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Soli-Pläne der Union
"Merkel hat die Richtlinienkompetenz"

Der Vorschlag der Bundeskanzlerin, den Solidaritätszuschlag schrittweise abzubauen, sei richtig, sagte Michael Fuchs, Vizefraktionschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im DLF. Der Plan von Finanzminister Wolfgang Schäuble, den Soli in die Einkommenssteuer einzubauen, sei vom Tisch.

Michael Fuchs im Gespräch mit Christoph Heinemann | 06.03.2015
    Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender CDU/CSU-Bundestagsfraktion
    "Der Weg ist richtig, die Bürger zu entlasten, wenn Geld da ist", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion im Deutschlandfunk. (imago/Michael-Stauffenberg)
    Aufgrund der steigenden Steuereinnahmen könne sich Deutschland den schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags auch leisten, betonte der CDU-Politiker im Interview mit dem Deutschlandfunk. Die für die Erhaltung der Infrastruktur notwendigen Mittel seien vorhanden.
    Darüber hinaus sei eine Abschaffung auch aus verfassungsrechtlichlichen Gründen notwendig. Fuchs betonte, Bundeskanzlerin Merkel habe die Richtlinienkompetenz, Finanzminister Schäuble müsse sich dem beugen. Schäuble hatte sich gegen die Abschaffung des Solis ausgesprochen.
    Den Solidaritätszuschlag gibt es seit 1991. Noch im Dezember vergangenen Jahres hatte Merkel angekündigt, auch nach 2019 am Solil festzuhalten.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: "Soli me tangere", eine Verballhornung - Pardon, liebe Lateiner. Keiner rühre den Solidaritätszuschlag an. Denn das Geld wird noch gebraucht, erklärte Angela Merkel im Dezember.
    Angela Merkel: "Wir werden auf jeden Fall auf die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag auch nach dem Auslaufen des Solidarpakts angewiesen sein."
    Heinemann: Drei Monate später im März heißt es: "April, April, der Soli soll ab 2020 schrittweise abgebaut werden." Das meint zumindest der Unions-Teil der Großen Koalition. Das verstehe wer will.
    Am Telefon ist Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    "Ab 2020 wollen wir langsam den Soli zurückführen"
    Heinemann: Herr Fuchs, wir haben jetzt alle möglichen Herren gehört: Seehofer, Schäuble, Gabriel. Wissen Sie, was Frau Merkel will?
    Fuchs: Das hat sie doch sehr deutlich gesagt. Sie hat gesagt, wir bauen den Soli langsam ab. Wir brauchen ihn noch und auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass über eine längere Frist es durchaus möglich ist, den Soli abzuschaffen.
    Das halte ich auch für richtig, denn es ist auch allerhöchste Zeit. Mal abgesehen davon, dass wir ansonsten vermutlich wieder Ärger mit dem Bundesverfassungsgericht bekommen hätten, ist der Weg richtig, die Bürger zu entlasten, wenn Geld da ist. Und die Situation in Deutschland ist gut. Die ist viel besser, als wir es selber vor einigen Monaten noch angenommen haben. Die Steuereinnahmen sprudeln und dann kann man eine solche Planung auch ausstellen.
    Ich denke, dass Finanzminister Schäuble das sehr seriös machen wird, und die Länder müssen eben sich um ihre Haushalte kümmern.
    Der Soli war immer eine Bundessteuer und keine Ländersteuer. Er wurde an die neuen Bundesländer weitergereicht, das wird auch noch eine ganze Zeit lang so sein, denn der Vertrag läuft ja erst 2019 überhaupt aus. Und ab 2020 wollen wir langsam den Soli zurückführen. Ich halte das für richtig.
    Heinemann: Einen gewissen Unterschied erkennen Sie schon zwischen dem, was Frau Merkel im Dezember gesagt hat, und was jetzt auf einmal diskutiert wird?
    Fuchs: Nein. Sie hat im Dezember - Sie haben es ja eben selber vorgespielt - gesagt, ...
    Heinemann: Deshalb!
    Fuchs: ... , dass sie den Soli noch auf längere Zeit sieht. Das ist ja auch der Fall. Ich meine, wenn Sie den Soli um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr abbauen, dann ist das elf Jahre, bis der Soli weg ist. Das heißt, man kann also nicht davon ausgehen, dass der Soli sofort abgeschafft wird, sondern über einen Zeitraum von elf Jahren. Vielleicht geht es ein bisschen schneller, das wäre erfreulich.
    "Wir brauchen einen flächendeckenden Breitbandausbau"
    Heinemann: Braucht das Land die Einnahmen aus dem Soli?
    Fuchs: Ja, glaube ich schon. Ich meine, Sie haben ja eben selber Länder angesprochen, die Probleme mit ihrer Infrastruktur haben. Die Infrastruktur in Deutschland ist in vielen Bereichen marode. Wer viel - und das muss ich - über Autobahnen fährt, der sieht das anhand der Baustellen beziehungsweise auch anhand der schlechten Zustände, die viele Straßen haben. Da sehe ich Notwendigkeiten.
    Ich sehe auch noch eine andere Notwendigkeit: Wir brauchen einen flächendeckenden Breitbandausbau. Das gehört heute einfach dazu. Internet muss faktisch zu vernünftigen Download-Zeiten in jeden Haushalt rein. Daran werden wir arbeiten.
    Heinemann: Wie lässt man den Soli auslaufen und sichert gleichzeitig die Einnahmen aus dem Soli? Das habe ich noch nicht verstanden.
    Heinemann: Die Situation ist so, dass wir steigende Steuereinnahmen sowieso haben. Das heißt, wir sind über die steigenden Steuereinnahmen auf der anderen Seite so abgesichert, dass wir uns das leisten können, den Soli abzubauen.
    Heinemann: Wolfgang Schäuble hat ja überlegt, den Soli in die Einkommenssteuer einzugliedern. Ist das vom Tisch?
    Fuchs: Das ist, glaube ich, dann vom Tisch, denn die Richtlinienkompetenz hat die Bundeskanzlerin. und sie hat nun ziemlich deutlich vorgegeben, wie sie sich das vorstellt, nämlich dass der Soli über einen Zeitraum von etlichen Jahren abgebaut werden soll, und zwar etwa in dem Stil, wie auch die Steuereinnahmen wachsen.
    Merkel hat "die Richtlinienkompetenz"
    Heinemann: Sind Sie sicher, dass die Bundeskanzlerin die Richtlinienkompetenz innehat und nicht etwa CSU-Chef Seehofer?
    Fuchs: Da gehe ich von aus. Ich kenne die Bundeskanzlerin sehr gut und ich weiß genau, wer die Richtlinienkompetenz hat, und das ist auch gut so und das soll auch so bleiben.
    Heinemann: Warum dreht sich Frau Merkel bei jeder Pirouette aus Bayern mit?
    Fuchs: Das ist keine bayerische Pirouette gewesen. Das sind Diskussionen, die innerhalb der Regierung angestellt werden. Das ist normal, dass man unterschiedliche Vorschläge hat. Schäuble sagt, wir können darüber nachdenken, das in die Einkommenssteuer zu integrieren, einige sagen, komplett direkt abschaffen, geht nicht, weil die Einnahmen dann zu stark ausfallen würden.
    Auf der anderen Seite halte ich den Vorschlag, ihn abzuschmelzen, so wie es jetzt die Kanzlerin gemacht hat, für richtig.
    "Koalitionen haben immer die Notwendigkeit der Diskussion"
    Heinemann: Sie sprechen von Diskussionen, Sie sind ein sehr höflicher Mensch. Geht Ihnen Horst Seehofer gelegentlich auf die Nerven?
    Fuchs: Nein, um Gottes willen! Horst Seehofer ist bayerischer Ministerpräsident und hat seine bayerischen Vorstellungen. Dass er das ein oder andere Mal anders liegt in seinen Vorstellungen als die Unions-Fraktion oder die SPD, das liegt in der Natur der Sache.
    Koalitionen haben immer die Notwendigkeit der Diskussion und das sollten wir auch nicht überbewerten.
    Heinemann: Genau! Und vielleicht auch eines pfleglichen Umgangs miteinander. - Die SPD ist auf dem jüngsten Koalitionsgipfel offenbar völlig überrascht worden von dieser jüngsten Volte. Ist das ein guter Umgang mit dem Koalitionspartner?
    Fuchs: Die SPD überrascht uns ja nun auch permanent mit irgendwelchen Dingen. Das kann schon mal passieren, dass dann ein Vorschlag gemacht wird. Aber überraschend ist das doch nicht. Die Diskussion über den Soli läuft doch schon ein halbes Jahr, und ich denke mal, dass man da nicht unbedingt überrascht sein kann, wenn die Kanzlerin einen Vorschlag macht. Ich halte das für ein normales Vorgehen in einer Koalition.
    "Wir sollten schon das eine oder andere verbal abrüsten"
    Heinemann: Sieht Herr Gabriel ein bisschen anders.
    Fuchs: Aber Sie haben Recht: Wir sollten schon das eine oder andere verbal abrüsten. Aber ich glaube, da ist die SPD mehr gefordert. Wenn Sie sich die dämlichen Sprüche von Frau Fahimi anhören zu den mittelständischen Unternehmern, von denen sie sagt, entweder Gauner oder doof, weil sie nicht in der Lage wären, die Mindestlohnanforderungen auszufüllen, dann ist das notwendiges verbales Abrüsten. So was sollte nicht geschehen. Hier Unternehmer pauschal in dieser Weise zu behandeln, halte ich für ausgesprochen schlecht und das darf eigentlich in einer Koalition auch nicht passieren.
    "Das ist CDU pur"
    Heinemann: Herr Fuchs, ist die Soli-Überraschung - ich bleibe mal bei dem Wort - eine Rache der Union an der SPD? CDU und CSU haben ja in der GroKo bisher nicht viel zustande gebracht.
    Fuchs: Das sehe ich nicht so. Wir haben einiges zustande gebracht. Wir haben zum Beispiel endlich einen ausgeglichenen Haushalt. Diese Koalition und vor allen Dingen Wolfgang Schäuble, der Finanzminister, hat es erstmalig fertig gebracht, den Haushalt wieder auszugleichen. Das ist ein riesiger Erfolg.
    Gucken Sie sich alle europäischen Länder an. Nennen Sie mir ein einziges, was einen ausgeglichenen Haushalt außer uns fährt, und zwar nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt. Wir haben im letzten Jahr sogar erstmalig Schulden getilgt, also eine Politik gemacht, die für zukünftige Generationen sinnvoll ist. Da können wir eigentlich stolz drauf sein und das ist CDU pur. Das haben wir vor der Wahl angekündigt und wir haben es schneller erreicht, als wir selbst gedacht haben.
    Heinemann: Und nennen Sie mir ein zufriedenes Mitglied der Unions-Bundestagsfraktion, angesichts von Mindestlohn, Rente mit 63, Mietpreisbremse, Frauenquote.
    Fuchs: Natürlich gibt es da eine ganze Reihe von Punkten, die mir nicht gefallen, mir auch. Speziell als Wirtschaftspolitiker bin ich beim Mindestlohn zumindest in der Ausführung, was die Bürokratie angeht, nicht begeistert. Das muss auch noch geändert werden. Die Kanzlerin hat gesagt, dass wir nach Ostern erneut darüber sprechen, und wir werden nach Ostern Lösungen finden, die die Bürokratie, die zusätzliche und überflüssige Bürokratie abbauen. Das müssen wir halt machen.
    Ansonsten war ja der Mindestlohn nun mal in den Koalitionsvereinbarungen drin, das war nicht zu ändern. Und die anderen Dinge, die Sie angesprochen haben, stehen auch alle im Koalitionsvertrag drin, und da müssen wir halt eben vertragstreu sein.
    "Wir werden da eine gemeinsame Lösung in dieser Koalition finden"
    Heinemann: Sigmar Gabriels Begriff der 180-Grad-Wende war nicht gerade als Kompliment gemeint. Wird der Ton in der Koalition rauer?
    Fuchs: Ich denke das nicht. Sigmar Gabriel hat ja dann einen halben Tag später schon selber gesagt, man könne über einen solchen Schritt nachdenken. Also ich glaube, wir werden da eine gemeinsame Lösung in dieser Koalition finden, so wie wir das ja bis jetzt bei vielen anderen Dingen auch gemacht haben.
    Heinemann: Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Fuchs: Danke schön, Herr Heinemann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.