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Slowenien bremst Beitrittsverhandlungen mit Kroatien

Ein 18 Jahre alter Grenzstreit schwelt in einer Bucht, die Kroatien und Slowenien gleichermaßen beanspruchen. Slowenien ist schon drin im Club der Europäer und hat dort Nein gesagt zum baldigen Beitritt Kroatiens. Für den Rest der Europäer eine ärgerliche Geschichte, weil sie Schule machen könnte.

Von Doris Simon | 13.02.2009
    Wellen klatschen an die Kaimauer in Piran. Das alte Hafenstädtchen mit den bunten Häusern und der Kathedrale mit ihrem venezianisch anmutenden Glockenturm ragt malerisch auf einer Landzunge in die Adria hinein. Doch die Idylle täuscht: Die Bucht von Piran ist Schauplatz einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen Kroatien und Slowenien, die inzwischen auch die Europäische Union beschäftigt. Slowenien beansprucht vier Fünftel der Bucht von Piran und will die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Kroatien solange aufhalten, bis die Kroaten nachgeben: Die wiederum betrachten die Hälfte der Bucht von Piran als ihr Staatsgebiet.

    Seit dem Zerfall Jugoslawiens dauert der Streit schon. Einmal gab es einen Lichtblick, als der frühere slowenische Ministerpräsident Jansa zustimmte, ein internationales Seegericht anzurufen, das den Grenzkonflikt entscheiden sollte. Doch inzwischen steht Kroatien mit diesem Vorschlag allein da. Die neue slowenische Regierung will kein internationales Urteil akzeptieren und weiß dabei Opposition und Öffentlichkeit hinter sich. Die CDU-Europaabgeordnete und Balkanexpertin Doris Pack:
    "Ich nehme an, sie befürchten, dass sie nicht Recht bekommen. Und sie hoffen, auf dem Umweg über die Verhandlungen mit der EU-Beitrittskarte, die Kroaten zwingen zu können. Das ist ihre letzte Chance, glaube ich, dass sie das auf diese Art und Weise bekommen. Das ist die Situation, und ich finde sie sehr ungesund für das ganze europäische Klima."

    Im Dezember hatte die EU in den Beitrittsverhandlungen mit Kroatien einige Themenbereiche erfolgreich ausgehandelt. 26 Mitgliedsländer bestätigten den offiziellen Abschluss und die Eröffnung der neuen Kapitel, doch Slowenien sagte Nein. Kroatien hatte gehofft, bis zum Jahresende die EU-Beitrittsverhandlungen abschließen zu können - daraus wird nun nichts, trotz aller kroatischen Reformanstrengungen.

    Doch auch für Slowenien geht es um viel: Die Bucht von Piran ist der einzige Zugang zu internationalen Gewässern. Das ist wirtschaftlich und strategisch entscheidend für das kleine Land. Und eine mindestens genauso große Rolle spielt das Meer für das Selbstwertgefühl der Slowenen. Auf die Verbindung von Alpen und Adria sind die Menschen in Slowenien stolz.

    Der Konflikt hat sich in den letzten Monaten dramatisch hochgeschaukelt, immer dabei: verletzte Eitelkeiten. So beschwert sich der eine Ministerpräsident bei europäischen Gesprächspartnern, der andere reagiere nicht auf seine diplomatische Note, darauf angesprochen regt sich der andere auf, seine Telefonanrufe würden von der Gegenseite nicht angenommen. Der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda lotet derzeit aus, wie sich die slowenische und die kroatische Position verbinden lassen.

    "Dass man sowohl das internationale Recht beachtet und als Basis betrachtet und Slowenien mehr entgegen kommt, als auf der Basis des internationalen Rechts."

    Also: den Slowenen Zugang zu internationalen Gewässern zu erlauben. In diese Richtung geht auch der Ansatz der EU-Kommission. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hatte Slowenien und Kroatien zuletzt den Einsatz einer Expertengruppe unter Vorsitz des erfahrenen Vermittlers Martti Ahtisaari
    vorgeschlagen. Denn auch in Brüssel hat man bei allem Ärger über die Art, wie der Streit ausgefochten wird, größtes Interesse daran, dass am Ende keines der beiden Länder als Verlierer da steht.

    Das tiefe Misstrauen gegenüber den Nachbarn findet sich in allen Ländern des früheren Jugoslawiens, und es ist auch nicht dadurch weniger geworden, dass diese Länder inzwischen alle dasselbe Ziel haben: den Beitritt zur Europäischen Union. Hido Biscevic ist der Generalsekretär des Regionalen Kooperationsrates. Als Nachfolgerin des Stabilitätspakt für Südosteuropa engagiert sich die Organisation für eine bessere Zusammenarbeit der Länder in der Region.

    "In der nachjugoslawischen Ära gibt es in den Nachfolgestaaten so viele legale Möglichkeiten, das Erbe der Enttäuschung für Auseinandersetzungen zu nutzen: Grenzstreitigkeiten, rechtliche Konflikte, Eigentumsfragen, einfach alles. Wenn andere Länder diese Blockadepolitik wiederholen, könnten sich alle gegenseitig behindern zu einem Zeitpunkt, wo jedes einzelne dieser Länder der EU beitreten will. Dieser Widerspruch muss überwunden werden."

    Slowenien ist nicht das erste Land, das bilaterale Fragen auf dem Rücken der EU zu regeln versucht. Zypern blockiert Kapitel bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, und wenn Mazedonien eines Tages reif ist für Beitrittsgespräche, dann dürfte Griechenland Verhandlungen so lange lahm legen, bis das kleine Nachbarland seinen Namen griechischen Wünschen entsprechend geändert hat.

    Das Europaparlament arbeitet derzeit an Vorschlägen, wie die EU solchen Blockadeversuchen begegnen kann. Der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda:

    "Da müssen wir eine klare Richtlinie finden, insbesondere bei neuen Mitgliedern, dass sie nicht berechtigt sind, ihre Nachbarn aufgrund bilateraler Probleme zu behindern."