Donnerstag, 28. März 2024

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Soll das therapeutische Klonen erlaubt werden?

Christine Heuer: Ab heute berät der nationale Ethikrat in Berlin ein heißes Eisen, wieder einmal. Diesmal geht es um das therapeutische Klonen. Einfach gesprochen, um die künstliche Herstellung von Embryonen zu dem Zweck, mit ihren Stammzellen Krankheiten wir Diabetes oder Parkinson heilen zu können. In Großbritannien ist das therapeutische Klonen erlaubt. Wie soll sich Deutschland verhalten? Darüber möchte ich jetzt mit dem Christdemokraten Peter Hintze sprechen, der sich in seiner Partei unter anderem intensiv mit der Gentechnik beschäftigt. Herr Hintze, das Votum des Ethikrats müssen wir abwarten. Wie ist denn Ihr Votum? Sind Sie für oder gegen das therapeutische Klonen?

Moderation: Christine Heuer | 18.08.2004
    Peter Hintze: Das therapeutische Klonen ist möglicherweise ein hoffnungsvoller Weg, Programmierungs- und Reprogrammierungsvorgänge in den menschlichen Zellen zu erforschen. Deswegen habe ich volles Verständnis dafür, dass Großbritannien diesen Weg beschreitet, obwohl man auch sehen muss, dass es beachtliche fachliche Einwände gegen die Methode gibt, die der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft Professor Winnacker einmal zusammengefasst hat. Also es muss sich noch herausstellen, ob es fachlich das Richtige ist, aber ich glaube, die Frage an die Politik ist, ob das ethisch zulässig ist oder nicht, und ethisch halte ich es für zulässig.

    Heuer: Welche Segnungen erwarten Sie sich und uns allen denn vom therapeutischen Klonen?

    Hintze: Mit dem Begriff der Segnungen muss man vorsichtig umgehen, denn heute weiß noch kein Mensch, ob diese hoffnungsvolle Forschung am Ende hoffnungsvolle Ergebnisse hervorbringt. Es geht auch in diesem Bereich im Wesentlichen darum, dass Zellen, die der menschliche Körper verliert und die er überlebensnotwendig braucht, etwa Zellen des zentralen Nervensystems, ersetzt werden können durch menschliche Zellen. Dazu müssen wir lernen, wie die Programmierungsvorgänge in menschlichen Zellen stattfinden. Was heißt das? Jede unserer Körperzellen enthält ja unser gesamtes Erbgut, aber freigeschaltet ist immer nur eine bestimmte Funktion, die diese Zelle wahrzunehmen hat, zum Beispiel bei einer Hautzelle oder bei einer Nervenzelle. Wie diese Freischaltungen funktionieren, das wollen die Forscher erforschen, und das herausfinden, wäre natürlich außerordentlich segensreich. Aber man muss korrekterweise sagen, ob das gelingt, kann heute noch niemand sagen.



    Heuer: Ob das gelingt, kann noch keiner sagen. Sie haben die anderen beachtlichen fachlichen Einwände schon erwähnt. Kann man das, was mit embryonalen Stammzellen erreicht werden soll, nicht auch mit adulten, also mit erwachsenen Stammzellen erreichen, so dass man keine Embryonen züchten muss?

    Hintze: Also erstens halte ich es für total wichtig, dass wir auch die Forschung an den adulten Stammzellen vorantreiben - das sind die Stammzellen, die auch im Erwachsenenkörper schon vorhanden sind. Gleichwohl zeigen die bisherigen Ergebnisse, dass diese, ich nenne sie mal älteren Stammzellen, doch über andere Eigenschaften verfügen. Gerade um diese Programmierungsvorgänge kennen zu lernen, kommt man mit diesen sehr jungen Stammzellen einfach weiter. Das Zweite ist, ich möchte in der öffentlichen Diskussion dazu einladen, auch mit den Begriffen etwas behutsam umzugehen. Ich persönlich vertrete die Auffassung, dass das, was beim therapeutischen Klonen geschieht, doch etwas grundlegend anderes ist als etwa das, was bei der künstlichen Befruchtung geschieht, und dass die Verwendung der gleichen Begriffe gedanklich in die Irre führt.

    Heuer: Wieso ist das etwas anderes? In beiden Fällen wird ein Mensch künstlich hergestellt.

    Hintze: Darüber müsste man sich erst mal in Ruhe unterhalten. Also im Falle der therapeutischen Klonens wird ja der Kern einer normalen Körperzelle in eine entkernte Eizelle eingeführt, und hieraus werden versucht Stammzellen zu entwickeln. Ob diese Stammzellen bei Menschen tatsächlich totipotent sind, also bei der Einpflanzung in einen menschlichen Körper sich zu Menschen entwickeln können, ist bisher eine Spekulation zum Glück, denn das reproduktive Klonen halte ich für verachtungswert und es sollte ja weltweit geächtet werden. Ob das aber überhaupt so ist, ist fraglich. Es ist bei Säugetieren vollzogen worden. Ob das beim Menschen auch so ist, der sich vom Tier ja doch unterscheidet, ist fraglich. Ich finde, man muss mit den Begriffen etwas vorsichtiger umgehen. Der Deutsche Bundestag hat ja insgesamt auch das therapeutische Klonen verworfen, einfach weil die Mehrheit der Kollegen befürchtet, dass man zu nahe ans reproduktive Klonen kommt und dass der Mensch das einmal tun würde. Diese Grenze zu unterscheiden, halte ich auch persönlich für sehr wichtig.

    Heuer: Aber die Gefahr des Dammbruchs liegt doch so auf der Hand - Sie leugnen sie ja auch nicht -, dass Sie doch in großer Sorge sein müssten?

    Hintze: Das Dammbruchargument halte ich für eines der falschesten Argumente überhaupt. Warum? Das reproduktive Klonen als das ächtenswerte Herstellen von menschlichen Brüdern oder Schwestern von erwachsenen Menschen, wenn es denn überhaupt theoretisch möglich ist, was man nicht weiß, was scharf abzulehnen ist, ist ja in der Methode bekannt und beschrieben, bei Säugetieren durchgeführt worden. Also wenn irgendein verachtenswertes Regime auf der Erde das einmal vorhätte, müsste die Weltgemeinschaft versuchen, das zu verhindern. Aber das könnte es tun, das ist ja wissenschaftlich, technisch von der Methode her vollständig klar. Davon total zu unterscheiden sind die Bemühungen der Wissenschaftler, mit hohem ethischen Standard einfach die Grundvorgänge in der menschlichen Zelle kennen zu lernen, um daraus Heilungen für bisher unheilbare Krankheiten abzuleiten. Also wenn wir auf diese Heilungswege verzichten, dann machen wir es einem menschenverachtenden Regime damit keineswegs unmöglich, den anderen Weg zu gehen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Wege.

    Heuer: Dennoch: Ihre Parteikollegin Maria Böhmer zum Beispiel befürchtet, dass durch das therapeutische Klonen der Mensch zum Material wird. Was ist christlich an Ihrer Position im Gegensatz dazu?

    Hintze: Also ich halte meine Position für eine ausgesprochen christliche. Die Botschaft des Christentums ist einfach, Heilung für den Menschen zu suchen. Schlimme und schwerwiegende Krankheiten zu überwinden, ist eines der höchsten christlichen Gebote von der ersten Stunde an. Die Urgemeinschaft hat das Heilen als wichtige Aufgabe übernommen und auch weitergetragen. Ich glaube, dass es in dieser Diskussion sehr starke Argumente für die eine wie auch für die andere Seite gibt. Ich bin davon überzeugt, dass diejenigen, die Stammzellforschung unterstützen, sich christlich verhalten. Andere sind da anderer Auffassung, aber das ist eine Gewissensfrage, die jeder für sich selbst entscheiden muss.

    Heuer: Ein anderer Gesichtspunkt der Debatte ist die Freiheit der Forschung. Steckt das eigentlich hinter Ihrem "Ja" zum therapeutischen Klonen, die große Sorge, dass Deutschland den Anschluss verliert?

    Hintze: Es geht um etwas ganz anderes. Die Forscher in Deutschland haben in den letzten Jahrzehnten bewiesen, dass sie höchste ethische Maßstäbe für sich gelten lassen. Der Beweis ist das ganze Feld der Stammzellforschung, wo noch vor unserem Stammzellgesetz, wo also totale Freiheit bestand, die Forscher sich an ethische Maßstäbe gehalten haben, die es im Gesetz so noch gar nicht gab. Ich habe einfach Zutrauen in die deutsche Forschung, und ich will noch einmal betonen, ob das therapeutische Klonen überhaupt ein Weg ist, der fachlich beschritten werden sollte, müssen verantwortliche Wissenschaftler entscheiden. Diesen wissenschaftlichen Grad habe ich nicht zu beurteilen, und ich höre sehr wohl die Stimmen aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die das fachlich skeptisch sehen. Das müssen die Wissenschaftler entscheiden, aber ich habe einfach ein hohes Zutrauen in unsere Wissenschaft, dass sie diese ethischen Maßstäbe achtet, und ich finde es traurig, wenn wir eine solche Forschung nur solchen überlassen, die vielleicht nicht unsere Maßstäbe achten.

    Heuer: Danke für das Gespräch.