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SmallGEO
Deutscher Satellit im All

Von Europas Weltraumbahnhof in Französisch-Guyana ist am Wochenende ein deutscher Satellit ins All gestartet: SmallGEO. Gebaut von einem Bremer Unternehmen, zu großen Teilen finanziert von der Weltraumorganisation ESA. Sie will Europas Industrie im Bereich der satellitengestützten Telekommunikation international wettbewerbsfähig machen.

Von Dirk Lorenzen | 30.01.2017
    Ein Modell der Satellitenplattform SmallGEO steht am 23.01.2017 in Bremen im Foyer des OHB.
    Ein Modell der Satellitenplattform SmallGEO. (dpa / picture-alliance / Carmen Jaspersen)
    Kourou, Europas Raketenstartgelände in Französisch Guyana, Freitag Abend 22.03 h Ortszeit. Die einsame Gegend im Norden Südamerikas liegt in pechschwarzer Nacht – nur die Startrampe mit der Soyuz-Rakete ist vom Flutlicht grell erleuchtet.
    "Dix, neuf, huit, sept, six, cinq, qautre, trois, deux, top - decollage"
    Die Triebwerke zünden und laut dröhnend stemmt sich die Soyuz in den Himmel – der strahlende Feuerschein erleuchtet den Urwald in der Umgebung taghell. Dann zieht die Rakete in einem hohen Bogen über das Kontrollzentrum und verschwindet nach einigen Minuten im Weltraum. An Bord der Rakete befand sich SmallGEO, ein ganz neuer Satellitentyp, erklärt Andreas Lindenthal, Chief Operating Officer beim Raumfahrtunternehmen OHB in Bremen:
    "SmallGEO ist eine geostationäre Satellitenplattform für unterschiedliche Anwendungen. Das können Telekommunikationsnutzlasten sein, also Antennen, Verstärker etc., was man braucht für Datenübertragung. Das können optische Instrumente sein, wie man sie in der Meteorologie braucht. Dafür liefern wir eine Plattform, die ermöglicht die Integration dieser unterschiedlichen Instrumente und die hochpräzise Ausrichtung dieser Satellitenplattform inklusive der Nutzlast, um für die nächsten 15 Jahre Betrieb aus dem Orbit zu garantieren."
    Satellitenplattform für verschiedene Missionen
    Bisher waren Satelliten zumeist Einzelstücke, höchst aufwendig für den speziellen Einsatz konstruiert. Jetzt gibt es mit SmallGEO ein Standardgerüst, das sich ganz flexibel an verschiedene Missionen anpassen lässt. Seine Entwicklung hat rund 400 Millionen Euro gekostet, drei Viertel davon hat die Europäische Weltraumorganisation ESA finanziert, erklärt Generaldirektor Jan Wörner:
    "Wir wollen ja ganz neue Technologien entwickeln. Das kann die Industrie prinzipiell allein, aber die Investitionen, die da zu machen sind, sind doch sehr hoch. Ich glaube, es ist durchaus angemessen, dass bei der Entwicklung von neuen Produkten der Staat in diesem speziellen Bereich, nämlich dem Bereich der Raumfahrt, auch unterstützt."
    Die ESA unterhält das milliardenschwere ARTES-Programm, um Europas Industrie im Bereich der satellitengestützten Telekommunikation international wettbewerbsfähig zu machen – andernfalls droht die Abhängigkeit vor allem von US-amerikanischen Unternehmen. Der erste SmallGEO-Satellit soll für die spanische Firma Hispasat Multimediadienste in Europa und Südamerika anbieten. Seine Entwicklung hat gut zehn Jahre gedauert. So ist man bei der Steuerung des Satelliten ganz neue Wege gegangen, erläutert Andreas Lindenthal:
    "Wir fliegen jetzt bei dem Hispasat-Satelliten eine Hybrid-Konfiguration, das heißt elektrisch und chemische Antriebe. Das ist genauso wie beim Auto, da nennt man das ja auch so, gemischte Antriebe. In dem Fall bedeutet das: Da, wo man hohen Schub braucht, nämlich die Orbit-Erreichung, das Orbit-Halten, sind es chemische Antriebe, Hydrazin-Antrieb in unserem Fall. Da, wo es um kleinste Bewegungen geht, kleinere Lagekorrekturen, setzen wir elektrische Triebwerke ein. Die haben geringeren Schub, aber eine sehr hohe Effizienz."
    ESA will sich häufiger an Satelliten-Entwicklungen beteiligen
    Die elektrischen Antriebe stoßen Ionen des Edelgases Xenon aus. Dafür wird viel weniger Treibstoff benötigt als bei klassischen chemischen Motoren. Die SmallGEO-Plattform wird je nach gewünschter Mission mit rein chemischen, rein elektrischem oder einem gemischten Antrieb zum Einsatz kommen. Die ESA wird sich im Auftrag ihrer Mitgliedsstaaten künftig noch häufiger an der Entwicklung neuer Satelliten beteiligen, betont Jan Wörner:
    "Wir haben ja auf der letzten Ministerratskonferenz auch schon einen ersten Schritt in Richtung Erdbeobachtung gemacht, in dem wir dort auch ganz klar die Erdbeobachtung für Public Private Partnership geöffnet haben. Für mich ist das ein Teil dessen, was man in Amerika New Space nennt, was ich gerne Space 4.0 nenne, bei dem wir also die Kommerzialisierung der Raumfahrt unterstützen, um dann aber auch die Industrie allein laufen zu lassen. Wir wollen also nicht bei allen Raumfahrtprojekten der Zukunft mit öffentlichen Mitteln dabei sein."
    SmallGEO hat gute Zukunftschancen
    Der erste SmallGEO-Satellit wird in den kommenden Tagen seine endgültige Position in der geostationären Umlaufbahn in 36.000 Kilometern Höhe einnehmen. Nach etwa dreimonatigen Tests muss er sich dann im Alltagsbetrieb bewähren. Doch schon jetzt sieht es so aus, als habe die ESA in diesem Fall mit ihrer Technologieförderung richtig gelegen – das war in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer der Fall. SmallGEO aber wird keine Eintagsfliege, freut sich Andreas Lindenthal vom Satellitenbauer OHB in Bremen.
    "Bereits neun Programme basieren auf dieser Plattform. Das heißt, das Vertrauen der Kunden, dass wir die Entwicklung im Griff haben, dass das eine leistungsfähige Plattform ist für unterschiedliche Anwendungen, das hat bereits aufgebaut werden können. Und die Kunden haben uns beauftragt, im meteorologischen Bereich und im Telekombereich diese Plattform einzusetzen. Ein weiterer Auftrag folgt und dann wird das die zehnte Plattform sein, die wir in diesem Jahr unter Vertrag bekommen. Das heißt: Die Zukunft von SmallGEO hat schon begonnen."