Mittwoch, 17. April 2024

Archiv

Smartphone-Technik
Lernen für mehr Leistung

So wie Handys heute konzipiert sind, verbrauchen sie einfach zu viel Strom, der Akku ist viel zu schnell erschöpft. Viel Energie ließe sich sparen, wenn die Handys besser auf ihren Nutzer abgestimmt wären, wenn sie wüssten, welche Dienste er am meisten nutzt. Lange wird das nicht mehr dauern, entsprechende Lerntechniken werden schon entwickelt.

Von Peter Welchering | 04.07.2015
    Immer mehr Menschen schauen sich Videos über Smartphones oder auch Tablets an.
    Damit Handys noch länger durchhalten, müssen sie ihren Nutzer besser kennenlernen. (imago/Thomas Eisenhuth)
    "Wenn Sie Smartphones haben wollen, die alle möglichen Funktionen bieten, dann müssen Sie Endgeräte mit langer Betriebszeit bauen. Dafür brauchen Sie nicht nur einen großen Akku, sondern auch eine effiziente Maschine und eine effiziente Energieverwaltung."
    Das war Rodrigo Del Prado vom spanischen Tablet- und Smartphone-Hersteller BQ. An der Batterie für die Smartphones ließe sich im Augenblick nur noch wenig verbessern. Eine Ladung hält in der Regel nur für einen Tag, weshalb ein Smartphone regelmäßig einmal am Tag an die Steckdose muss. Die Anwender, die finden das ätzend. Und die Smartphone-Hersteller wissen, dass sie hier nachbessern müssen. Welche Akkulaufzeiten von Smartphones dürfen wir denn in den nächsten ein bis zwei Jahren erwarten, Peter Welchering?
    "Es gibt so eine Art brancheninterne Vorgabe. Und die lautet auf drei Tage. Damit das allerdings machbar ist, muss vor allen Dingen bei den Prozessoren viel passieren. Die verbrauchen einfach noch viel zu viel Strom. Die Betriebssystemhersteller habe ja schon reagiert und lassen die Smartphones nicht mehr so oft wie in der Vergangenheit nach Hause telefonieren, nicht mehr so viele ungenutzte Prozesse einfach weiterlaufen. Aber das reicht eben nicht. Und deshalb müssen die Prozesse für die einzelnen Applikationen besser mit der Hardware abgestimmt sein. Eigentlich braucht jeder Smartphone-Anwender ein auf ihn zugeschnittenes Handy, das heißt, Prozessoren für Smartphones werden zu einer hochgradig individuellen Angelegenheit, vor allen Dingen im hochpreisigen Marktsegment. Das ist eine ganz neue Situation für die Prozessorhersteller. Aber sie reagieren recht schnell darauf. Und der erste Schritt dieser Reaktion heißt: Sie müssen viel stärker als in der Vergangenheit Prozessoreigenschaften gemeinsam mit den Smartphone-Herstellern definieren und danach produzieren."
    Und weil der Marktdruck hier wächst, sehen auch europäische Smartphone-Hersteller wieder eine Perspektive für solche optimierten Produkte – allerdings nur in der oberen Preisklasse. Welche Verbesserungen und Entwicklungen sie da gemeinsam mit den Prozessorherstellern gerade im Labor ausprobieren, haben wir einmal knapp in einem Überblick zusammengefasst.
    Smartphones sind inzwischen Hochleistungscomputer, mit denen man – wenn es denn sein muss - auch telefonieren kann. Die Anforderungen zahlreicher Apps zum Beispiel an die Grafikeigenschaften des Taschencomputers sind aber enorm gestiegen. Mit hochwertigen Kameras wollen die Smartphone-Besitzer zum Beispiel kurze Videos drehen und sie anschließend auch gleich mit dem Smartphone bearbeiten. Und dann werden die Videos auch noch sofort per Facebook, Twitter oder Youtube veröffentlicht. Das erfordert hohe Rechenleistungen! Die Smartphone-Hersteller setzen deshalb auf den selben Technologieansatz wie die Entwickler von Supercomputern: Sie arbeiten mit mehreren Prozessor-Kernen. Eloy Fustero vom Prozessorhersteller Qualcomm erläutert den Hintergrund: "In den letzten Jahren sprechen wir über Mehrkernsysteme. Erst Einkernsysteme, dann zwei Kerne, vier Kerne bis zu acht. Das geht immer weiter rauf und das ist auch gut so. Denn es erlaubt uns, genau die Prozessorleistung zur Verfügung zu stellen, die die Anwendung auch benötigt. Bei einer Anwendung mit hoher Prozessorleistung schalten wir viele Kerne zu, bei einer Anwendung mit weniger Leistung sind es nur wenige Kerne. So können wir den Stromverbrauch und die Batterielaufzeit optimieren."
    Der Stromverbrauch ist also entscheidend. Allerdings reicht die Mehrkerntechnik allein nicht aus, um den Energieverbrauch in den Griff zu bekommen. Richtig stromsparend wird das Smartphone erst, wenn allein die Prozesse mit entsprechender Rechnerleistung versorgt werden, die aktuell benötigt werden. Und das auch noch vom richtigen Prozessorkern. Das Smartphones muss also prognostizieren können, welche Anwendungen sein Besitzer demnächst aufrufen wird, um Speicher und vor allen Dingen Prozessorleistung "just in time" bereitzustellen. Da Smartphone-Benutzer Gewohnheitstiere sind, ist das durchaus machbar. In den Labors arbeiten die Prozessorhersteller bereits an Lösungen dafür. Eloy Fustero: "Wir entwickeln jetzt für unsere neue Familie von Top-Geräten eine Anwendung, mit der wir kognitive Technologien integrieren. Das sind Technologien für das automatische Lernen. Wir helfen dem Chip zu lernen, was der Anwender gerade macht. Er erkennt dann Bilder, Videos oder typisches Nutzerverhalten. Und auch das wird den Stromverbrauch optimieren."
    Die integrierte Lernsoftware muss dafür jede Aktivität des Smartphone-Besitzers registrieren. Weiß sie genug über die individuellen Gewohnheiten, dann werden Muster gebildet und Wahrscheinlichkeitsbeziehungen berechnet. Auf dieser Grundlage kann die Vorhersage-Software dann ziemlich präzise bestimmen, wann welche Prozessorleistung benötigt wird. Ein Teil der geforderten Ressourcen kommt dann von Spezialprozessoren, zum Beispiel vom Grafikchip oder einem Audioprozessor. Eloy Fustero: "Damit der Handy-Nutzer Bilder in hoher Qualität genießen kann, müssen wir die Graphik in die Hardware, in Silizium integrieren. Deshalb haben wir die gängigen Graphik-Standards hardwaremäßig implementiert. Ein Anwendungs-Entwickler, auch ein Spieleentwickler, muss seine Anwendung also nicht mehr im Hauptprozessor laufen lassen. Die Entwickler lassen das direkt im Graphik-Prozessor laufen und bekommen so eine viel schnellere und bessere Grafik."
    Auch die Datenfunkverbindungen werden von speziellen Einheiten im Chipset gesteuert und nur noch "just in time" zur Verfügung gestellt. So laufen also nicht mehrere parallele Prozesse für LTE, UMTS, WiFi oder Bluetooth. Sondern für die jeweils prognostizierte und benötigte Datenverbindung wird nur ein Prozess in Gang gesetzt. Auch das spart enorm Strom.