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Solidaritätszuschlag
Steffens: Staat hält gerne an Steuern fest

Der Ökonom Udo Steffens hält den Solidaritätszuschlag für eine versteckte Steuererhöhung, seit er nicht mehr nur für die ostdeutschen Länder eingesetzt werden muss. Im Deutschlandfunk sagte der Präsident der Frankfurt School of Finance & Management, der Staat verzichte nur ungerne auf eine einmal eingeführte Steuer.

Udo Steffens im Gespräch mit Gerd Breker | 27.11.2014
    Porträt von Udo Steffens
    Udo Steffens, Präsident der Frankfurt School of Finance (dpa / Erwin Elsner)
    Der Solidaritätszuschlag wurde 1991 eingeführt - für Udo Steffens war das "de facto eine Steuererhöhung". Zunächst musste er für den Aufbau Ost ausgegeben werden, also in den ostdeutschen Bundesländern, mit dem Solidaritätspakt II wurde die Zweckbindung allerdings aufgegeben. Der Bund kann jetzt darüber verfügen, wie er das Geld ausgibt. Steffens sagte im Deutschlandfunk, die Einnahmen durch den Soli machten im Moment fünf Prozent des Gesamthaushaltes von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble aus. Dass das Geld nicht mehr zweckgebunden ausgegeben werden müsse, sei nicht im Interesse der Länder.
    Steffens hält die aktuelle Diskussion für einen Beleg dafür, dass es um einen klassischen Verteilungskampf zwischen Bund und Ländern gehe. Vom Länderfinanzausgleich würden 13 Länder profitieren, nur drei würden Geld einzahlen - nämlich Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Und die wollten jetzt nicht noch mehr zahlen als bisher schon. Das sei aber der Fall, wenn der Solidaritätszuschlag abgeschafft und in eine Steuer umgewandelt würde, die auch den Ländern zugute käme. Deren Einnahmen würden dann wieder in den Länderfinanzausgleich fließen.

    Das Interview in voller Länge:
    Gerd Breker: In knapp anderthalb Stunden treffen sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer, um über die Finanzbeziehungen zum Bund zu diskutieren. Überschattet wird diese Begegnung durch einen Streit um den Solidaritätszuschlag. Die rot-grünen Bundesländer, sie wollen ihn weiterlaufen lassen und ins Steuersystem integrieren. Gegen Letzteres sträubt sich die Union. Dazu meinte Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen:
    O-Ton Hannelore Kraft: "Die Idee stammt meiner Kenntnis nach unter anderem von Herrn Schäuble, und ich finde die Idee nicht schlecht. Wir fanden die als Länder insgesamt nicht schlecht. Jetzt hat man offenkundig Angst vor einer Steuererhöhungsdebatte; die finde ich aber nicht sachgerecht."
    Breker: Hannelore Kraft. - Am Telefon sind wir nun verbunden mit Udo Steffens. Er ist der Präsident der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag, Herr Steffens.
    Udo Steffens: Guten Tag, Herr Breker.
    "Dem Staat Steuern wegzunehmen, ist ein nicht so sehr erfolgreiches Unterfangen"
    Breker: Der Staat hat so wenig Geld. Lernen wir gerade, dass er auf jeden Cent angewiesen ist, da kann er auf den Soli einfach nicht verzichten?
    Steffens: Ja, sagt der Staat. Aber dem Staat sozusagen Steuern wieder wegzunehmen, ist ohnehin ein nicht so sehr erfolgreiches Unterfangen. Aber ich glaube, es kam in dem Bericht sehr klar heraus, dass es eigentlich ein Verteilungskampf ist zwischen den Ländern und dem Bund. Weil im Augenblick fließt die Steuer ja voll dem Bund zu, und damit hat er letztlich die Einnahme- und die Ausgabehoheit.
    Breker: Und wenn man den Soli, wie rot-grüne Bundesländer es vorgeschlagen haben, in das Steuersystem integriert, dann würde automatisch für die Länder auch ein ordentlicher Batzen abfallen.
    Steffens: Das ist richtig. Er würde dann letztlich in den Länderfinanzausgleich mit eingehen. Nur da gibt es ja die Grundproblematik, dass wir von den 16 Bundesländern ohnehin nur noch drei Geberländer haben, und der Rest ist Empfängerland, auch das jetzt sehr stark in die Debatte eingestiegene Nordrhein-Westfalen. Von daher werden diejenigen, die Geberländer sind, also Hessen, Baden-Württemberg und Bayern, alles tun, um das zu vermeiden.
    Breker: Ist es nicht so, dass dieser Länderfinanzausgleich eigentlich irgendwo so aussieht, dass die, die gut haushalten, die sparsam mit ihren Steuergeldern umgehen, bestraft werden, und die, die leichtfertig Geld ausgeben, die werden belohnt?
    Steffens: Das ist ja eine sehr alte Debatte, die genau in diese Richtung geht, und es gibt auch durchaus Vorschläge von zum Beispiel dem Institut der Deutschen Wirtschaft, die sagen, man sollte durchaus den Ländern eine gewisse Einkommenssteuerhoheit geben, um auch einen gewissen Wettbewerb letztlich zu veranlassen, um einen gewissen Schlendrian im staatlichen Ausgabeverhalten dann zu vermeiden. Diejenigen, die gut wirtschaften, die auch vorzeitig und frühzeitig in Infrastruktur investieren, sind die Attraktiveren, werden belohnt durch eine bessere Wirtschaft, können damit tendenziell auch ihre Bürger und ihre Wirtschaftsunternehmer bevorteilen, indem sie ihnen weniger abnehmen. Das ist aber in unserer egalitären Welt Deutschlands wahrscheinlich ein nicht sehr erfolgreiches Unterfangen. Das heißt, deswegen wird gekämpft, um insbesondere im CDU-Lager, die ja die Regierung im Wesentlichen stellen, die Solidaritätsaufgabe auf der Bundesebene zu behalten.
    Breker: Herr Steffens, Sie haben die Infrastruktur angesprochen. Sieben Milliarden Euro fehlen angeblich für die Infrastruktur. Da kann der Soli natürlich helfen. Aber es stellt sich auch die Frage: Ist es nicht sowieso so, dass es eine Fürsorgepflicht des Staates, eines jeden Staates ist, eine ordentliche Infrastruktur bereitzustellen?
    Steffens: Das ist richtig. Das sollte er tun, das sollte er arrangieren. Die Frage ist, wie man das finanziert. Nehmen Sie Autobahnsysteme, Brückensysteme, auch Mautsysteme in Frankreich. Wenn Sie dort nach Lyon fahren wollen von Frankfurt aus, dann müssen Sie auch ordentlich noch mal Autobahnabgaben bezahlen. Also das ist nicht so, dass das immer nur ausschließlich aus dem Haushalt bezahlt werden muss. Da gäbe es andere Fragestellungen. Aber man muss ja auch wissen, dass jetzt die Solidaritätsabgabe letztlich auch nicht eins zu eins zum Beispiel in die ostdeutschen Länder geht, sondern ein großer Teil davon sicherlich, aber im Augenblick füllt er natürlich auch den Haushalt von Herrn Schäuble nachhaltig auf mit ungefähr fünf Prozent des Gesamthaushaltes.
    Länder sehen sich Stress ausgesetzt
    Breker: Er ist inzwischen nicht mehr zweckgebunden, Sie haben das gerade gesagt. Aber er ist auch gar nicht mehr zeitlich begrenzt, die Solidarität hat kein Ende.
    Steffens: Nein, das ist so. Es ist de facto eine Steuererhöhung gewesen, und zwar letztlich seit 1991. Die Zweckbindung hat man dann im sogenannten Solidaritätspakt II aufgehoben, und der Bund kann jetzt hoheitlich darüber verfügen, wie er das ausgibt, und das ist nicht im Interesse der Länder. Von daher ist es - man muss es auch nicht überhöhen - ein klassischer Verteilungskampf zwischen Ländern und dem Bund, wiederum mit der gewissen Pikanterie, dass natürlich die Nettozahler da nicht noch mehr zahlen wollen, als sie ohnehin schon zahlen.
    Breker: Stellt sich dennoch die Frage, Herr Steffens, warum der Staat eigentlich mit seinem Geld nicht auskommt. Die Steuerquellen, sie sprudeln, und der Soli ist damit für den Staat unverzichtbar?
    Steffens: Na ja, er kommt ja schon auf Bundesebene. Wir haben ja jetzt zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten einen ausgeglichenen Haushalt gesehen im Bundestag mit ungefähr 300 Milliarden. Das heißt, der Bund zeigt, dass er zumindest nicht neue Schulden aufnehmen muss, um seine Aufgaben zu erfüllen. Das ist bei den Ländern ja noch lange nicht. Wir haben auch da gleichzeitig wiederum den Schuldenstopp in den verschiedenen Verfassungen. Das ist schon ein gewisser Stress, dem sie sich ausgesetzt fühlen. Das heißt, sie müssen auch staatliches Handeln ökonomischer, effizienter und produktiver letztlich organisieren, und das ist etwas, was sie vielleicht nicht so gerne wollen.
    Länder und Kommunen haben eigentlich genug Geld
    Breker: Sie haben es angesprochen: Wolfgang Schäuble, unser Finanzminister, ist sehr stolz auf die erste schwarze Null seit Jahrzehnten. Aber geht sie nicht, wie Kritiker zurecht sagen, zu Lasten der Investitionen?
    Steffens: Das ist richtig. Aber es ist immer eine Frage zu Lasten der Investitionen. In einem Haushalt werden politische Prioritäten gesetzt. Das heißt, wenn man einerseits die Infrastruktur fördern soll, gleichzeitig eine relativ kostspielige Rentenreform durchführt, dann hat man sich politisch entschieden für die Rentenreform, und das muss nicht immer einhergehen, dass man immer alles machen kann, sondern man muss auch Prioritäten setzen. Die sind gesetzt worden, tendenziell erst mal gegen die Infrastruktur, und das wird jetzt nachzuholen sein. Gleichwohl denke ich, dass das Steueraufkommen insgesamt des Bundes wie der Länder als auch der Kommunen ausreichend ist, um die Aufgaben angemessen zu erfüllen.
    Breker: Wir reden immer von der Einnahmeseite, aber die Ausgabenseite, die schauen wir uns gar nicht an.
    Steffens: Wir schauen sie uns selten an. Wir schauen auch nicht wirklich, ob das staatliche Handeln so organisiert ist, dass es den wirtschaftlichen Ansprüchen und Effizienzansprüchen wirklich genügt. Das ist natürlich im deutschen Verwaltungshandeln in der Regel durchaus der Fall, verglichen mit anderen Ländern. Gleichwohl muss die Anstrengung bleiben, dass man mit jedem Euro, der einem sozusagen übereignet worden ist, dann auch das Bürgerwohl oder das gesellschaftliche Wohl im weitesten Sinne, gemessen an den Prioritäten, die man politisch setzt, auch wirklich erfüllt.
    Breker: Vielleicht noch ein kurzes Wort. Dieser Name, Solidaritätszuschlag, der ist doch absolut irreführend. Da müsste mindestens ein neuer Name her.
    Steffens: Das könnte man sicherlich machen. Es wird ja auch diskutiert, Infrastrukturabgabe und Ähnliches mehr. Es ist wie gesagt von der Steuersystematik und der Logik durchaus vernünftig, das in den Steuertarif zu integrieren. Nur sieht es im Augenblick nicht so aus, als wenn es, sagen wir mal, den Widerspruch zwischen Bund und Land letztlich auflösen könnte. Von daher ist erst mal davon auszugehen, dass bis 2019 allemal es so bleibt wie es ist. So lange gilt das ja im Augenblick auch bis auf Weiteres. Aber er wird nicht mehr automatisch ausgesetzt, wie das früher der Fall war. Von daher sucht man jetzt schon nach neuen Lösungen. Es ist ein klassischer politischer Kampf um den richtigen Weg, indem man auch seine politischen Prioritäten und letztlich auch Ansichten einbringen muss und kann.
    Breker: Die Einschätzung von Udo Steffens. Er ist Präsident der Frankfurt School of Finance and Management. Herr Steffens, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
    Steffens: Ich danke Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.