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Solidaritätszuschlag
Gekommen, um zu bleiben

Auf ein Jahr begrenzt sollte der "Soli" ursprünglich sein - doch es kam anders. Der Solidaritätszuschlag erhitzt nun schon seit 26 Jahren die Gemüter. Derzeit ist der Streit über seine Zukunft wieder voll entbrannt. Manche Fakten geraten dabei zwischenzeitlich aus dem Blick.

Von Alexandra Gerlach | 16.11.2017
    Der Solidaritätszuschlag könnte nach Plänen der CDU schrittweise abgeschmolzen werden.
    Wieder im Gespräch: Der Solidaritätszuschlag könnte schrittweise abgeschmolzen werden (imago/Christian Ohde)
    Beliebt war der Soli nie. Zankapfel hingegen immer. Seit 1991 wird Arbeitnehmern in Deutschland Monat für Monat der Solidarzuschlag als Zusatzabgabe automatisch vom Gehalt abgezogen. Im Moment sind das immerhin 5,5 Prozent der Lohnsteuer, die der Fiskus zusätzlich einbehalten darf. Bei Unternehmen von der Körperschaftssteuer und bei Kapitalanlegern von der Kapitalertragssteuer. Und weil der Soli jeweils auf das zu entrichtende Steuervolumen erhoben wird, das durchaus von Jahr zu Jahr variieren kann, stiegen die Einnahmen aus dieser Quelle für den Staat in den letzten Jahren ständig.
    Dabei sollte der Soli ursprünglich eine nur auf ein Jahr begrenzte Sonderabgabe sein, als er im Jahr 1991 von der schwarz-gelben Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl eingeführt wurde. Bei seinem Start lag die Höhe des Solidaritätszuschlages noch bei 7,5 Prozent. Das Ziel: Er sollte 22 Milliarden D-Mark in die Kassen des Fiskus spülen.
    "Die Befristung ist klar erkennbar auf zwölf Monate und es muss sich hierbei um eine einmalige Zusatzbelastung handeln, also um eine Belastung, die die längerfristigen Planungen auch der Unternehmungen nicht beeinträchtigt und von daher auf Investitionen und Arbeitsplätze Rücksicht nimmt."
    Tatsächlich lief der erste Soli nach einem Jahr aus
    Und tatsächlich lief der erste Soli ein Jahr später, im Sommer 1992, aus. Doch schon drei Jahre später, im Sommer 1995, führte ihn die christlich-liberale Bundesregierung wieder ein. Wie schon zuvor betrug er 7,5 Prozent der Lohnsteuer. Hauptbegründung waren damals die hohen Zusatzbelastungen des Bundes durch die Deutsche Wiedervereinigung und den Aufbau Ost. Doch dieses Mal gab es keine Befristung. Der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel:
    "Es ist ein echtes Opfer, kein Sonderopfer. Wir geben im Augenblick allein im Bundeshaushalt etwa 93 Milliarden Mark aus, ich glaube, wenn wir diesen Anteil an Investitionen durchhalten, dann ist das ein beachtlicher Beitrag."
    Seit dem Wahlkampfjahr 1998 liegt er wieder konstant bei 5,5 Prozent. Ab dann blieb der Soli und erregt seitdem die Gemüter. Zum einen, weil er eine deutliche Steuermehrbelastung der Bürger und Unternehmen bedeutet. Zum anderen, weil er nicht zweckgebunden ist. Die Verwendung der Einnahmen bleibt dem Staat überlassen, wenngleich seit seiner Einführung wiederholt darauf verwiesen wurde, dass er zur Bewältigung der Lasten aus der deutschen Wiedervereinigung diene.
    Das betonte auch Bundeskanzler Gerhard Schröder, als er mit seiner rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2005 den Solidaritätszuschlag erneut deutlich verlängerte bis zum Jahr 2019. Der Soli gehörte nun untrennbar zum Solidarpakt, dem speziellen Länderfinanzausgleich für den Aufbau Ost:
    "Das was vereinbart worden ist, nämlich 156 Milliarden Euro bis 2019, das bleibt bestehen, das ist vereinbart und die Vereinbarungen werden eingehalten. Ich jedenfalls werde darauf achten."
    Westdeutsche wie Ostdeutsche zahlen den Soli
    In all den hitzigen Diskussionen um Für und Wider des umstrittenen Solidarzuschlages geriet manchmal völlig aus dem Blick, dass dies keine Abgabe der westdeutschen Bürger für die ostdeutschen Landsleute war und ist, sondern dass sie von allen gezahlt werden muss, in Ost und West-Deutschland.
    Anlass für den Dresdner Satiriker Olaf Schubert, den Soli einmal so richtig durch den Kakao zu ziehen. Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls präsentierte der Sachse direkt an der Dresdner Frauenkirche, mitten auf dem prachtvoll wieder aufgebauten Neumarkt diesen bitterbösen Sketch:
    "Uns geht’s gut. Man sieht’s ja, ich habe mir hier noch eine der düstersten Ecken ausgesucht. Wir wissen aber auch, dass wir dankbar sein müssen, gerade für den Solibeitrag! Das sind immense Aufwendungen, die die Menschen da drüben leisten müssen und natürlich – eigentlich müsste es mehr sein, das ist klar, aber man kann den Soli-Beitrag jetzt einfach nicht so abschaffen, wie sich das viele gerne vorstellen. Nee, ohne Soli hier im Osten: Wie soll denn das funktionieren? Sollen wir da arbeiten gehen, oder was?"
    "Mittelleitplanke, versilbert mit purem Gold!"
    Derzeit ist der Streit um den Soli wieder voll entbrannt, Politik und Gerichte beschäftigen sich intensiv mit seiner Zukunft und der Frage, ob man ihn ab 2020 nicht schrittweise senken bzw. ganz abschaffen soll oder muss. Unabhängig davon bleibt festzuhalten, dass in den zurückliegenden 26 Jahren viel mehr als die Einnahmen aus dem ungeliebten Soli in den Aufbau der ostdeutschen Bundesländer geflossen sind. Diese Anstrengung ist deutlich sichtbar und immer wieder trifft man Westdeutsche im Osten, die mal selber sehen wollten, was mit "ihrem" Soli hier gemacht wird. Der Dresdner Satiriker Olaf Schubert nimmt auch diese Sicht nur zu gern aufs Korn:
    "Wir laden Euch ein, bei uns ist alles in Takt, die Infrastruktur tipptopp, die Autobahn vierspurig, selbst der Standstreifen ist zweispurig, ne, wenn mal einer besonders langsam steht, da kann noch einer vorbeistehen, die Mittelleitplanke, versilbert mit purem Gold! Kommt vorbei! Schaut es Euch an, ich kann sagen, wir haben uns hier in den letzten 25 Jahren ganz schön was aufgebaut, wo ich mich frage, was habt Ihr gemacht? Euer Olaf!"