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Smarte Stromzähler
Forscher ertappen Smartmeter beim Falschzählen

Smartmeter sind digitale Stromzähler, die eigentlich beim Stromsparen helfen sollen. Nun haben niederländische Forscher festgestellt, dass sich die smarten Zähler massiv verzählen können, vor allem beim Betrieb sogenannter Leistungselektronik.

Von Jan Rähm | 11.03.2017
    ushalt zeigt den Stromverbrauch sekündlich an und liefert diese Information an einen Kleincomputer.
    Der intelligente Stromzähler für den Privathaushalt zeigt den Stromverbrauch sekündlich an und liefert diese Information an einen Kleincomputer. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    Stromzähler machten Jahrzehnte lang nur eins: Sie zählten stoisch, wie viel Energie verbraucht wurde. Doch dann wurden die Zähler smart. Nur: Mit dem Einzug der Elektronik haben sich auch Fehlerquellen eingeschlichen. Infolge dessen meistern manche Smartmeter ihre Grunddisziplin nicht mehr richtig. Sie zählen falsch. Das hat eine Gruppe von Forschern um Frank Leferink an der Universität Twente in den Niederlanden herausgefunden. Sie hatten immer wieder von Stromzählern gehört, die sich verzählen. Also holten sie sich ein paar ins Labor und untersuchten sie.
    Leistungselektronik erzeugt hohe Verbrauchsspitzen
    "Wir haben eine ganze Mange Stromzähler gekauft und im Labor installiert. Ein Student sollte experimentieren und schauen, ob die Zähler tun, was sie sollen. Er spielte dann mit LED-Lichtern, Netzteilen und anderen Geräten. Schon in der ersten Woche hatten wir erste erschreckende Ergebnisse. Die gemessenen Verbräuche lagen über 250 Prozent über den realen."
    Aus dem Spielen wurde eine systematische Untersuchung. Das Ergebnis: Fünf von neun untersuchten digitalen Stromzählern lieferten Verbrauchs-Werte, die bis zu 582 Prozent über den tatsächlichen lagen. Zwei Exemplare registrierten bis zu 30 Prozent geringe Werte. Die Abweichungen traten dann auf, wenn hinter dem Zähler sogenannte Leistungselektronik betrieben wurde, die hohe Verbrauchsspitzen in hoher Frequenz erzeugt.
    Rogowski-Spulen könnten schuld sein
    "Die Stromzähler wurden in der Annahme konzipiert, dass der Stromverbrauch sehr gleichmäßig sei. Die verwendeten Spannungssensoren, reagieren allerdings ganz anders, wenn man sehr schnell schaltende Abnehmer hat wie Dimmer, LED-Steuerungen und andere Leistungselektronik wie in Schaltnetzteilen für Computer und Handys. Damit reagieren die Sensoren ganz anders als erwartet."
    Im Fall der Zähler mit stark überhöhten Werten scheinen Rogowski-Spulen samt anschließender Analog-Digital-Wandlung schuld zu sein. Sie reagieren nicht schnell genug, erklärt Frank Leferink.
    "Im Strommesser befindet sich ein Signalprozessor. Und dieser Signalprozessor rechnet einfach nicht schnell genug. Das hätte mit besseren Algorithmen oder mit einfachen Filtern vermieden werden können."
    Diese Annahme stützt auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig, kurz PTB. Ein Problem sei nämlich, dass bei der Analog-Digital-Wandlung sogenannte Aliasing-Effekte auftreten. Dabei verfälschen hohe Frequenzanteile im abzutastenden Signal das Ergebnis. Martin Kahmann, Fachbereichsleiter Elektrische Energiemesstechnik an der PTB erklärt:
    "Um diese sogenannte Aliasing-Effekt zu verringern, verwendet man sogenannte Anti-Aliasing-Filter. Wenn dieser Anti-Aliasing-Filter, die also die zu hohen Frequenzen rausfiltern sollen, damit das Abtasten richtig funktioniert, wenn die falsch ausgelegt sind oder ganz fehlen, dann kann es eben zu diesen wirklich ja sehr großen Messabweichungen kommen."
    Kein neues Problem
    Martin Kahmann weißt aber darauf hin, dass das Problem auch bei digitalen Stromzählern weder neu noch unbekannt sei. Er verweist auf ähnliche Erkenntnisse aus früheren Untersuchungen.
    "So um das Jahr 2008, 2009, 2010 sind auch in Deutschland unvernünftig hohe Anzeigen an Elektrizitätszählern beobachtet worden. Woraufhin man sich diesen Fragestellungen dann relativ intensiv gewidmet hat."
    Und eigentlich auch Lösungen in Normen festgeschrieben hat. Warum jetzt in den Niederlanden trotzdem Smart Meter mit derart falschen Werten nachgewiesen wurden, ist Martin Kahmann unklar.
    "Da muss man jetzt mal dann genauer analysieren, was die Kollegen an der Universität Twente gemacht haben. Ob das Signale sind, die wirklich mit ausreichend großer Wahrscheinlichkeit und ausreichend großer Häufigkeit täglich so auftreten, nicht nur im Augenblick der Messung sondern über einen ganzen Abrechnungszeitraum also über 365 Tage eine erhebliche Verfälschung des Abrechnungsergebnisses entsteht."
    Rogowski-Spulen nicht per se verdächtig
    Auch Frank Leferink sieht weiteren Forschungsbedarf. Denn es gebe auch Zähler, die korrekt messen und zählen würden. Die Rogowski-Spulen in den Smartmetern seien nicht per se verdächtig.
    "Wir haben auch Zähler mit Rogowski Spulen untersucht, die tadellos gearbeitet haben. Was den Unterschied macht, müssen wir noch intensiver untersuchen."