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Soll Facebook für Journalismus zahlen?

Wenn Facebook seinen Algorithmus ändert, hat das für Medienhäuser Folgen, denn ihre Reichweite hängt von dieser Zauberformel der Plattform ab. Eine Kampagne fordert deshalb, dass das US-Portal für Inhalte bezahlt - oder Journalisten die Finger von ihm lassen sollen.

von Daniel Bouhs | 07.03.2018
    Der Gründer von Facebook, Mark Zuckerberg
    Mark Zuckerberg - Chef eines Technologie-Konzerns oder eines Medienunternehmens? (picture alliance / Andrej Sokolow/dpa)
    "Seit ein paar Tagen informiert Facebook auch seine deutschen Nutzer über die technischen Neuerungen. Das Netzwerk schraubt an der Zauberformel, mit der das Portal sortiert, welche Informationen der Nutzer sieht. Die Botschaft dazu:
    "Freunde und Familie zuerst! Dank Feedback von unseren Nutzern wissen wir, dass Beiträge von Freunden und der Familie im 'News Feed' für sie am wichtigsten sind. Daher haben wir einige Updates vorgenommen, damit du mehr Beiträge von ihnen siehst."
    Facebook zeigt künftig mehr Inhalte von Freunden und Familie
    Mehr Nachrichten von Freunden - heißt: weniger von Seiten, also Unternehmen und auch Medien. Johannes Knierzinger war Online-Redakteur bei einer österreichischen Wochenzeitung. Heute ist er Medienberater, und: Aktivist. Er will, dass Facebook die Arbeit von Journalisten ernst nimmt und en détail erklärt, wie es mit Inhalten umgeht:
    "Derzeit entscheiden Algorithmen, welche Inhalte beim User ankommen - was bei einem Medienhaus eigentlich kuratiert wird durch einen Chefredakteur. Bei Facebook und dergleichen, Twitter, wird das von einem Algorithmus gemacht. Und wir glauben, es ist notwendig für einen fairen Wettbewerb, dass diese Filter transparent gestellt werden, wie sie funktionieren."
    Dieser Tage kehren erste Journalisten Facebook den Rücken zu, weil sie sich die anhaltende Willkür nicht länger antun wollen - dass Facebook nach Gutdünken entscheidet, welche Einträge Nutzer überhaupt erreichen, obwohl sie diese doch explizit durch einen Klick auf "Gefällt mir" abonniert haben.
    Erste Medien verabschieden sich
    Wie @mediasres berichtet hat, verlässt die größte Tageszeitung Brasiliens Facebook etwa komplett. ORF-Journalist Armin Wolf hat wiederum für seine Gedanken einen Blog gestartet. Auf Facebook setzt er nur noch Links.
    Andere zittern allerdings ob ihrer Abhängigkeit. Zurecht, wie das britische "Little Things" zeigt, das sich auf die schönen Kleinigkeiten des Alltags spezialisiert hatte, gute Nachrichten. Das junge Unternehmen sollte übernommen werden - doch dann:
    "Als entsprechende Angebote bei uns reinkamen, zeigte das Update des Facebook-Algorithmus seine Wirkung",
    schrieben die Gründer in einer Abschiedsnachricht. "Little Things" hatte zwar fast 13 Millionen Fans, drang aber nicht mehr zu ihnen durch. Damit wurden deutlich weniger Leser auf die eigene Internetseite gelockt und die dort platzierte Werbung.
    Für Inhalte zahlen?
    Facebook beteuert, Nutzer würden künftig doch wieder direkt mit etwas mehr "relevanten Informationen" versorgt. Es dürften auch wieder etwas mehr Nachrichten von abonnierten Medienseiten in den personalisierten "News Feeds" auftauchen.
    Aktivist Knierzinger kämpft dafür, dass der US-Konzern seinen Inhalte-Filter nicht nur besser erklärt, sondern für den "Content" künftig nicht nur mit Reichweite bezahlt:
    "Ich glaube einfach, dass die derzeitige Situation, wie Nachrichten dort finanziert werden, nicht gut ist. Ich glaube, dass die Medien für Plattformen arbeiten und dass es nicht fair ist, dass die Plattformen die ganzen Umsätze bekommen und die Medien da eigentlich gratis hinarbeiten."

    "Never blog for free" heißt die Kampagne - schreibe nicht umsonst ins Netz. Das Ziel ist eine "Facebook-Abgabe", von der jeder profitieren soll, der aufwändige Inhalte hochlädt, um die herum Facebook Werbeplätze verkauft - und so Milliarden macht. Nur mit einem Programm namens "Instant Articles" haben Anbieter die Chance, davon etwas abzubekommen - wenn sie auf Facebook sehr umfassend publizieren.
    "Das größte Medienunternehmen der Welt"
    "Die große Fülle der Artikel seien ja nicht von Medienhäusern, sondern von Einzelpersonen, die sehr viel Zeit in das reinstecken und dafür eigentlich nichts zurückbekommen. Und im Gegenteil dadurch eigentlich erst die Plattformen groß machen",

    sagt Knierzinger. Wie passend: Die EU-Kommission diskutiert ohnehin gerade neue Spielregeln fürs Digitale. Politisch ist die große Frage aber, was Facebook eigentlich ist - nur Tech-Gigant oder vielleicht doch längst das größte Medienhaus der Welt?
    Gründer Mark Zuckerberg hat darüber - wenig beachtet - schon vor gut einem Jahr erstaunlich offensiv philosophiert - vor einer Kamera seines Konzerns:
    "And, you know, Facebook is a new kind of platform. It’s not a traditional technology company. It’s not a traditional media company."
    Facebook, sagt Zuckerberg sei kein traditionelles Technologie-Unternehmen, aber auch kein traditionelles Medien-Unternehmen. Facebook sei eine neue Art von Plattform. Aktivist Knierzinger aber fordert:
    "Facebook soll ehrlich sagen, wir sind das größte Medienunternehmen der Welt und soll sich dann auch so verhalten. Und soll aber auch dann politisch dieselben Richtlinien bekommen, wie ein klassisches Medienhaus."
    Und dazu gehöre eben auch: Für Inhalte zu bezahlen - von Groß und Klein.