Samstag, 20. April 2024

Archiv

Solarfestival
Feiern im Naturschutzgebiet

Müllsammler, wiederverwertbares Geschirr und Bio-Food: Viele Festival-Besucher setzen immer häufiger auf Nachhaltigkeit. Dass dies nicht nur fürs Essen gilt, sondern ein ganzes Partygelände auch mit Sonnenenergie betrieben werden kann, das beweist das Solarfestival nahe Gorleben dieses Jahr bereits zum zweiten Mal.

Von Antje Hoffmann | 22.08.2014
    Normalerweise ist der Peckfitzer See der ruhigste und idyllischste Ort, den man sich denken kann.
    "Ja hier ist bunte Vegetation, Weiden, Kiefern, Erlen, viele Haselnusssträucher, die sogar Haselnüsse tragen."
    Eine Woche bevor es losgeht, sichtet Festivalmanagerin Waltraud Stein noch einmal das Gelände – zwischen Wald und Wiese im dünn besiedelten Nordwesten von Sachsen-Anhalt - zehn Kilometer Luftlinie zur niedersächsischen Grenze.
    "Ja hier ist im Grunde ein Kessel, der einen großen Wald rundrum hat, dann wird hier die Hauptbühne sein, eine Pizzeria, die auch solarbetrieben ist, ein Kaffeemobil, die Vereinsbar und weiter oben wird's noch ein Solarkino geben, eine Workshop-Area, 'nen Vernetzungsmarkt."
    Mittlerweile ist alles längst aufgebaut, denn an diesem Wochenende ist am Peckfitzer See richtig was los: mit bunten Stoffen überdachte Bühnen, ein Zirkus, eine Kinderarena und allüberall Solaranlagen. Kleine, große und hinter der Hauptbühne eine riesige auf einem Lkw-Dach. Selbst jedes Dixi-Klo ist an Solarzellen angeschlossen.
    Solarfestivals gibt's viele auf der Welt. Doch die setzen alle nur auf den schönen Namen. Das Solarfestival am Peckfitzer See – 80 Kilometer von Magdeburg und 40 von Wolfsburg entfernt - baut ganz praktisch auf die technisch nutzbare Energie der Sonne. Und zwar so konsequent, dass die Party mitten im Naturschutzgebiet steigen darf, unterstützt von Umweltvereinen.
    Die Location in der eher eventarmen Altmark-Region ist kein Zufall. Beeinflusst durch die Anti-Atom-Bewegung im unmittelbar angrenzenden Wendland gibt es auch hier eine agile grüne Szene, zu der auch Waldtraut Stein gehört:
    "Ne Gruppe von verschiedenen Leuten – Umweltaktivisten, Festivalleute und eben Technikfreaks haben an der Idee getüftelt, mobile Soundsysteme auf Transporter zu machen, um sie für Demos energieautark zu haben ohne Benzingenerator.
    Und dann kamen günstige Gegebenheiten dazu, dass wir mehr Solarzellen bekommen haben und gute Batterien gefunden haben in diesem riesigen Pool von technischen Innovationen und am Ende war dann klar, wenn wir das alles auf den Punkt bringen, ist so ein energieautarkes Festival möglich."
    Ein einzigartiges Festival
    Zwar gibt es mittlerweile einige Festivals mit sogenannten "green areas", in denen Dancefloors mit Sonnen- oder Windenergie betrieben werden oder auch kleinere Konzerte, die mit mobilen Soundsystemen arbeiten. Doch der Rundum-öko-Ansatz in Peckfitz ist bislang einzigartig:
    "Viele haben uns gesagt: 'Das ist nicht möglich. Wie wollt ihr denn so ein großes Soundsystem dauerhaft über Batterien und Solarzellen betreiben? Das geht nicht.' Und wir haben gesagt: Lass es uns doch ausprobieren. Und das ist uns glaub ich gelungen. Wir sind technisch heutzutage an dem Punkt. Wir müssen deswegen nicht auf irgendwas verzichten. Es ist Licht da, die Bässe wummern ordentlich, es gibt Projektoren, Kino, alles da."
    Anti-Kommerz als Alternativkonzept
    Namhafte Acts reisen nicht an. Die Künstler spielen für ein Trinkgeld, die Besucher haben freien Eintritt, nur für Autos werden Parkgebühren erhoben. Auch Anti-Kommerz gehört zum alternativen Konzept. Musikalisch gesehen wird es trotzdem international und bunt: Drum' n' Bass und Dancehall, Weltmusik und Reggae, Swing und Liedermacher. Für das Leipziger Künstlerkollektiv "Plug Dub" ist das Solarfestival in erster Linie ein kleines feines Open-Air, kein ideologisches Event, sagt DJ Stefan:
    "Zum Ersten geht's ja um die Musik. Man bringt sein Equipment mit, bekommt einen entsprechenden Stromanschluss und kann loslegen. Es ist ein toller Anfang und es ist schön, dass so was gezeigt wird, aber es ist ja viel mehr als dass es nur von solar betrieben wird. Es ist ja eine Zusammenkunft von Musikern und von Leuten, die Spaß draußen haben zu tanzen."
    Party auch bei Regen
    Im letzten Jahr hatten etwa 500 Gäste am Peckfitzer See ihren Spaß. Gefeiert wird übrigens auch, falls es regnet, denn die Solarzellen und Batterien sind vollgeladen, sagt Managerin Waldtraut. Und last but not least gibt's auch noch Muskelgeneratoren. Darauf können die Festivalbesucher für mehr Bässe strampeln. Auch das dürfte für Spaß sorgen.