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Solarkraftwerk geplant
Eine Provinz in Marokko hofft auf die Sonne

Midelt im mittleren Atlasgebirge gehört zu den ärmsten Provinzen Marokkos. Starke Schneefälle haben das einstige Bergbaugebiet nun noch stärker in Armut, Kälte und Hunger gestürzt. Ein geplantes Solarkraftwerk soll Jobs schaffen und Geld in die Kassen der Kommunen und der Geschäftsleute spülen.

Von Stefan Ehlert | 24.02.2018
    Die Provinz Midelt am Fuß des Atlasgebirges in Marokko bietet genug Platz für ein Solarkraftwerk, das dort mit Hilfe deutscher Kredite entstehen soll
    Die Provinz Midelt am Fuß des Atlasgebirges in Marokko bietet genug Platz für ein Solarkraftwerk, das dort mit Hilfe deutscher Kredite entstehen soll (Deutschlandradio/ Stefan Ehlert)
    Mühsam quält sich der Wagen durch Schnee und Matsch. Gut fünf Kilometer von der Hauptstraße entfernt wohnen der Berbernomade Mohamed Oubnasser und seine Frau Halima am Fuße des Atlasgebirges in der Provinz Midelt.
    Halima schiebt die Mülltüte vor der unverglasten Fensteröffnung zur Seite, damit Licht ins unbeheizte Wohnzimmer fällt. Die Temperatur liegt um den Gefrierpunkt. Ihr wichtigstes Gerät, die Schaufel, steht gleich neben der Tür – um sich den Weg durch den Schnee freizuschaufeln. Strom, Wasser, Fernsehen – all das gibt es hier nicht. Gekocht wird mit Holz, aber die Familie muss es von weit her ranschleppen:
    "Als ich klein war, gab es weniger Menschen und mehr Wald, es war einfacher, Holz finden."
    Abgeschnitten von der Außenwelt
    Die nächste Wasserstelle liegt vier Kilometer weit weg, das alte Tastenhandy hat meist keinen Saft. Ab und zu laden sie es auf in der Stadt, damit die in alle Winde verstreuten Kinder anrufen können. Mohamed sagt, er komme zurecht, aber die Kälte setze ihm zu. Und die Sorge, dass seine Schafe und Ziegen mehr nicht genügend Futter fänden.
    Manchmal seien sie drei oder vier Tage abgeschnitten, erklärt mir Omar, ein Gelegenheitsarbeiter aus der Gegend von Tounfite. Dann könne er kein Heu für seine Tiere beschaffen. Vor allem regt er sich darüber auf, dass es keinen Handyempfang gibt, dort wo er lebt. Wie soll er Hilfe rufen, wenn seine Familie in Not gerät?
    Omar steht am Rande eines Bachbetts, in dem eine Frau die Wäsche wäscht – obwohl der Schnee am Ufer noch nicht weggeschmolzen ist. In der Stadt Tounfite selbst türmt der Schnee sich meterhoch. Auf dem Markt sind Gummistiefel der Renner – und fast doppelt so teuer wie vergangenes Jahr.
    Midelt, einst das Klein-Paris von Marokko, boomendes Bergbauzentrum, die zweite Stadt im Land nach Casablanca, die einen Stromanschluss bekam, sie ist heute Verwaltungssitz einer abgehängten Provinz voller Phantomdörfer. Statt auf die Schätze unter der Erde setzt die Gegend heute auf den Apfelanbau, wasserverschlingende Monokulturen, die zu wenig Beschäftigung schüfen.
    Die Arbeitslosigkeit sei extrem hoch, sagen übereinstimmend der Präsident des Agrarzentrums Zaida sowie ein ehemaliger Berg-Arbeiter aus dem nahen Mibladen. Doch beide blicken zuversichtlich in die Zukunft.
    Großprojekt mit Hoffnung
    Ein enormes Projekt nennt Ratschef Hassan Hajje das geplante Solarkraftwerk, das Jobs schaffen und Geld in die Kassen der Kommunen und die der Geschäftsleute spülen werde. Alle würden davon profitieren, wenn mehr als 2.000 Techniker anrückten, um dieses Projekt zu bauen, das schon in zwei Jahren Strom liefern soll. Enorm ist dafür gar kein Ausdruck, wir sprechen von einer Fläche von mehr als 4.000 Fußballfeldern und 800 Megawatt Leistung – maßgeblich finanziert mit Entwicklungskrediten aus Deutschland.
    Marokko pflegt bekanntlich viele prestigeträchtige und teure Großprojekte, den Schnellzug TGV an der Küste, die Oper in Rabat, das höchste Hochhaus Afrikas und vielleicht sogar die Fußball-WM 2026. Doch wohl kaum irgendwo sind die Hoffnungen so groß wie in der Provinz Midelt. Schultransport, Kliniken, Straßenanbindung – da müsse etwas passieren, sagt Ratschef Hajje
    "Zum Beispiel mit Behandlungszentren, die ausreichend ausgestattet sind, um den Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung zu genügen."
    Nach meiner Rückkehr nach Rabat spreche ich mit einem Aktivisten der Berberbewegung, er kennt sich hervorragend aus in Midelt. Und wie alle ist auch er voll des Lobes für die Solar-Pläne. Aber, so warnt er, die Bevölkerung müsse wachsam sein, dass ihre Hoffnungen auch eingelöst würden.