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Solidarität unter Nachbarn

Am 4. August 2011 wurde in Minsk der angesehene Menschenrechtler Ales Bialiatskij verhaftet und zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Für den Jahrestag haben Weißrusslands älteste Menschenrechtsorganisation und russische Oppositionelle zur internationalen Solidarität aufgerufen.

Von Gesine Dornblüth | 03.08.2012
    Eine Kundgebung im Moskauer Stadtzentrum vor wenigen Tagen. Eigentlich geht es um die Verfolgung russischer Regierungsgegner, doch der Redner Jurij Dschibladze hält ein Plakat mit der Aufschrift "Weißrussland" hoch. Unermüdlich setzt sich der Leiter des Zentrums für Demokratieentwicklung für die Rechte der Zivilgesellschaft im Nachbarland ein – ganz so, als hätte die russische Zivilgesellschaft momentan keine eigenen Sorgen.

    "Putin will auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion ein autoritäres Imperium aufbauen, unter seiner Kontrolle.
    Wir alle müssen verstehen: Je mehr Freiheiten unsere Nachbarn haben, desto mehr Freiheiten haben auch wir in Russland."

    Russische Menschenrechtler wollen am morgigen Sonnabend vor der Botschaft Weißrusslands in Moskau demonstrieren. Menschenrechtler aus vielen Ländern haben den 4. August zum Tag der internationalen Solidarität mit der weißrussischen Zivilgesellschaft erklärt. Auch in Deutschland sind an diesem Tag Aktionen geplant. In Weißrussland selbst können dagegen keine Kundgebungen stattfinden. Präsident Alexander Lukaschenko regiert autoritär und lässt Kritikern keinen Raum. Walentin Stefanowitsch vom Menschenrechtszentrum Wiasna in Minsk:

    "Wir haben Filialen in mehr als einem Dutzend Städten in ganz Weißrussland. Jede Filiale hat in ihrer Stadt eine Kundgebung für den 4. August beantragt. Wir waren sogar bereit, irgendwelche abgelegenen Orte am Stadtrand zu akzeptieren, denn in den Zentren lässt man uns ohnehin nicht demonstrieren. Nicht eine einzige Aktion wurde genehmigt."

    Der Chef von Wiasna, Ales Bialiatskij, sitzt derzeit etwa hundert Kilometer von Minsk entfernt in einem Straflager. Er muss dort in einer Näherei arbeiten und fertigt Uniformteile für Polizisten – ausgerechnet. Seine Mitarbeiter hatten gehofft, Bialiatskij werde eventuell in diesem Sommer freikommen. Das Parlament Weißrusslands hat kürzlich ein Amnestiegesetz verabschiedet. Danach können mehrere Tausend Verbrecher vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen werden. Doch die politischen Gefangenen fallen nicht darunter. Bialiatskij erhielt im Gegenteil kürzlich den Status eines Aufwieglers. Er war beim Mittagessen eingeschlafen und hatte damit gegen Lagervorschriften verstoßen. Damit ist er auch formal von einer Amnestie ausgeschlossen. Und die Lagerverwaltung schikaniert den Menschenrechtler weiter. Stefanowitsch von Wiasna:

    "Ein Besuch seiner Frau im Lager im Herbst wurde abgesagt, er darf nur noch weniger Pakete erhalten, und seine Einkäufe im Lagerladen wurden eingeschränkt."

    Stefanowitsch kann seinen Frust nur schwer verbergen.

    "Die Lage der weißrussischen Zivilgesellschaft ist dauerhaft schlecht. Der Druck auf unsere Organisation setzt sich fort. Im Zusammenhang mit Ales Bialiatskijs Verurteilung haben die Behörden unser Büro beschlagnahmt. Wir müssen demnächst ausziehen. Und wir haben Angst, dass wir keine neuen Räume finden. Denn der Geheimdienst wird jeden potenziellen Vermieter verschrecken. Außerdem werden unsere Aktivisten oft willkürlich verhaftet, besonders, bevor Politiker zu Besuch kommen, so wie Putin oder Medwedew."

    Der russische Präsident Wladimir Putin hatte Weißrussland im Mai besucht. Es war sein erster Staatsbesuch nach seiner Amtseinführung. Weißrussland und Russland sind Mitglied einer Staatenunion. Putin und Lukaschenko demonstrieren Einigkeit. Der Moskauer Menschenrechtler Jurij Dschibladze spricht deshalb von einer "autoritären Internationalen".

    "Putin sieht es mit Sorge, wenn Russlands Nachbarn Fortschritte in Richtung Demokratie machen. Er hat lieber Diktatoren als Freunde, hilft ihnen und nährt sie – mit Subventionen, Krediten und Waffen. Dafür helfen sie ihm. Sie kämpfen gemeinsam gegen Demokratie, Freiheit und Menschenrechte. "

    Umso wichtiger sei es, so Dschibladze, dass Menschen in aller Welt am 4. August Solidarität mit den Opfern der Repressionen in Weißrussland zeigen.