des Kollegiums Frauen. Viele arbeiten abends in einem Zweitberuf.

Von Stefan Heinlein | 25.03.2015
    Die Lehrerin Dr. Silvia Schischwani unterichtet in einer 8. Klasse.
    Beamter auf Lebenszeit, Zuschüsse für Kinder oder private Krankenversicherung sind Fremdworte in der Slowakei. (picture alliance / dpa / Ingo Wagner)
    "Seit über 30 Jahren arbeitet Anna Trstenská an einer Grundschule in Bratislava. Rund 850 Euro brutto bringt sie monatlich mit nach Hause. Das ist kaum mehr als der slowakische Durchschnittslohn. Zu wenig um über die Runden zu kommen. Von den Tarifforderungen ihrer deutschen Kollegen hat sie gehört. Summen von denen die 51-jährige nur träumen kann:
    "Ich darf gar nicht darüber nachdenken. Bei uns in der Gesellschaft sind Lehrer völlig im Abseits. Wenn man sagt man arbeitet als Lehrer fangen alle sofort an zu kichern."
    Nicht nur das Gehalt slowakischer Lehrer ist Lichtjahre von dem ihrer deutschen Kollegen entfernt. Auch die Arbeitsbedingungen sind deutlich schlechter. Beamter auf Lebenszeit, Zuschüsse für Kinder oder private Krankenversicherung sind Fremdworte in der Slowakei. Das Verständnis für den laufenden Tarifkonflikt in Deutschland hält sich deshalb in Grenzen, so Vladimir Crmoman vom slowakischen Lehrerverband:
    "Junge Lehrer verdienen bei uns so wenig wie Lehrlinge ohne Abitur. Es geht deshalb zunächst nur um die nackte Existenzsicherung. Unser Ziel ist, das Lehrer von ihrem Beruf leben können den sie 5 Jahre lang studiert haben."
    Es geht um nackte Existenzsicherung
    Doch aktuell ist das Bildungswesen in der Slowakei chronisch unterfinanziert. Viele Schulen kündigen deshalb bisher notgedrungen die Verträge ihrer Lehrer während der zweimonatigen Sommerferien. Landesweit sind über 80 Prozent des Kollegiums Frauen. Viele arbeiten am Abend in einem Zweitberuf, so Schuldirektorin Emilia Posvancova:
    "Sie gehen putzen um ein bisschen Geld zusätzlich zu verdienen. Sonst kommt man mit einer Familie kaum über die Runden. Sie sind einfach dazu gezwungen um zu überleben."
    Eine prekäre Situation die auch dem slowakischen Bildungsministerium seit langem bekannt ist. Nach einem wochenlangen Streik einigte man sich 2012 mit den Gewerkschaften auf eine fünfprozentige Lohnerhöhung. Auch in diesem Jahr soll es weiter nach oben gehen. Deutsche Verhältnisse seien dennoch unerreichbar, so Ministeriumssprecherin Beata Dupalova:
    "Uns ist natürlich bewusst. Die Löhne sind nicht sonderlich motivierend. Wir wollen das langfristig verändern. Die Finanzierung des Schulwesens ist aber selbstverständlich weiter abhängig von den Möglichkeiten unseres Staatshaushaltes."
    Nachwuchsmangel droht
    Angesichts dieser vagen Versprechungen auf eine bessere Zukunft entscheiden sich immer weniger Abiturienten für den Lehrerberuf. Schon jetzt sind die meisten Lehrerzimmer überaltert. In den kommenden Jahren droht ein akuter Nachwuchsmangel. Selbst wer zunächst an einer pädagogischen Hochschule studiert, sucht möglichst rasch den Absprung in besser bezahlte Branchen. Die 17-jährige Nikol hat ihre Entscheidung bereits getroffen:
    "Ja ich habe kurz darüber nachgedacht Lehrerin zu werden - aber auch meine Eltern haben mir dringend davon abgeraten. Sie haben schon Recht. Die Arbeit als Lehrer mit den Kindern ist zwar super aber man muss ja schließlich von seinem Beruf leben können."