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Soldaten unter Verdacht

Soldaten im Einsatz haben naturgemäß besondere Befugnisse, die bis zum Töten eines Menschen reichen können. Auch Soldaten unterliegen aber Gesetzen und können gegebenenfalls strafrechtlich belangt werden. Seit die Bundeswehr im Ausland tätig ist, gelten die Einsatzbedingungen und Einsatzregeln, die von der UNO vorgegeben werden - ein neues Terrain auch für die Justiz.

Von Rolf Clement und Claudia van Laak | 01.03.2009
    Es geschieht am 28. August 2008 gegen 22.00 Uhr. Im Norden Afghanistans, in der Nähe von Kundus, sind afghanische und deutsche Soldaten dabei, einen Kontrollposten aufzubauen. Sie haben zuvor die Information erhalten, dass demnächst Fahrzeuge mit geschmuggelten Waffen diese Straße passieren werden.

    Zwei Fahrzeuge nähern sich dem Kontrollposten. Ein großer Geländewagen und ein zweites Auto, in dem unter anderem eine Frau und zwei Kinder sitzen. In etwa 100 Metern Entfernung steht ein Dingo der Bundeswehr - ein gepanzertes Transportfahrzeug mit Maschinengewehr.

    Der im Dingo stationierte Oberfeldwebel hat die Aufgabe, seine Kameraden am Checkpoint zu sichern. Durch sein Nachtsichtgerät erkennt er, dass die zwei Fahrzeuge die Haltesignale nicht beachten, dass sie den deutschen und afghanischen Soldaten gefährlich nahe kommen. Erst am Tag zuvor ist ein Hauptfeldwebel der Bundeswehr in einer Sprengfalle getötet worden. Die Stimmung unter den Soldaten ist angespannt. Der 27-jährige Soldat auf dem Dingo hört Schüsse. Er glaubt an einen Anschlag auf seine Kameraden, eröffnet mit seinem Maschinengewehr das Feuer auf eines der beiden Autos, das andere rast sofort davon. Die Frau und die beiden Kinder sterben. Am Tag danach ist die Bundeswehr in Erklärungsnot. Markus Werther, damaliger Pressesprecher der Bundeswehr in Afghanistan.

    "Ein solches Verhalten, uns zu attackieren, wird immer dann deutlich, wenn Fahrzeuge sehr schnell auf einen Checkpoint zufahren oder aber angehalten sind und dann noch einmal losfahren. Und in der Situation, in der wir hier in Afghanistan sind, mit den Anschlägen der Vergangenheit, gilt es, das eigene Leben zu schützen und das Leben der Kameraden zu schützen, was dazu führt, dass wir auch Waffengewalt einsetzen müssen."

    Der Gebrauch von Schusswaffen durch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ist eindeutig geregelt und auf einem kleinen Faltblatt, der sogenannten Taschenkarte, festgehalten. Dort heißt es unter anderem:

    Sie haben das Recht, Angriffe abzuwehren, die sich richten gegen:

    - militärische und zivile Angehörige von ISAF und Nato,
    - das Material und die Einrichtungen von ISAF und NATO,
    - unter besonderem Schutz von ISAF stehenden Personen und Hilfsorganisationen und deren Einrichtungen und Material.


    Nur wenige Tage nach dem tragischen Vorfall besucht Verteidigungsminister Franz-Josef Jung Afghanistan. Er entschuldigt sich persönlich bei Präsident Hamid Karsai für den Tod der drei Zivilisten. Das Verteidigungsministerium zahlt der Familie eine Entschädigung, im Gegenzug sichert der Clan zu, auf Blutrache zu verzichten. Zur gleichen Zeit beginnt die Staatsanwaltschaft in Deutschland mit Ermittlungen gegen den Todesschützen. Sein Anwalt Klaus Lübke:

    "Das deutsche Strafrecht sieht für Auslandsstraftaten vor, dass die Staatsanwaltschaften zu ermitteln haben. Und das Wehrstrafgesetz greift das noch einmal konkret auf, so dass an der Zuständigkeit für eine Staatsanwaltschaft keine Zweifel bestehen."

    Die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft am Wohnort des beschuldigten Soldaten, in diesem Fall Frankfurt/Oder. Dort gibt man sich zugeknöpft - zum laufenden Verfahren erhält man nur spärliche Auskünfte. Lediglich soviel: es wird vom Schreibtisch aus recherchiert. Doch können die Beamten ausreichend ermitteln, ohne je am Tatort gewesen zu sein? Anwalt Lübke hält diese Vorgehensweise grundsätzlich für nicht ausreichend. Eine direkte Untersuchung des Tatortes in Afghanistan sei notwendig, aber rechtlich nicht so ohne weiteres machbar.

    "Nach dem Strafprozessrecht und der Strafprozessordnung meine ich, dass es nötig wäre. Wenn man ein sauberes Ergebnis haben möchte, gehört dazu auch Tatortermittlung, Auswertung des dort gefundenen Materials usw. usf."

    Auf dem Schreibtisch der Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Oder liegt ein umfangreicher Abschlussbericht der Feldjäger, die am Tatort ermittelt haben. Eine Obduktion der drei toten Zivilisten ist aus religiösen Gründen nicht erfolgt. Die Staatsanwaltschaft hat den Beschuldigten und einige Zeugen vernommen, als nächstes beabsichtigt sie die Nachstellung des Vorfalls auf einem deutschen Truppenübungsplatz. Danach wird die Staatsanwaltschaft entscheiden: Entweder wird das Verfahren gegen den Oberfeldwebel der Bundeswehr eingestellt, oder es kommt zu einer Anklage wegen Totschlags bzw. fahrlässiger Tötung. Der Anwalt des Beschuldigten hat vor kurzem die Einstellung des Ermittlungsverfahrens beantragt.

    "Und zwar nach Paragraph 170, Absatz 2 Strafprozessordung. Hat zum Hintergrund, dass die Staatsanwaltschaft zu einem bestimmten Punkt die Anklage erheben soll und muss, wenn das Material ausreicht. Reicht es nicht aus, hat sie das Verfahren einzustellen. Ich bin der Ansicht, das Material reicht nicht aus, deswegen habe ich eine Einstellung des Verfahrens beantragt."

    Der Anwalt nennt weitere Gründe für eine von ihm erhoffte Einstellung des Ermittlungsverfahrens: Sein Mandant sei von einem Angriff auf seine Kameraden ausgegangen, deswegen habe er das Feuer auf das Fahrzeug eröffnet, in dem sich die Zivilisten befanden. Der Oberfeldwebel habe also aus Notwehr gehandelt.

    "Das ist der berühmte Notwehrparagraph, der hier meines Erachtens eine Rolle spielt. Und ob die Staatsanwaltschaft meiner Auffassung folgt oder der Ansicht sein könnte, dass dieser Notwehrparagraph nicht erfüllt ist, dann wird sie möglicherweise zu einer Anklage kommen, und dann wird sie auch in einem ganz normalen Gerichtsprozess zeigen, ob das Material insgesamt ausgereicht hat."

    Dieses Verfahren läuft formal nach dem Grundsatz, dass soldatisches Handeln strafrechtlich geprüft wird, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt für Taten, die ein Soldat einsatzbedingt verübt oder auch verüben muss, wie auch für solche, die er im "normalen" Dienst oder privat begeht. Damit trägt die Bundeswehr dem Grundsatz des Staatsbürgers in Uniform Rechnung, also dem Prinzip, dass Soldaten wie jeder andere Bürger auch in ihrem Handeln deutschem Recht unterliegen.

    Solange die Bundeswehr nur in Deutschland stationiert war, waren die Ereignisse, die zu einem solchen Ermittlungsverfahren führten, in der Regel nicht einsatzbedingt. Zwar gab es Vorfälle im Zusammenhang mit Manövern und Übungen, es waren Fälle, die unter den Begriff Fahnenflucht fielen, aber einen direkten Zusammenhang zu Dienstpflichten gab es selten. Mit Beginn der Auslandsmissionen 1992 hat sich dies geändert. Bundeswehrsoldaten operieren seitdem unter Einsatzbedingungen und unter Einsatzregeln, die von der UNO vorgegeben werden. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jörg van Essen beklagt:

    "Wir sind jetzt Einsatzarmee, und die Bundeswehr ist einsatzfest gemacht worden. Der einzige Bereich, wo wir keine Einsatzfestigkeit haben, ist die Justiz."

    Der erste öffentlich beachtete Vorfall ereignete sich während des Somalia-Einsatzes der Bundeswehr, als sich ein junger Somali am Grenzzaun des Bundeswehrlagers in Belet Huen zu schaffen machte. Nach mehreren Warnrufen und Warnschüssen erschoss ihn ein Wachsoldat. Damals ermittelte die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den Schützen, weil das Heeresführungskommando der Bundeswehr mit Sitz in Koblenz diesen Einsatz führte. Dieses Ermittlungsverfahren war allerdings nach einem Tag eingestellt. Der Soldat blieb straffrei, weil er sich entsprechend den Einsatzregeln der Bundeswehr verhalten hatte. Die Absicherung eines militärischen Sicherheitsbereichs durch Schusswaffengebrauch ist auch nach deutschem Recht zulässig. Durch den Somali hätte eine Gefahr für das Lager und damit für die Soldaten entstehen können.

    Ähnlich schnell endeten die Ermittlungen in dem bisher spektakulärsten Fall: Als die Bundeswehr im Juni 1999 nach dem Kosovo-Krieg in die Unruheprovinz einrückte, raste in Prizren ein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit auf einen neu eingerichteten Bundeswehrposten zu. Dieser eröffnete das Feuer, zwei Menschen in dem Fahrzeug wurden schwer verletzt, dann aber auch sofort durch die Bundeswehrmediziner versorgt. Gegen die Schützen wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet, das alsbald wieder eingestellt wurde: Die Soldaten hatten sich ordnungsgemäß verhalten und waren in einer konkreten Notsituation.

    Mittlerweile haben Staatsanwälte rund 140mal im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen Verfahren gegen Soldaten eröffnet. Zur Anklage ist kein einziger gekommen. Die Bundeswehrsoldaten haben sich im Einsatz bisher immer nach den Regeln verhalten, die als "Rules of Engagement" international vereinbart, von den Vereinten Nationen bestätigt sind und denen die Bundeswehrführung nur zustimmen kann, wenn sie nicht gegen deutsches Recht verstoßen.

    Das aktuelle Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder ist das bislang längste, dem sich ein Bundeswehrsoldat wegen eines einsatzbedingten Vorfalls ausgesetzt sah. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan äußert sich nicht offiziell zu diesem Verfahren, aber dass die lange Dauer des Ermittlungsverfahrens für ihn schwer zu verstehen ist, wird trotzdem deutlich:

    "Dass ein Soldat, wenn er es für notwendig hält, meistens junge und niedrige Dienstgrade, sich entscheidet, die Waffe zu benutzen, dann muss er auch wissen, dass er nicht als Depp der Nation am Ende dasteht."

    Die Soldaten werden im Rahmen ihrer Einsatzausbildung darüber informiert, dass bei einem Vorfall wie bei diesem in Kundus staatsanwaltschaftliche Ermittlungen anstehen. Ihnen wird aber auch gesagt, dass sie sich in der Regel keine Sorgen machen brauchen, wenn sie sich an die Einsatzregeln halten.

    So lange strafrechtliche Ermittlungen zügig abgeschlossen waren, blieben diese ohne große Auswirkungen auf die Stimmung in der Truppe. Die lange Dauer des jetzigen Verfahrens aber sorgt für verwunderte Fragen der Soldaten. Für die Bundeswehrführung ist es daher enorm wichtig, Klarheit zu schaffen. Schließlich müssen die Soldaten darauf vertrauen können, dass ihnen nur bei Regelverstößen strafrechtliche Sanktionen drohen. Andernfalls sind sie in einer konkreten Situation kaum handlungsfähig.

    In Kundus, so die Sachdarstellung, haben die Soldaten so gehandelt, weil ihnen ein Hinweis vorlag, dass ein Fahrzeug mit Waffen im Umfeld dieses Checkpoints unterwegs sei. Als dieses Fahrzeug auf entsprechende Anrufe nicht reagierte, musste nach den Rules of Engagement eingegriffen werden. Hätten die Soldaten das nicht getan und beispielsweise einen Waffentransport, der ihnen angekündigt war, durchgelassen, hätte dies ebenfalls zu Ermittlungen geführt - es hätte ein Dienstvergehen vorliegen können.

    Das Verteidigungsministerium hat ein großes Interesse daran, dass solche Ermittlungsverfahren schnell abgeschlossen werden. Das Bewusstsein dafür ist in den letzten Monaten deutlich geschärft worden. Abgeordnete, hohe Offiziere und viele, die mit Soldaten diskutieren, stellen fest, dass solche Strafverfahren für viel Verunsicherung sorgen - gerade bei denjenigen Soldaten, die sich in der Ausbildung befinden.

    Die Bundeswehr hat hier lange ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Es fehlte das nötige Bewusstsein, vielleicht auch, weil die Sachverhalte bisher zu klar waren und die Staatsanwälte schnell entschieden haben. Die Ermittlungen der Staatsanwälte in Frankfurt/Oder haben nun dazu geführt, dass die Bundeswehrführung Handlungsbedarf sieht.

    Die Hauptforderung der Bundeswehrführung richtet sich darauf, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft zu schaffen, die alle einsatzbedingten Fälle ermitteln sollte. Der Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Christian Schmidt:

    "Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft wäre eines der Modelle. Wir haben dies auch für andere Bereiche, Wirtschaftskriminalität, Computerkriminalität und andere. Man kann sich auch vorstellen, und darüber reden wir auch gegenwärtig in der Bundesregierung, ob wir eine gerichtliche Zuständigkeit für solche Auslandsstraftaten schaffen kann."

    Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan dagegen legt sich fest:

    "Eine Staatsanwaltschaft, die für uns zuständig wäre, und in der dann auch die staatsanwaltschaftliche Kompetenz angesiedelt ist, würde mir eigentlich reichen."

    Bei einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft würden dann alle Verfahren, die im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen stehen, behandelt. Der Vorteil einer solchen Kompetenzbündelung wäre: Die dort tätigen Juristen könnten sich das nötige Fachwissen aneignen und dann im Lichte dieses Erfahrungsschatzes besser beurteilen, ob sich der Soldat den Vorschriften entsprechend verhalten hat.

    Bei den Ermittlungen in einer Strafsache ist ein wesentliches Element die Inaugenscheinnahme des Tatorts. Insofern müsste eigentlich die Polizei, die der Staatsanwaltschaft in solchen Fällen zugeordnet ist, vor Ort ermitteln. Das aber ist unrealistisch. Die zuständigen Innen- und Justizminister genehmigen entsprechende Dienstreisen nicht, weil die Lage am Tatort viel zu gefährlich ist. Und auch die afghanischen Behörden würden einer solchen Ermittlung auf ihrem Staatsgebiet durch ausländische Beamte kaum zustimmen.


    Nun hat die Bundeswehr zwar Militärpolizisten im Einsatz, die aber für die Ermittlung am Tatort zunächst nicht ausgebildet sind. Mittlerweile werden diese trotzdem immer mehr als Gehilfen der Staatsanwaltschaft im Einsatzland genutzt - so wie jetzt auch in Kundus. Die Bundeswehr hat diesem Umstand mittlerweile Rechnung getragen und bildet Feldjäger, die in den Einsatz gehen, in Sonthofen zusätzlich für die Ermittlungsaufgaben vor Ort aus. So können die Erkenntnisse am Tatort doch noch in die Ermittlungen einfließen.

    Ein weiteres bedeutsames Element der deutschen Rechtsordnung ist, dass der Betroffene die Gelegenheit bekommt, mit einem Anwalt seiner Wahl Kontakt aufzunehmen. Das Verteidigungsministerium hat erst mit dem jetzt aktuellen Fall entschieden, dass die Bundeswehr den Soldaten zunächst einmal Rechtsschutz finanziert. Erst, wenn ein Soldat rechtskräftig verurteilt ist, wenn er seine Tat also bewusst und vorsätzlich begangen hat, muss er die Anwaltskosten zurückzahlen.

    Bis jetzt sind die Fälle, die sich im Umfeld der Bundeswehr ereignet haben, juristisch handhabbar gewesen. Noch aber ist die Bundeswehr nicht in ein Gefecht verwickelt worden, das dann zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen geführt hat. Der frühere Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, stellt sich eine Lage vor, in der Bundeswehrsoldaten gegen ein Dorf vorgehen müssen, in dem sich Taliban verschanzt haben. Am Ende, so beschreibt er diese Lage könnte es 90 Tote geben. In einer solchen Gefechtssituation ist später nicht mehr nachvollziehbar, wer in welcher konkreten Situation wie gehandelt hat. Für Staatsanwälte sind solche Abläufe kaum juristisch aufzuarbeiten. Bernhard Gertz:

    "Wenn ein deutscher Staatsanwalt versuchen würde, eine solche Situation mit den Mitteln des deutschen Strafrechts aufzuarbeiten, ohne zum Beispiel Tatortfeststellungen, z.B. vor Ort machen zu können. Deswegen haben andere Nationen, die in militärischen Konflikten nach 1945 Erfahrungen gesammelt haben und stärker engagiert gewesen sind, ein Militärstrafrecht und haben andere Formen der Aufarbeitung solcher Vorfälle, bei denen auch die, die daran arbeiten, mit einer besseren Expertise versehen sind als Staatsanwälte, die sich mit Kriminalstraftaten, wie sie in unserem Inland täglich passieren, beschäftigen. Da gibt es doch eine große Herausforderungen für die Justiz, und ob sie das mit den Mitteln des normalen Strafrechts bewältigen kann, da habe ich meine berechtigten Zweifel."

    An Überlegungen, eine Militärgerichtsbarkeit einzuführen, will sich General Schneiderhan indes nicht beteiligen:

    "Das andere scheint mir eine so belastende Diskussion zu werden, mit Militärstrafrichtern, i komm aus Baden-Württemberg","

    spielt er auf die Vergangenheitsdiskussion um den ehemaligen Ministerpräsidenten Filbinger an, der als Militärstrafrichter noch unmittelbar nach dem Krieg ein Todesurteil gefällt und auch vollstreckt hat. Dass Militärstrafgerichte in Deutschland historisch belastet sind, macht die Debatte darum nicht einfacher. Bernhard Gertz will:

    ""Dass wir darüber ernsthaft diskutieren ohne die historischen Vorurteile und ohne Scheuklappen und uns die Frage stellen, ob es wirklich gelingen kann, eine solche Operation mit der Staatsanwaltschaft wirklich aufarbeiten zu können."

    Das Grundgesetz erlaubt die Einrichtung einer Militärstrafgerichtsbarkeit, aber bisher hat die Politik noch keinen Gebrauch davon gemacht. Obwohl der Aufbau einer Militärstrafgerichtsbarkeit auch rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht werden kann, wie viele Nato-Partner zeigen. Unter deutschen Politikern jedoch überwiegt die Skepsis, so beispielsweise bei Staatssekretär Schmidt:

    "Natürlich gibt es kein Sonderrecht für einen Soldaten, er muss sich an Recht und Gesetz halten. Aber Recht und Gesetz in einer kriegerischen Auseinandersetzung, in einer kämpferischen Auseinandersetzung sind zwangsläufig anders gewichtet als im ganz normalen Leben und diese Unterscheidung muss zu Gunsten der Soldaten dann auch berücksichtigt werden. Wir gehen davon aus, dass natürlich auch die Staatsanwaltschaften in der Lage sind, das zu tun. Wir denken deswegen eben nicht an gesonderte Strukturen."

    Noch in dieser Legislaturperiode, also in diesem Sommer, sollen nach dem Willen des Verteidigungsministeriums neue Regeln Gesetz werden. Dazu gehört vor allem die Bildung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft. Grundlage dafür könnte ein Antrag sein, den die FDP-Fraktion bereits vor drei Jahren im Bundestag eingebracht hat: Danach soll die Staatsanwaltschaft Potsdam zuständig sein. In Potsdam hat das Einsatzführungskommando der Bundeswehr, das die Einsätze im Ausland führt, seinen Sitz. Ob es gelingt, dieses Vorhaben noch vor der Bundestagswahl umzusetzen, ist allerdings ungewiss.