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Solidaritätszuschlag
Länder wollen an Sonderabgabe festhalten

Was wird aus dem Soli? Darüber herrscht in Berlin und in den Ländern weiter Streit. Nach dem überraschenden Schwenk der Union plädieren viele Ministerpräsidenten dafür, an der Sonderabgabe festzuhalten. Zumal man sich mit Finanzminister Wolfgang Schäuble schon längst entsprechend geeinigt hatte. Doch ob das noch gilt, ist unsicher.

Von Frank Capellan | 05.03.2015
    Schriftzug "Solidaritätszuschlag" auf einer Lohnabrechnung, drumrum Euromünzen.
    Die Union will den Solidaritätszuschlag langsam abschmelzen. (dpa / Jens Büttner)
    Was reitet die Kanzlerin, ihre Haltung zur Zukunft des Solis komplett über den Haufen zu werfen? Warum stößt sie ihren Stellvertreter Sigmar Gabriel vor den Kopf, den SPD-Vorsitzenden, der vor gut einer Woche im Koalitionsausschuss von der Kehrtwende Angela Merkels völlig überrascht wurde.
    Bisher stand für die CDU-Vorsitzende außer Frage: Deutschland kann und wird auf die Einnahmen des Solidaritätszuschlages nicht verzichten. Sie selbst war es, die kurz vor Weihnachten in ihrer wöchentlichen Botschaft diese Nachricht setzte:
    "Wir werden auf jeden Fall auf die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag auch nach dem Auslaufen des Solidarpakts angewiesen sein. Das haben wir im Übrigen auch bereits vor den Wahlen gesagt; wir wollen keine Steuererhöhung, aber wir können auf bestehende Einnahmen auch nicht einfach verzichten."
    Angela Merkel am 6. Dezember 2014. Heute, am Tag nach der überraschenden Ankündigung des Finanzministers, den Solidaritätszuschlag ab 2020 schrittweise abschmelzen zu wollen, laufen viele, vor allem sozialdemokratisch geführte Bundesländer Sturm.
    Ministerpräsidenten sind überrascht
    "Nicht nur die Öffentlichkeit, auch wir in der Politik sind überrascht worden über die Aussage, der Soli solle abgeschafft werden", ärgert sich etwa Sozialdemokratin Angelika Schwall-Düren, die in Berlin die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen vertritt. Bis vor kurzem galt für Merkel, Seehofer und Schäuble doch noch etwas völlig anderes:
    "Der Bundesfinanzminister ist derjenige, der den Vorschlag gemacht hat, den Soli in die Einkommenssteuer einzugliedern. Die Bundeskanzlerin ist die Frau, die gesagt hat, dass auf den Soli nicht verzichtet werden kann. Der bayerische Ministerpräsident ist einer von 16 Ministerpräsidenten, die einen gemeinsamen Beschluss gefasst haben."
    ...dergestalt, dass der Soli Bestandteil der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sein soll. Von Abschaffung sei aber keine Rede gewesen; das können wir uns auch gar nicht erlauben, klagt auch die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Sozialdemokratin Malu Dreyer, im SWR:
    Bund und Länder hatten sich eigentlich anders geeinigt
    "Wir wissen alle, wir brauchen dieses Aufkommen einfach, um Bund, Länder und Kommunen, unsere Aufgaben auch schultern zu können; wir müssen unsere Schuldenbremsen einhalten, wir müssen für Infrastruktur, Bildung und alle anderen Dinge wirklich auch das Aufkommen haben, mit denen wir diese Aufgaben erfüllen könne. Die CDU/CSU muss einen neuen Vorschlag machen, wenn sie das verlässt, worüber wir uns in der Vergangenheit eigentlich schon ein ganzes Stück weit verständigt hatten."
    Und damit spielt Dreyer auf das sogenannte Scholz-Schäuble-Papier an. Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz hatte mit Finanzminister Wolfgang Schäuble den Vorschlag erarbeitet, den Solidaritätszuschlag in die Einkommenssteuer zu integrieren. Davon würden gerade auch die Länder insgesamt profitieren. Auch Erwin Sellering, SPD-Ministerpräsident in Mecklenburg-Vorpommern, hat wenig Verständnis dafür, dass der Bundesfinanzminister nun die ursprüngliche Linie verlässt:
    Seehofer sieht Soli-Umwandlung offenbar als Steuererhöhung
    "Wir waren uns immer einig, dass wir das Aufkommen aus dem Soli brauchen. Es bestand auch große Einigkeit unter allen Ministerpräsidenten, dass wir gesagt haben, das muss fair verteilt werden zwischen dem Bund und den Ländern."
    Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer soll der Koalition jetzt den Schwenk aufgenötigt haben. Er hatte stets vor Steuererhöhungen gewarnt, eine Einarbeitung des Solis in die Einkommenssteuer als solche gesehen. Offenbar glaubt die Union nun, den Wählern 2017 versprechen zu können: In drei Jahren ist endlich Schluss mit der Sonderabgabe.