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Smart-TV
Nachträgliche Änderungen und Abschaltungen möglich

Normales Fernsehen reicht vielen Menschen nicht. Sie wollen Streaming-Dienste abonnieren und Sendungen dann sehen, wann sie wollen: Smart-TV macht's möglich. Besitzern mancher Blue-ray- und Mediaplayer sowie Heimkino-Systeme von Philips haben aber jetzt eine böse Überraschung erlebt. Die eingebaute Smart-Funktionen wurde nachträglich wieder abgeschaltet.

Von Philip Banse | 18.02.2016
    Stephan Müller aus Berlin hat sich vor 3 Jahren einen Blu-ray-Player von Philips gekauft. Müller hat sich für das Gerät BDP-5200 entschieden, weil Philips damit warb, dass dieses Gerät eine Smart-TV-Funktion hat, Stephan Müller also mit dem Player auch Youtube-Videos aufrufen oder die Mediatheken von Fernsehsendern nutzen kann. Vor rund drei Wochen blieb der Bildschirm plötzlich schwarz. "Auf meinem Bildschirm erscheint gar nichts – außer diese Fehlermeldung immer wieder."
    Mittlerweile ist klar: Philips hat die Sparte für Blu-ray- und Media-Playern sowie Heimkinosysteme an die Firma Gibson Innovations verkauft. Und Gibson hat Ende Januar auf diesen Geräten ein Software-Update eingespielt – nach Angaben einer Sprecherin, um "die Performance der Blu-ray-Wiedergabe zu verbessern und die Kompatibilität mit neuen Blu-ray Discs sicherzustellen". Das Update hat jedoch dazu geführt, dass die Smart-TV-Funktion auf Geräten aus den Jahren 2010 bis 2014 abgeschaltet wurde, etwa bei Stephan Müller aus Berlin: "Ich fühle mich da relativ veräppelt, weil man diese Dinge ja mit verkauft bekommen hat, und dann finde ich das ein bisschen merkwürdig, dass man da jetzt nicht mehr drauf zugreifen kann."
    Deutlicher wird Thorsten Best aus Mettenheim, der sich gleich drei Blu-ray-Player von Philips gekauft hatte, bei denen Gibson die SmartTV-Funktion jetzt komplett abgeschaltet hat: "Ich kaufe mir ein Gerät aus diesem Grund wegen der Net-Funktion, weil ich meine Fernseher da aufrüsten wollte und dann fällt diese Funktion weg. Das ist so, als würde ich mir ein Mofa kaufen und kriege zwei Jahre später den Motor ausgebaut und dann heißt es, jetzt ist es noch ein Fahrrad. Ich finde sowas extrem beschissen."
    Diese Blu-ray-Player stehen für ein größeres Problem: Digitale Bilderrahmen, E-Book-Reader, Kühlschränke, Fernseher, Körper-Waagen – immer mehr Geräte schöpfen einen Großteil ihres Werts aus digitalen Zusatzdiensten, ohne die diese Geräte teilweise wertlos sind. Diese Zusatzdienste dürften die Hersteller nicht einfach so abstellen, sagt der Berliner Fachanwalt für IT-Recht Niko Härting mit Blick auf die Blu-ray-Player von Philips: "Das ist ein bisschen so vergleichbar damit, dass man ein Auto kauft und nach drei Jahren muss man feststellen, dass der Hersteller des Autos die Scheibenwischer, die Reifen und sonst noch was abgeschraubt hat. Dazu gibt es keine Befugnis und das ist dann rechtlich als ein Delikt zu betrachten und da gibt es dann Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller."
    Betroffene Kunden sollten sich an den Hersteller wenden, eine Frist setzen, um die Smart-TV-Funktion wiederherzustellen und gleichzeitig drohen, ansonsten ein neues Gerät zu kaufen und dem Hersteller dieses in Rechnung zu stellen.
    Viele Hersteller jedoch behalten sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für digitale Zusatzdienste vor, diese Dienste jeder Zeit einstellen zu dürfen. Auch Philips behält sich in den AGB für Zusatzdienste dieses Recht vor. Diese Klausel könnte unwirksam sein, sagt der Kölner Anwalt für IT-Recht Christian Solmecke: "Wenn in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Dienst relativ beliebig angeboten wird mit dem Recht auf jederzeitige Einstellung des Dienstes, dann sind meiner Meinung nach solche AGB unwirksam. Denn mit diesen Zusatzdiensten werden Kaufanreize gesetzt, die den Kunden überhaupt erst zum Kauf animieren und insofern kann man es nicht in das Belieben des Herstellers oder des Verkäufers stellen, wie lange diese Dienste angeboten werden. Sondern man muss sie zumindest während der Gewährleistungszeit zur Verfügung stellen."
    Nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistung jedoch, so Jurist Solmecke, könnten Kunden wohl nicht mehr darauf pochen, dass digitale Zusatzdienste weitergeführt werden. Denn, so argumentieren andere Juristen, Kunden könnten von Herstellern nicht erwarten, dass digitale Zusatzdienste quasi unbegrenzt und für ewig aufrecht erhalten werden. Mag sein, sagt IT-Anwalt Härting, Unternehmen könnten vielleicht nicht gezwungen werden, digitale Zusatzdienste auf ewig aktuell und funktionsfähig zu halten: "Wenn Software veraltet ist und deswegen nicht funktioniert, hat man als Kunde keinen Anspruch darauf, dass das auf ewig funktionstauglich bleibt." Eines sei aber ganz klar: "Abschalten darf man auf gar keinen Fall."
    Eine Gibson-Sprecherin bitte Kunden, die jetzt ohne Smart-TV dastehen, sich an den Gibson-Kundenservice auf der Philips-Webseite zu wenden. Stephan Müller aus Berlin hat das vor Wochen getan und wartet bis heute auf eine Antwort. Thorsten Best möchte mit der Marke Philips lieber nichts mehr zu tun haben: "Dann muss ich mir jetzt einen neuen Fernseher kaufen, das wollte ich eigentlich umgehen, aber nicht mehr von der Marke Philips. Vielleicht habe ich Glück bei einem anderen Hersteller."