Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

So sieht es die Presse
Zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus

Was tut sich da auf Deutschlands Straßen? Mischt sich neuer Antisemitismus in die Gaza-Proteste? Was sind die Gründe und was kann man tun? Viele Fragen, denen sich auch die Leitartikler der Presse zuwenden.

24.07.2014
    Auf einem Tisch liegen deutsche Tageszeitungen so versetzt, dass jeweils nur der Titel zu lesen ist, ganz vorne "Die Welt", "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Süddeutsche Zeitung"
    Kommentare aus deutschen Tageszeitungen (dpa / Jan Woitas)
    AACHENER ZEITUNG:
    "Auf deutschen Straßen hat sich in den vergangenen Tagen Antisemitismus ausgetobt, wie man es nicht für möglich gehalten hätte. Dass dagegen eine breite Front der Demokraten steht, gehört zum Selbstverständnis dieser Republik. Politische Parteien, Friedensgruppen und -initiativen, die wegen der schlimmen Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern zu Demonstrationen aufrufen, müssen genau darauf achten, wer sich bei ihnen einreiht und unter welchen Parolen und Transparenten ihre Proteste ablaufen."
    NORDSEE-ZEITUNG (Bremerhaven):
    "Eine unheilige Allianz ist das, die sich da unter Islamisten, Neonazis und linksradikalen 'Antizionisten' gebildet hat. Angriffen auf Juden und jüdische Einrichtungen entgegenzutreten, ist aber nicht nur Aufgabe von Polizei und Politik. Jeder von uns, der sich morgens im Spiegel in die Augen sehen will, ist jetzt gefragt: Lassen wir den unerträglichen Judenhassern in unserem Alltag keinen Platz. Treten wir ihrer Aggression entgegen, sei sie physisch oder verbal, versteckt oder offen."
    BERLINER ZEITUNG:
    "Kommenden Freitag werden sie wieder demonstrieren. Da sollte man dabei sein und sich gegen sie stellen. Es ist wichtig, dass wir das tun."
    WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN (Münster):
    "Natürlich darf man die Politik des Staates Israel scharf kritisieren - auch als Deutscher. Unerträglich ist es aber, wenn Juden auf deutschen Straßen wieder angepöbelt, beschimpft, bedroht und angegriffen werden - 70 Jahre nach der Shoah. Es ist eine Schande für unser Land, wenn Juden hier nicht genauso sicher und geborgen leben können wie Christen oder Muslime. Wo bleibt der Aufschrei der Anständigen?"
    NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG:
    "Die Bilder, wie auf deutschen Straßen judenfeindliche Parolen skandiert werden, sind unerträglich. Sie zeichnen die hässliche Fratze eines Judenhasses, der noch immer existiert. Und doch ist dem israelischen Botschafter zu widersprechen, der Vergleiche mit dem Jahr 1938 anführt. So abstoßend und aufrüttelnd die aktuellen Szenen auch sind: Ihnen stellen sich eine Zivilgesellschaft und ein Rechtsstaat entgegen, die sich der historischen Verantwortung bewusst sind."
    FRANKFURTER RUNDSCHAU:
    "'Die Juden' töten keinen Palästinenser, 'die Juden' führen keinen Krieg. 'Die Juden' sind so schuldig oder unschuldig wie 'die Araber' oder 'die Muslime'. - Israel, der Staat gewordene Schutzraum der Juden vor der Vernichtung, ist eine historische Tatsache, die ausgerechnet von Deutschland aus niemand, der bei Sinnen ist, in Frage stellen kann. Wie allerdings das Existenzrecht Israels zu sichern sei, darüber darf und muss gestritten werden. Die Frage, ob Israel dem eigenen Existenzrecht dient, wenn es fortgesetzt das Völkerrecht verletzt, ist keineswegs antisemitisch, sie ist notwendig."
    FRANKFURTER ALLGEMEINE:
    "Es ist eine 'Kultur', über die gerne hinweggesehen wird, wenn wieder einmal leichtfertig vom Zauber einer multikulturellen Gesellschaft geschwärmt wird. - Ein Tabu besagt, dass Religion kein Hindernis für Integration sei. Gehört denn selbst ein judenfeindlicher Islam zu Deutschland? Nein, er gehört definitiv nicht zu Deutschland. Ist das ein Hindernis für Integration? Ja, ein größeres Hindernis für Integration gibt es hierzulande wohl kaum. Die Antwort darauf kann nur heißen: Es gibt Einwanderer, die nicht willkommen sind:"
    MITTELDEUTSCHE ZEITUNG (Halle):
    "Man mag die Wut und den Hass verstehen können, mit denen Palästinenser auf Israel schauen. Wenn einem das Haus zerbombt, Familie und Freunde umgebracht werden, ist es geradezu übermenschlich, diese Gefühle nicht zu entwickeln. Aber wir wissen auch, dass Wut und Hass zerstörerische Gefühle sind. Sie machen zu allererst einen selbst kaputt."