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Söder fordert Austritt Griechenlands aus dem Euro

Und wieder ein deutscher Politiker, der unverblümt Griechenlands Austritt aus dem Euro fordert: Markus Söder (CSU) hält ihn für "zwangsläufig". Athen habe nur mit der Drachme eine Chance, meint der Finanzminister Bayerns - und erinnert daran, dass Griechenland auch dann EU-Fördergelder erhalten wird.

Das Gespräch führte Dirk Müller | 26.07.2012
    Dirk Müller: Wir haben es gehört: Die nächsten Warnungen sind also eingetroffen: mit voller Wucht, noch deutlicher als schon gewohnt in den zurückliegenden Wochen. Erneut haben Ökonomen das Wort ergriffen, 17 an der Zahl, aus ganz Europa, darunter auch zwei deutsche Wirtschaftsweise. Ihr Tenor: Wir stehen vor der Katastrophe in Europa, wenn die Politik nicht ganz schnell und nicht ganz gezielt handelt. Und das alles in einer Zeit, wo die Kanzlerin via Bayreuth dabei ist, sich die Wanderplakette in den Bergen Südtirols zu verdienen, und die Politik agiert schlafwandelnd, kritisieren die Ökonomen. – Am Telefon ist nun Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). Guten Morgen!

    Markus Söder: Guten Morgen, grüß Gott.

    Müller: Herr Söder, haben Sie wenigstens ausgeschlafen?

    Söder: Ich bin eigentlich immer ausgeschlafen und habe jetzt kein Problem. Ich bin aber auch wachsam, denn bei dem Thema Euro bedarf es einer hohen Wachsamkeit – aber nicht in der Form, wie es die Ökonomen vorschlagen, dass wir immer mehr Schulden machen, Schulden vergemeinschaften, wie jetzt Athen sagt, sondern das Gegenteil. Rettungsschirme helfen nicht, wenn die Staaten selber keine Reformen machen. Darum liegt das Problem Europas nicht im Euro, sondern in den Staaten der Eurozone.

    Müller: Aber darauf kann jetzt nun keiner warten, bis die Staaten saniert sind.

    Söder: Deswegen hat man ja die Rettungsschirme gemacht. Die Rettungsschirme sind ja nichts anderes als eine Art Überbrückungskredit für die Staaten, die sich jetzt im Moment noch nicht ganz selber helfen können. Aber deswegen gibt es ja eine Bedingung wie bei jedem Kredit, den Sie oder ich machen würden beim Häuslebau: Du bekommst Geld, aber es gibt Bedingungen. Die Bedingungen sind dann der Fiskalpakt, und deswegen müssen die Staaten die einhalten. Deutschland hat übrigens auch schwere Reformen hinter sich in der Agenda 2010. Da müssen die Anderen folgen.

    Müller: Und Sie können dem Steuerzahler, den Deutschen garantieren, dass die Gelder, die Sie verleihen, auch wieder zurückkommen?

    Söder: Garantieren kann keiner. Deswegen braucht es ja die harten Bedingungen. Das ist ja genau der unterschiedliche Ansatz. Diese Ökonomen oder die Grünen schlagen ja vor, noch mehr Geld zu geben, Schulden zu vergemeinschaften, Einlagensicherung zu machen, dass jeder deutsche Sparer mit seinem Sparguthaben de facto mit haftet für spanische Banken, griechische und italienische, und das würde das Risiko verzigfachen. Also um das Risiko zu minimieren, heißt es jetzt, klare Bedingungen zu stellen und kein neues Geld zu geben.

    Müller: Die Argumentation, wenn wir das richtig verstanden haben, der Ökonomen, dieser Ökonomen, die sich gestern geäußert haben, ist ja genau umgekehrt. Sie haben die Stichworte schon mal genannt, wir wollen sie noch einmal verkürzt wiedergeben. Da ist von Fiskalunion die Rede, von Bankenunion, von einem größeren Rettungsschirm und von diesem Schuldentilgungsfonds. Die Ökonomen argumentieren, das muss zunächst einmal ganz, ganz schnell realisiert und umgesetzt werden, damit dann die entsprechende Sanierung und Haushaltskonsolidierung erfolgreich eingeleitet werden kann. Ist das völlig falsch?

    Söder: Ich halte das für einen völligen Irrweg. Wir haben doch die letzten eineinhalb Jahre nichts anderes gemacht, als genau diesen Weg zu gehen, immer mehr Geld zu geben, Rettungsschirme zu vergrößern, Hebelwirkungen zu machen, Griechenland zum Beispiel immer weitere Finanzmittel zu geben. Zurückgekommen auch im Sinne von Reformschritten ist nichts. Wenn wir jetzt weiter geben und beispielsweise die griechischen Schulden komplett übernehmen, was de facto solche Eurobonds und der Schuldentilgungsfonds sind, dann wird nicht nur das deutsche Risiko und das Risiko der deutschen Steuerzahler verzigfacht, sondern glauben Sie im Ernst, dass dort in den Ländern das Bemühen um Sparen stärker oder geringer wird, wenn man weiß, dass wir von vornherein alles übernehmen. Allein ein Land wie Griechenland beispielsweise muss einen kompletten neuen Staatsaufbau machen. Die Weltbank hat gesagt, da bräuchte es ein state building. Deswegen glaube ich auch, dass die Lösung nicht darin liegt, Griechenland mehr Geld zu geben, sondern dass Griechenland aus der Eurozone austritt.

    Müller: State building – das hört sich ja an, Herr Söder, wie in Afrika. Das heißt, darauf wollen Sie noch warten, bis das state building in Griechenland abgeschlossen ist? Bis dahin bekommt Griechenland nicht mehr Geld?

    Söder: Genau das ist der Punkt. Sie haben völlig Recht, in Afrika nennt man das noch Nation building, das ist sicher die schlimmere Stufe davor, danach kommt State building, völlig richtig analysiert. Da wir darauf nicht warten können, was in Griechenland passiert, und da es Griechenland nicht schaffen kann und wahrscheinlich auch nicht schaffen will, macht es nur einen Sinn, Griechenland eben den Weg aus der Eurozone zu ebnen, weil umgekehrt es ein Fass ohne Boden wird. Und Fässer ohne Boden helfen nicht. Die helfen weder der Eurozone, helfen weder Deutschland, noch Griechenland.

    Müller: Ist das für Sie kein Argument, dass man Staaten a la Griechenland auch kaputtsparen kann?

    Söder: Nein, das ist kein Argument, denn kaputtsparen kann man nicht, weil das Sparen ist ja nur der eine Teil. Die Reformen im Land sind das andere. Es geht ja nicht nur um die Frage, ob Sie jetzt sagen, Sie kürzen einen Ansatz. Wir in Deutschland haben zum Beispiel jahrelang Lohnzurückhaltung gehabt. In Griechenland gab es bis zum Jahr 2009 enormen Aufwuchs. Wir haben Rentenkürzungen zum Teil sogar gehabt, Rentner mussten verzichten auf lange Jahre auf eine entsprechende Erhöhung. In anderen Ländern wird das massiv ausgeweitet. Ich glaube – und das ist ja parteiübergreifend gewesen, die Agenda 2010 -, ich glaube, dass solche Prozesse überall notwendig sind. Damit sie dann wirken, dazu braucht es die Überbrückung, das sind die Rettungsschirme. Aber das eine ohne das andere ist völlig undenkbar.

    Müller: Bleiben wir noch mal beim Thema Sparen, nehmen wir Griechenland, aber auch die Perspektive Spanien und Portugal dazu. Beim Thema Sparen, da geht es auch um Arbeitslosigkeit. 10 Prozent, 20 Prozent, 30 Prozent, es wird immer schlimmer, von der Jugendarbeitslosigkeit gar nicht zu sprechen in diesen betroffenen Staaten. Wie kann ein Staat wieder auf die Beine kommen mit so vielen Arbeitslosen?

    Söder: Griechenland, glaube ich, hat kaum eine Chance, und deswegen ist der Austritt Griechenlands zwangsläufig. Griechenland hat sich so selbst in eine Lage manövriert, dass es nur sozusagen mit den Wechselkursen einer eigenen Währung, der Drachme, überhaupt eine Chance hat. Übrigens Griechenland bliebe, unabhängig von der Eurozone, drittgrößter Nettoempfänger der EU. Also wir zahlen unabhängig von der Eurozone ohnehin ständig fast am meisten nach Griechenland, und das bleibt auch weiter für Landwirtschaft und Ähnliches mehr. Also Griechenland hat auch seine Perspektive. Bei Spanien ist die Sache etwas anders gelagert: Der spanische Staat selbst hat enorme Anstrengungen unternommen, das muss man respektieren. Es geht ja im Moment nur um die Bankenhilfe, wobei wir bei der Bankenhilfe schlicht und einfach uns erwarten, dass man da ähnliche Maßstäbe anlegt wie bei den Bankenhilfen, die in Deutschland waren, nämlich auch Rückzahloptionen. Das ist der eine Teil und der andere Teil heißt, schlicht und einfach Reformen in dem Staat zu machen. Dazu gehört die soziale Sicherung, dazu gehört die Wirtschaftsordnung, dazu gehört das Bildungssystem. Und ich glaube schon, dass das schaffbar ist. In Portugal beispielsweise oder Irland zeigen die Bemühungen ja erste Erfolge.

    Müller: Aber in Spanien, wenn Sie sagen, es geht da nur um die Banken – es geht ja auch darum, dass offenbar Provinzen, Regionen wie beispielsweise die große, starke Region Katalonien, nicht mehr in der Lage sind, ihre Schulden zu bedienen.

    Söder: Wenn Sie genau hineinschauen in all die Bereiche – das Argument, man kann nicht sparen, das ist in der Regel ein falsches, weil man traut sich einfach an bestimmte Bereiche nicht heran. Wir Deutschen haben das auch oft genug machen müssen und wir müssen es ständig machen. Wir müssen ständig überlegen, was können wir uns leisten und was nicht. Deswegen haben andere genau die Verpflichtung. Wir können doch nicht automatisch jetzt nur, weil andere sich schwer tun, Reformen zu machen, dafür die Finanzierung und Haftung übernehmen. Das scheint mir kein ökonomisch tragfähiges Konzept zu sein. Wenn ein Ökonom als Hauptkonsequenz aus schlechtem Wirtschaften zieht, dass andere dafür zahlen müssen, dann bin ich mir nicht sicher, ob er seine Profession wirklich erfüllt.

    Müller: Philipp Rösler, FDP, Bundeswirtschaftsminister – über ihn haben wir gesprochen in den vergangenen Tagen im Deutschlandfunk. Heute Morgen reden wir mit Markus Söder, bayrischer Finanzminister, hier im Deutschlandfunk. Um das noch einmal festzuhalten: Sie empfehlen den Griechen auszutreten?

    Söder: Ja, absolut. Das wird auch so kommen am Ende, denn eines ist klar: Der IWF steigt jetzt schon aus, also der Internationale Währungsfonds steigt aus und sagt, er gibt kein neues Geld für Griechenland. Damit ist auch keine richtige Troika mehr der EU, die das Ganze anschauen wird. Sie wird zum Ergebnis kommen, oder muss zum Ergebnis kommen, dass Griechenland wieder mehr Geld will, aber nichts dafür geben kann. An einem solchen Punkt darf es keine Lockerung der Bedingungen geben, keine neuen Verhandlungen, unterm Strich kein neues Geld, sondern hat Griechenland quasi die Wahl, in die Insolvenz zu gehen, oder, was ich dann für den besseren Weg hielte, ein geordneter Ausstieg aus der Eurozone. Das ist für Europa besser, für die EU, Eurozone, aber auch für Griechenland.

    Müller: Schalten Sie gleich Ihr Handy aus, wenn Wolfgang Schäuble versucht, Sie zu erreichen?

    Söder: Alles klar.

    Müller: Nein, war die Frage, Herr Söder. Wenn Wolfgang Schäuble Sie versucht zu erreichen, weil der das ja anders sieht, schalten Sie dann Ihr Handy aus?

    Söder: Nein. Das finde ich nicht, dass dort Unterschiede erkennbar sind. Im Übrigen freue ich mich immer, weil der Bundesfinanzminister leistet ganz große Arbeit, überhaupt wie die ganze Bundesregierung. Wissen Sie, es werden ja so gern schlaue Sprüche gemacht, was man alles tun könnte und sollte. Herr Gabriel schlägt vor, alle Banken zu zerschlagen oder zu verstaatlichen. Herr Hollande schlägt ja vor, soziale Reformen zurückzudrehen und den öffentlichen Sektor auszuweiten, macht, glaube ich, eine 75-prozentige Sozialistensteuer. All diese Konzepte sind doch nichts anderes als Wegducken oder nicht angemessen reagieren. Ich denke, wir haben einen guten Mix aus nicht feige vor der Verantwortung sein bei der Führungsrolle in Europa, aber auch nicht allem blind hinterherlaufen, was da so an Ideen kommt.

    Müller: Also Sie sind sich längst einig mit der Bundesregierung?

    Söder: Also ich bin mir zunächst mal einig mit der bayrischen Staatsregierung, für die stehe ich ja, und ich glaube, dass auch die Bundesregierung einen sehr verantwortungsvollen Kurs macht. Philipp Rösler hat ja zum Beispiel genau diese Woche diese Sachen, die ich jetzt hier angesprochen habe, ganz genauso intoniert.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Bayerns Finanzminister Markus Söder. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach München.

    Söder: Danke!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.