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Soli für den Westen
"Unterstützen, wo der Bedarf am größten ist"

Die rot-grünen Landesregierungen wollen den Solidaritätszuschlag ab 2020 auch den westlichen Bundesländern zur Verfügung zu stellen. Eine gute Nachricht, meint der Stadtkämmerer von Oberhausen, Apostolos Tsalastras, im DLF. Unterstützungsleistungen sollten nicht nach Himmelsrichtung verteilt werden, sondern nach Bedarf.

Apostolos Tsalastras im Gespräch mit Peter Kapern | 25.11.2014
    Der SPD-Politiker Apostolos Tsalastras spricht am 14.11.2009 auf dem SPD-Bundesparteitag in der Messe Dresden zu den Delegierten.
    Der Stadtkämmerer von Oberhausen, Apostolos Tsalastras (SPD) (dpa / Peter Kneffel)
    Peter Kapern: Als Sie jetzt von den Forderungen der SPD und der Grünen gehört haben, den Soli-Zuschlag zu einem Bestandteil der Einkommenssteuer zu machen, wovon dann ja auch die Länder und die Kommunen profitieren würden, was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?
    Apostolos Tsalastras: Ich habe das direkt als eine gute Botschaft empfunden und ein bisschen Hoffnung geschöpft, dass das, was wir seit vielen, vielen Jahren fordern, jetzt endlich auch in die Tat umgesetzt wird, dass Unterstützungsleistungen nicht mehr nach der Himmelsrichtung verteilt werden, sondern nach Bedarf, und ich denke, das ist ein guter und richtiger Ansatz.
    Kapern: Warum sollen eigentlich Menschen in Bayern oder Sachsen für die finanziell marode Stadt Oberhausen zahlen?
    Tsalastras: Es geht nicht um Oberhausen als solches, sondern es ist so, dass wir sehr viele Regionen in der Bundesrepublik haben, die große strukturelle Probleme haben: Zum einen eine hohe Arbeitslosigkeit, hohe soziale Kosten, höher als in anderen Regionen, und auf der anderen Seite durch den Strukturwandel geringe staatliche und städtische Einnahmen, was den Bereich der Gewerbesteuer angeht, weil hier viele Unternehmen weggegangen sind und das nie wieder aufgeholt werden konnte. Und da sind wir in Oberhausen nicht alleine; das ist das gesamte Ruhrgebiet, das sind die großen Städte in Rheinland-Pfalz, das Saarland, Städte in Hessen, in Niedersachsen und natürlich viele Städte im Osten, die es genauso betrifft. Und ich glaube, da ist es nur richtig zu schauen, wo ist der Bedarf am größten und wo müssen wir unterstützen.
    Kapern: Sie haben gesagt, das können die Kommunen gar nicht alleine schaffen. Ich füge hinzu, das müssen sie auch gar nicht. Das Land Nordrhein-Westfalen hat beispielsweise ein Programm gestartet, um verschuldeten Kommunen zu helfen. Reicht das nicht?
    Tsalastras: Das reicht deshalb nicht, weil das Programm des Landes ist keine strukturelle Hilfe, sondern eine temporäre Unterstützung, damit wir mit unseren eigenen Sparbemühungen ein Stück weit unsere Probleme meistern können. Aber es hilft uns nicht strukturell. Das sind keine Mittel, die wir bekommen, weil wir so hohe Soziallasten haben, und die laufen im Jahr 2020 aus.
    "Sinkende Steuereinnahmen, steigende Arbeitslosenausgaben"
    Kapern: Ist es denn tatsächlich so, dass Oberhausen so stark spart? Wenn man sich die Gesamt-Steuereinnahmen der öffentlichen Hand in Deutschland anschaut, dann waren die ja nie so hoch wie derzeit.
    Tsalastras: Das ist richtig. Aber das gilt für Oberhausen nicht. Wir haben sinkende Steuereinnahmen. Wir haben steigende Arbeitslosenausgaben im Rahmen der Kosten der Unterkunft. Das bedrängt uns sehr. Das gilt für andere Regionen in Deutschland nicht. Wir haben im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung woanders steigende Steuereinnahmen und sinkende Sozialausgaben. Das trifft für uns nicht zu.
    Kapern: Was würde denn nun die Einbeziehung des Solidaritätszuschlages in die allgemeine Einkommenssteuer der Stadt Oberhausen helfen? Wäre Oberhausen damit in Windeseile eine blühende Landschaft?
    Tsalastras: Nein, natürlich nicht mit Windeseile. Wir müssten unsere Sparbemühungen weiter fortsetzen. Das würde dadurch nicht aufgehoben. Aber wir würden, wenn die Mittel dann auch bei den Kommunen ankommen, eine gewisse gesundere Basis bekommen, was unsere finanziellen Einnahmen angeht, und könnten da wieder investieren, wo wir im Augenblick nicht investieren können.
    Kapern: Können Sie schon übersehen, wie sehr Oberhausen geholfen sein würde mit einer solchen Gesetzesänderung?
    Tsalastras: Das können wir nicht, weil wir kennen die Details nicht. Es hängt jetzt davon ab, wie die Verteilungsmechanismen sein werden, was in den Ländern und bei den Kommunen ankommt. Da müssen wir jetzt auf die Details warten. Da müssen wir auch genau aufpassen, dass nicht ein Großteil der Mittel bei den Ländern hängen bleibt und nicht bis an die Kommunen kommt, die es dringend brauchen. Da werden wir genau aufpassen und das auch genau verfolgen.
    Kapern: Haben Sie denn auch eigentlich einen Gedanken übrig für all jene Steuerzahler in Deutschland, die vor 25 Jahren gebeten worden sind, die Kosten des Aufbaus Ost zu stemmen, und die jetzt feststellen müssen, dass diese Aufgabe eigentlich weitestgehend gelöst ist und sie trotzdem weiter gemolken werden sollen vom Fiskus?
    Tsalastras: Ja, habe ich, weil wir als Stadt ja genauso gemolken wurden, weil wir haben ja in den Fonds deutsche Einheit auch eingezahlt. Wir haben als Stadt Oberhausen in den Jahren, in den 25 Jahren über 200 Millionen Euro eingezahlt. Dafür mussten wir immer Kredite aufnehmen, weil wir das Geld selber nicht hatten, was auch schon sehr kurios ist. Und wenn man die Zinsen mit berechnet, dann waren das über 300 Millionen Euro, die uns das gekostet hat, was wir gemacht haben aus Solidarität für diejenigen, die jetzt auch aufgrund der deutschen Einheit aufholen mussten. Aber jetzt wird es Zeit, dass auch mal diejenigen bedacht werden und in den Fokus geraten, die in den vielen Jahren andere und eigene strukturelle Probleme haben.
    "Die Bereitschaft, Geld umzuverteilen ist gering"
    Kapern: Und dass der Staat lernt, mit dem Geld, das er bekommt, auch auszukommen - das ist ja immerhin, ich sage es noch einmal, das höchste Steueraufkommen aller Zeiten - das halten Sie nicht für eine Alternative?
    Tsalastras: Doch, das würde ich auch für eine Alternative halten, wenn das Geld anders verteilt würde. Aber die Bereitschaft, Geld umzuverteilen und Geld abzugeben, ist relativ gering. Wenn Sie überlegen: In Nordrhein-Westfalen gibt es einen Kommunal-Soli, der jetzt eingeführt werden soll, gegen den die Kommunen, die reicher sind als die anderen, die den zahlen sollen, klagen. Das werden Sie nie durchbekommen, dafür kriegen Sie keine Mehrheiten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.