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Smogluft in Peking
Umschlagplatz für resistente Bakterien

Resistente Krankheitserreger werden immer mehr zu einer Gefahr. Jetzt haben Forscher Resistenzgene in Luftproben aus Peking gefunden und vermuten Klärwerke als Hort. Nun soll auch in europäischen Ländern die Umgebung von Klärwerken untersucht werden.

Von Christine Westerhaus | 11.01.2017
    Starker Verkehr in Peking, die Stadt liegt unter dichtem Smog
    Klärwerke als Hort, an dem sich möglicherweise harmlose Keime und Krankheitserreger treffen und genetische Informationenen austauschen. (picture alliance / dpa / Stephan Scheuer )
    Genetische Informationen untereinander auszutauschen, ist für Bakterien eine der leichtesten Übungen. Über Plasmide, kleine ringförmige DNA-Moleküle, geben sie die Erbanlagen an benachbarte Keime weiter. In den Plasmiden können auch die genetischen Bauanleitungen für eine Unempfindlichkeit gegen Antibiotika enthalten sein. Treffen harmlose Bakterien und Krankheitserreger aufeinander, können diese Resistenzgene ausgetauscht werden. Deshalb ist es wichtig, zu verstehen, wo Bakterien unempfindlich gegen Medikamente werden, und, bei welcher Gelegenheit sie diese Information an andere Keime weitergeben, erklärt Joakim Larsson von der Sahlgrenska Akademie der Universität Göteborg.
    "Wir möchten vor allem herausfinden, welche Rolle die Umwelt bei der Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen spielt. Deshalb haben wir in mehr als 800 Proben von Menschen, Tieren und in Luftproben aus der ganzen Welt nach Resistenzgenen gesucht. Wie erwartet haben wir diese vor allem in der Umgebung von Fabriken gefunden, in denen Antibiotika hergestellt werden. Allerdings haben wir die größte Vielfalt an Resistenzgenen in Luftproben aus Peking gefunden. Das hat uns sehr verwundert, und wir werden das nun genauer untersuchen."
    Ob es in der Pekinger Luft zum Austausch von Resistenzgenen unter Bakterien kommt, ist bisher unklar. Joakim Larsson vermutet, dass der größte Teil des genetischen Materials, das die Forscher in den Proben gefunden haben, von abgestorbenen Bakterien stammt. Für Menschen bestehe daher nicht die Gefahr, sich über diese Luft mit resistenten Keimen anzustecken.
    Klärwerke könnten ein Umschlagplatz für resistente Bakterien sein
    "Ich denke, man braucht keine Angst davor zu haben – ich habe sie jedenfalls nicht. Die Frage ist aber, wie diese Resistenzgene in die Luft gekommen sind und ob es möglich ist, dass sich Keime, die gegen Antibiotika unempfindlich sind, auf diesem Weg über lange Distanzen ausbreiten können. Bisher ist zwar unklar, ob wir diese Resistenzgene auch in der Luft anderer Städte finden. Aber das sollte man genauer untersuchen."
    Joakim Larsson und seine Kollegen vermuten, dass Klärwerke ein Umschlagplatz für resistente Bakterien sind. Denn hier treffen Keime aus menschlichen Haushalten auf mögliche Krankheitserreger, und es kann zur Übertragung von Resistenzen kommen. Von hier aus könnten unempfindliche Keime auch in die Pekinger Luft gelangt sein, so der Forscher.
    "Da wir in verunreinigter Luft so viele unterschiedliche Resistenzgene gefunden haben, vermuten wir, dass sie möglicherweise mit Bakterien kontaminiert war, die aus dem Abwasser stammten und damit auch mit Fäkalien in Kontakt gekommen waren. Das wollen wir nun genauer untersuchen. Wir werden deshalb gemeinsam mit Forschern aus Deutschland, Holland und Rumänien Proben aus der Umgebung von Klärwerken untersuchen. So wollen wir herausfinden, ob dort harmlose Bakterien eventuell auch Resistenzgene auf Krankheitserreger übertragen."
    Rückstände aus Fabriken, die Antibiotika herstellen
    Darauf, dass es zu solchen genetischen Rendezvous zwischen harmlosen Keimen und Pathogenen, also Krankheitserregern kommt, haben Larsson und seine Kollegen bereits Hinweise. In der Umgebung indischer Fabriken, in denen Antibiotika hergestellt werden, fanden die Forscher sehr viele Resistenzgene in harmlosen Bodenbakterien.
    "Es ist also nachgewiesen, dass Rückstände aus Fabriken, die Antibiotika herstellen, das Wachstum resistenter Bakterien stark begünstigen. Sie werden gegen viele unterschiedliche Antibiotika resistent. Und wenn man diese Keime im Labor untersucht, sieht man, dass sie diese Resistenzen auf andere Bakterien übertragen können, auch auf Krankheitserreger. Aber ob das genau so auch im Freiland passiert, ist nur sehr schwer nachvollziehbar."
    Eine Antwort auf diese Frage sollen nun die Untersuchungen in europäischen Klärwerken liefern. Zwar wird das Abwasser aus der Antibiotikaproduktion hierzulande gereinigt und kommt nicht direkt mit Bodenbakterien in Kontakt. Doch im Klärbecken treffen die Rückstände dieses Reinigungsprozesses auch auf Krankheitserreger – und könnten diese unempfindlich machen.
    Studie: (Pal C, Bengtsson-Palme J, Kristiansson E, Larsson DGJ. (2016)
    The structure and diversity of human, animal and environmental resistomes. Microbiome)