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Solidaritätszuschlag
Teilabschaffung ab 2021 bleibt umstritten

Die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2021 ist jetzt zwar beschlossene Sache, die Debatte darüber geht aber weiter. Die FDP hält den Beschluss für verfassungswidrig und dringt auf die völlige Abschaffung. Auch Teile der Union sind unzufrieden.

Von Theo Geers | 14.11.2019
Bundestag: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wirft bei der namentlichen Abstimmung zum Solidaritätszuschlag am 14.11.2019 ihre Stimmkarte ein
Bundestag: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wirft bei der namentlichen Abstimmung zum Solidaritätszuschlag am 14.11.2019 ihre Stimmkarte ein (dpa / Michael Kappeler)
Die Teilabschaffung des Soli ist unter Dach und Fach. Dafür sorgten Union und SPP am Vormittag mit ihrer Bundestagsmehrheit. 90 Prozent der Steuerzahler werden die Ergänzungsabgabe ab 2021 gar nicht mehr zahlen müssen, weitere sechseinhalb Prozent werden teilweise entlastet. Insgesamt beträgt die Steuerersparnis im ersten Jahr fast elf Milliarden Euro, für den Fiskus fällt damit die Hälfte der bisherigen Einnahmen aus dem Soli weg. Die andere Hälfte hingegen – also noch einmal elf Milliarden Euro - soll weiter fließen und von den Spitzenverdienern, den obersten dreieinhalb Prozent der Steuerzahler, weiter aufgebracht werden. Eine Abschaffung auch für diese Spitzenverdiener wäre nicht gerecht, argumentierte der Bundesfinanzminister.
"Fair und gerecht heißt, dass die, die über besonders viele Möglichkeiten verfügen, etwas beizutragen zur öffentlichen Funktion, das auch mehr tun als andere. Und weil da noch was zu tun ist, ist es auch richtig, dass die, die über hohe und sehr hohe Einkommen verfügen, weiterhin den Soli errichten. Es ist das richtige Zeichen für Zusammenwachsen in Deutschland."
FDP sieht Verfassungsbruch
Doch genau diese Teilabschaffung bewegt unverändert die Gemüter. Beschlusslage bei CDU und CSU ist seit Langem die vollständige Abschaffung des Soli, doch das ist mit SPD nicht zu machen. Und so machte die Union gute Miene zu einem für sie unbefriedigenden Spiel, die Teilabschaffung sei nur ein erster Schritt, so Olaf Gutting CDU.
"Der Wille der CDU/CSU ist, die vollständige Abschaffung in der 20. Wahlperiode durchzuführen. Wir arbeiten daran, hier einen verbindlichen Beschluss herbeizuführen, und das ist schon eine Frage der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit."
Genau diese Glaubwürdigkeit zweifeln vor allem AfD und FDP an. Der Soli sei mit der Finanzierung der deutschen Einheit verbunden, das Versprechen habe gelautet, ihn wieder abzuschaffen, wenn der Grund dafür entfalle, betonte Christian Dürr, FDP. Im übrigen sei die Beibehaltung des Soli nur für höhere Einkommen verfassungswidrig, das hätten mehrere Gutachten belegt.
"Sie dürfen keinem Gesetz zustimmen, von dem sie selbst sagen, es sei verfassungswidrig. Es ist natürlich legitim, in einer Koalition Kompromisse einzugehen, aber das rechtfertig keinen Verfassungsbruch gegen das Grundgesetz."
Ersparnis zwischen wenigen hundert und mehr als tausend Euro
Stefan Keuler AfD ergänzte hierzu, er könne jeden Bürger, der den Soli demnächst weiter zahlen müsse, nur raten dagegen zu klagen. Und dem Finanzminister empfahl er, schon mal jährlich zehn Milliarden Euro auf die hohe Kante zu legen für die fälligen Rückzahlungen.
Linke und Grüne dagegen lehnen die Teilabschaffung des Soli ab, weil sie, anders als behauptet, eben nicht die unteren Einkommen entlaste. Die, so rechnete Lisa Paus von der Grünen vor, zahlten nämlich gar keinen Soli.
"An ihnen geht das Gesetz vorbei, denn der Soli muss bei Kindern erst ab 50.000 Euro im Jahr gezahlt werden. Das heißt, dass diese Familien von diesem Gesetz gar nicht haben."
Das große Rechnen, wer wird um wie viel entlastet und wer muss weiter zahlen, beginnt 2021. Singles beispielsweise zahlen keinen Soli mehr, wenn ihr Bruttoeinkommen im Jahr unter 73.000 Euro liegt. Ein kinderloses Ehepaar, bei dem beide gleich viel verdienen, muss erst ab 148.000 Euro im Jahr weiter Soli zahlen, hat dieses Ehepaar zwei Kinder, steigt die Grenze auf 164.000 Euro. Umgekehrt beträgt die Steuerersparnis durch die Abschaffung des Soli je nach Einkommen zwischen wenigen hundert und mehr als tausend Euro im Jahr.