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Solar-Technologie
Bifaziale Module erobern den Massenmarkt

Die Intersolar Europe ist nach wie vor die größte Messe für Solarenergie in Europa. Rund 1.000 Aussteller zeigten bis heute ihre Neuheiten. In der Zell- und Modultechnologie scheint sich ein neues Konzept durchzusetzen: Es handelt sich um Module aus bifazialen Solarzellen. Sie können die Energie des Sonnenlichts nicht nur auf ihrer Vorderseite, sondern auch auf ihrer Rückseite in Strom wandeln.

Von Ines Rutschmann | 12.06.2015
    Arbeiter installieren Solarzellen auf einem Dach, aufgenommen am 06.03.2012 in Igersheim.
    Wie in den vergangenen Jahren drehen sich viele Produkte um die Nutzung von Solarstrom in den eigenen vier Wänden. (dpa picture alliance / Daniel Kalker)
    Solarzellen verarbeiten stets nur einen Teil des Sonnenlichts zu Strom, das auf sie trifft. Der Rest geht durch die Zellen hindurch oder wird direkt von der Oberfläche reflektiert. Gegen die Reflexion wurde eine Beschichtung ersonnen, die längst ein Standard in der Fertigung ist. Und das Licht, das durch Zellen hindurchgeht? Das lässt sich nutzen, wenn diese auch auf ihrer Rückseite Strom erzeugen können. Bifazial oder zweiseitig nennen sich solche Solarzellen und die daraus gefertigten Module, erklärt Stephan Hotz vom Maschinenbauer Singulus Technologies AG.
    "Das heißt, bei einem bifazialen Modul wird über die Reflexion der Sonnenenergie von einem hellen Hintergrund oder einem hellen Boden über die Rückseite das Licht in die Zelle eingetragen und man erreicht dadurch eine viel bessere Ausnutzung der Energie der Sonnenstrahlung und eine höhere Modulleistung."
    Singulus hat Maschinen entwickelt, mit denen jeder Hersteller von Solarzellen und Modulen aus kristallinem Silizium seine Produktion auf die neue Technik umstellen kann. Der Wirkungsgrad der Solarzellen steigt dadurch um ein bis zwei Prozentpunkte. Das liegt vor allem daran, dass bifaziale Zellen sehr hochwertiges Silizium erfordern, wie es auch die Halbleiterindustrie braucht.
    Mehr Strom "ernten"
    Die Mehrkosten sollen durch die höhere Leistung aufgewogen werden. Durch die Nutzung des Lichts auch auf der Rückseite, kann ein bifaziales Solarmodul zudem höhere Stromerträge erzielen. Wie viel höher - das hängt davon ab, ob die Zelle auf der Rückseite genauso gut veredelt ist wie auf der Vorderseite. Noch entscheidender ist, aus welchem Material die Rückwand des Moduls besteht. Die Solarworld AG zeigte zur Messe Intersolar Europe ein bifaziales Modul mit einem Rücken aus Glas. Nur so könne das Potenzial voll ausgeschöpft werden, sagt Entwicklungsleiter Holger Neuhaus. Wie viel mehr Strom sich auf gleicher Fläche ernten lässt, testet das Unternehmen noch.
    "Wir haben verschiedene Testfelder aufgebaut, sowohl in Deutschland als auch in den USA. Wir gehen davon aus, dass für normale Installationen es so um die zehn bis 15 Prozent mehr sein wird. Wenn man sehr optimale Bedingungen hat, können das auch mal 20 Prozent sein."
    Optimale Bedingungen bedeuten, dass die Module auf einem hellen Boden oder einer hellen Fassade montiert sind. Je dunkler der Untergrund, desto schwächer ist der Effekt durch die stromerzeugende Rückseite. Rainer Ruschke hält die zweiseitigen Module gerade für Dachanlagen für lohnend. Er hatte mit seiner Algatec GmbH schon vor fünf Jahren erste Fabrikate produziert. Damals sei der Markt dafür aber nicht reif gewesen, sagt er.
    "Ich brauche eine verhältnismäßig kleine Fläche, um die Leistung des Solarmoduls zu steigern. Die Leistungssteigerung kann ich auch erzielen, indem ich hocheffiziente Zellen entwickle, aber die kosten auch mehr Geld und das ist eine Möglichkeit, heute auf geringsten Quadratmetern höhere Leistung zu erzeugen."
    Zweiseitige Module gerade für Dachanlagen geeignet
    Dass nunmehr auch eine gute Nachfrage nach bifazialen Modulen besteht, erlebt LG Electronics. Vor zwei Jahren führte der südkoreanische Konzern zweiseitig stromerzeugende Module ein und baut bis heute die Fertigungskapazität aus. Eines unterscheidet LG von den anderen Produzenten: Von hinten verschließt eine weiße Folie das Modul, erklärt der Vertriebsleiter für Deutschland, Bastian Rösch:
    "Wir fangen das Licht in den Zellzwischenräumen auf, welches dann quasi auf der weißen Rückseitenfolie reflektiert wird und somit auf die Unterseite der Zelle wieder gelangt. Im Modulverbund eingefangenes Licht können wir so damit besser verwerten."
    Die Stromproduktion lasse sich so um zwei bis drei Prozent erhöhen. Bifaziale Module stehen in der Industrie nun offenbar bei der weltweit am stärksten verbreiteten Siliziumtechnologie vor ihrem Durchbruch. Denn die Umstellung in der Produktion gelingt vergleichsweise einfach und birgt einen großen Mehrwert für den Anwender, sagt Holger Neuhaus von Solarworld. Vorangetrieben wird die Verbreitung durch Anlagenbauer aus Deutschland und der Schweiz, die zur Intersolar ihre Konzepte vorstellten. Die Firma Singulus verzeichnet bislang zehn Kunden weltweit, sagt Stephan Hotz.
    "Das Bifazial-Zellkonzept ist in der Entwicklung bis vor einem halben Jahr, dreiviertel Jahr und ist jetzt bei den ersten Kunden installiert. Das heißt, die ersten Anlagen sind installiert. Ich würde sagen, es ist noch in der Phase der Pilotproduktion. Die Kunden schauen jetzt, wie die Effizienzsteigerung und die Kostenoptimierung stattfindet und werden dann in die Massenproduktion gehen und dort ihre weiteren Anlagen umrüsten. Das ist im Moment der Trend."