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Sommer 2032 - Dialog mit der Zukunft

Pendler haben unterschiedliche Möglichkeiten zur Arbeit zu kommen: mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrgemeinschaften, dem Drahtesel oder unökologisch allein im eigenen Auto. Alles eine Frage von Geld, Zeit und Bequemlichkeit.

Von Catrin Stövesand | 29.08.2012
    Ein Montagmorgen im Sommer 2012 - halb sieben - Sabrina Schiller macht sich auf den Weg zur Arbeit. Die 30 Kilometer von Düsseldorf nach Essen legt die 31-Jährige jeden Tag mit dem eigenen Pkw zurück. Früher ist sie die Strecke auch mit dem Zug gefahren.

    "Ich habe mindestens eine Stunde pro Weg gebraucht, aber auch nur dann, wenn die Umsteigeaktionen reibungslos geklappt haben. Meistens waren es eineinhalb Stunden, manchmal sogar noch länger."

    Deshalb hat sich Sabrina, sobald es finanziell möglich war, ein eigenes Auto gekauft.

    "Jetzt brauche ich 25 Minuten von Tür zu Tür."

    Täglich eine Stunde Fahrtzeit weniger. Das bedeutet für die Ärztin einen Gewinn an Lebensqualität, den sie sich gern etwas kosten lässt. Ein typisches Mobilitätsverhalten unserer Zeit. Auf mehr als jeden zweiten Bundesbürger kommt laut Statistik ein Pkw. Über Alternativen denkt Sabrina schon ab und zu nach, etwa über Fahrgemeinschaften:

    "Prinzipiell wäre das auch möglich, weil einige meiner Kollegen auch ganz in der Nähe wohnen. Da wir aber so unterschiedliche Arbeitszeiten haben, ist es praktisch wieder sehr umständlich, sodass ich jeden Tag allein fahre."

    Sabrinas Mann, Marcel, hat es morgens nicht so weit, er muss nach Ratingen, das sind täglich jeweils elf Kilometer hin und zurück. Er fährt mit dem Motorroller, meistens. Wenn es stark regnet oder schneit, steigt er auf öffentliche Verkehrsmittel um:

    "Ich steige hier in die Straßenbahn ein und steige dann um in die S-Bahn. Dann bin ich, wenn ich die Anschlüsse sofort bekomme, in 20 Minuten in Ratingen."

    Eine vertretbare Fahrtzeit und beinahe eine Tür-zu-Tür-Anbindung. Aber komplett auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, kann sich der 30-Jährige nicht vorstellen - auch aus Kostengründen. Im Wohnort der beiden, in Düsseldorf, gibt es einen dicht ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Zudem bietet die Rheinbahn seit Kurzem in einem Modellprojekt an, mit dem Monatsticket auch andere Verkehrsmittel zu nutzen. Das heißt zusätzlich zu unbegrenzten Fahrten mit Bus und Bahn gibt es ein Stundenkontingent, um ein Auto oder ein Fahrrad auszuleihen. Die Verfügbarkeit und die Standorte kann man übers Smartphone abfragen. Eine gute und zukunftsträchtige Idee, finden die Schillers. Für sie als Pendler jedoch wäre solch ein Konzept erst dann interessant, wenn es auch über die Stadtgrenzen hinweg gelten würde:

    "Dass zum Beispiel der Carpool erhöht wird, und dass man die Autos dann auch zwischen Städten tauschen kann. Es ist sicher mit einem ausgebauten Netzsystem machbar, meinen Arbeitsplatz ebenfalls in 30 bis 40 Minuten mit der Bahn zu erreichen. Da ich aktuell aber fünf Mal umsteigen müsste und mindestens eine Stunde bis anderthalb brauche, ist das nicht attraktiv."

    Auch wenn es noch keine ausgereiften Konzepte gibt: Die Vernetzung verschiedener Verkehrsmittel, auch verschiedener Anbieter, sehen viele Experten als DAS Modell der Zukunft, so auch der Mobilitätsforscher Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin. Für das Jahr 2032 etwa stellt er sich vor:
    "Ich stelle mir eine Vernetzung idealerweise so vor, dass alle Verkehrsmittel, die man sich überhaupt denken kann, also vom Fahrrad bis hin zur Fernbahn einschließlich Auto natürlich auch auf Mietbasis, dass man das alles ganz einfach mit einem Zugang, also im Moment würde man sagen mit einer App - was 2032 an Technik da ist, weiß ich natürlich nicht, aber mit einem einfachen Zugang, mit Ist-Zeit-Informationen, ohne umständliche Tarifneuorientierung, dass alles ganz supereinfach und auch zuverlässig funktioniert. Und dann wird es in der Tat eine Alternative zum privaten Auto, aber erst dann."

    Auch die Politik setzt für die Zukunft auf Vernetzung. Der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Dirk Fischer, ist überzeugt:

    "Ich muss als Verbraucher die Chance haben, für mein jeweiliges individuelles Bedürfnis optimale Verkehrsmittel zur Verfügung zu haben. Und deswegen kann man nur alle Systeme der Vernetzung nachhaltig unterstützen und begrüßen."

    Verkehrswissenschaftler wie Politiker und Verbände gehen davon aus, dass zunächst weitere einzelne Modellprojekt wie das in Düsseldorf entstehen werden, die später miteinander vernetzt werden könnten. Die Tarifstruktur soll dann ähnlich wie das Roaming beim Mobilfunk funktionieren, erklärt der Verkehrswissenschaftler Wolfgang Schade vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung:

    "In die Richtung geht es schon, dass ich nur noch einen Vertragspartner habe und dann die ganzen Optionen der Verkehrsmittel nutzen kann."

    Die Entwicklung hin zu diesem neuen Mobilitätsverhalten werde von den heute 20- bis 35-Jährigen ausgehen, meint Schade. Sie nutzten die Smartphones ganz selbstverständlich und stellten sich daher rasch auf neue Angebote ein.

    "Allerdings muss man natürlich sagen, wenn wir dann nach 2032 schauen, dann sind diese Menschen ja auch schon 50/55 Jahre. Und da ist dann eine entscheidende Frage: Werden die das Mobilitätsverhalten beibehalten, was sie in jungen Jahren eingeübt haben, und dann weiter die vernetzte Mobilität nutzen. Da würden wir von ausgehen, dass zumindest im urbanen Raum und im angrenzenden Raum diese Form der Mobilität auch bei den bis dahin 55-Jährigen Bestand hat."

    Das Rückgrat für flächendeckende Mobilitätskonzepte müssten überzeugende Angebote im städtischen ÖPNV sowie im Fernbahnverkehr bilden, erläutert der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses, der Grünen-Politiker Anton Hofreiter:

    "Dazu braucht man aufeinander abgestimmte Taktfahrpläne. Denn das Problem, das wir im Moment ja oft haben, ist der - spöttisch genannt - sichtbare Anschluss. Was heißt das? Man steigt aus dem Zug aus und sieht seinen Bus wegfahren. Oder man sieht den Anschlusszug wegfahren. Das darf natürlich so nicht sein. Das heißt, wir brauchen erst einmal funktionierende Taktfahrpläne, die miteinander verknüpft sind."

    Auf Gleis neun fährt ein Intercity Express Franz Krukenberg.

    Die Deutsche Bahn AG soll in der Zukunft also eine entscheidende Rolle in der vernetzten Mobilität spielen. Sie hat in diesem Bereich ja bereits neue Geschäftsfelder für sich erschlossen - mit ihren Leihautos und -Fahrrädern. Ob das Unternehmen aber damit vorbildlich vorangeht, darüber streiten sich die Geister.

    "Die haben eigentlich die richtigen Ideen, aber aufgrund von zum Teil anderen Unternehmensteilen, die weiterhin auf Verkauf und Privatisierung wichtiger Infrastrukturteile setzen, versauen sie sich ihre eigenen Zukunftschancen."

    Anton Hofreiter bemängelt unter anderem, dass die Bahn die Bahnhöfe nicht ausreichend modernisiert. Sie verkenne damit Geschäftschancen. Denn in der vernetzten Mobilität der Zukunft würden die Umsteigeplätze, also allen voran die Bahnhöfe, zu regelrechten Mobilitätsdrehscheiben umgestaltet, argumentiert Hofreiter. Dort müsse es ausreichend Parkplätze für private wie Carsharing Autos, für Fahrräder und Pedelecs geben. Vorstellbar wären auch Ladestationen für Elektroautos oder Pedelecs. Der Verkehrswissenschaftler Weert Canzler sieht die Bahn dagegen auf dem richtigen Weg:

    "Das ist ja schon beispielgebend, dass man jetzt Flinkster an allen ICE-Bahnhöfen zumindest hat, dass man auch diese Leihfahrräder in allen großen Städten mittlerweile hat. Dass man, wenn man eine BahnCard 100 hat, kann man all das integriert in einer Karte, also das gibt es in diesem Teilsegment, was ein teures Segment ist, bereits. Also, da ist die Bahn schon ziemlich weit. Und wenn man das vergleicht mit anderen Unternehmen oder international, dann würde ich schon sagen, dass die Bahn da Vorreiter ist. "

    Der VCD, der Verkehrsklub Deutschland, fordert noch mehr Engagement. Die Mobilität der Zukunft erfordere, dass die Bahn das gesamte vorhandene Streckennetz bediene, nicht nur die viel genutzten Hauptstrecken, mehr Züge einsetze sowie den Taktplan verbessere. Positive Entwicklungen verzeichnet der verkehrspolitische Sprecher des VCD, Gerd Lottsiepen, im Nahverkehr und bei der Fahrradmitnahme - und bricht gleichzeitig eine Lanze für das bundeseigene Unternehmen:

    "Es wird halt bei jeder Gelegenheit immer wieder auf die Bahn geschimpft. Die Menschen nehmen es hin, dass sie im Auto im Stau stehen. Aber wenn man eine Stunde Verspätung bei der Bahn hat, dann ist das ein großartiges Thema am Stammtisch. Da muss man halt auch mal sehen, dass die Relationen dort stimmen."

    Eine große Herausforderung wird es sein, die individuelle Mobilität in ländlichen Regionen zukunftsfähig zu machen. Der Mobilitätsexperte Weert Canzler bringt den Istzustand auf den Punkt:

    "Auf dem Land ist es natürlich schwierig, was die Infrastruktur angeht. Da haben wir Straßen, da haben wir Tankstellen, da haben wir Autos und ein bisschen Busverkehr, und wenn man Glück hat, eine Bahnlinie."

    Nach Canzlers Ansicht werden sich die Unterschiede zwischen Stadt und Land noch vergrößern, wenn künftig die Vernetzungsstrategien in den Städten greifen und ausgebaut werden. Während hier die Verkehrsmittel dann annähernd gleichwertig genutzt werden, ist das eigene Auto in ländlichen Regionen auch im Jahr 2032 nicht wegzudenken. Die Politik geht davon aus, dass sich die derzeitige Bevölkerungsentwicklung fortsetzt. Das heißt, dass immer weniger und immer ältere Menschen auf dem Land leben werden.

    "Und wenn am Ende in einer solchen Ortschaft vor allem viele ältere Menschen sind, dürfen wir die natürlich nicht hängen lassen, sondern wir brauchen auch für sie mobile Versorgungsstrukturen. Und deswegen müssen dort solche Systeme wie Ruftaxi, Sammelbus und so weiter organisiert werden. "

    Und diese sollen nach den Vorstellungen des CDU-Politikers Dirk Fischer subventioniert werden. Immerhin flößen derzeit Zuschüsse in Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr in den öffentlichen Nahverkehr. Ein Teil davon müsse dem ländlichen Raum zugutekommen.

    Das Fahrrad gehört zu den wichtigsten Verkehrsmitteln in den Städten. Tendenz steigend, so der verkehrspolitische Sprecher des VCD, Gerd Lottsiepen. Um diese Entwicklung im Sinne von Umwelt- und Klimaschutz zu fördern, müsse die Politik mutiger werden. Lottsiepen fordert deshalb mehr Fahrradwege auf den Straßen, also auf den Fahrbahnen. Die gingen zwar auf Kosten des Autoverkehrs und der Parkplätze, seien aber notwendig:

    "Also mehr und bessere Möglichkeiten für den Fahrradverkehr, auch natürlich für den Fußverkehr. Dann haben wir meines Erachtens einen erheblichen Zugewinn, gerade im Wohnumfeld. Wenn die Menschen mehr unterwegs sind, dann lohnt es sich auch mal wieder irgendwo ein Straßencafé aufzumachen, was zum Verweilen einlädt oder irgendwo Bänke hinzustellen, dass man einfach sich lieber draußen aufhält, als in eine Intimkapsel in ein Auto zu steigen, 500 Meter hin, 500 Meter zurück - da muss die Politik handeln."

    Mehr Lebensqualität in den Städten durch weniger Autos, darauf setzt auch der Verkehrswissenschaftler Wolfgang Schade.

    "Wir gehen davon aus, dass die Zahl der privaten Pkw im urbanen Raum sich deutlich verringert durch die vernetzte Mobilität. Und damit habe ich auch Freiraum in den Städten gewonnen, das heißt, die Zahl der Parkplätze kann ich reduzieren, möglicherweise auch den Straßenraum etwas verkleinern. Und diesen Freiraum kann ich nutzen, um die Städte zum Beispiel grüner zu gestalten, vielleicht noch neuen Wohnraum anzulegen, der dann vielleicht auch ein bisschen grüner und ruhiger liegt."

    Angenehme Zukunftsvisionen, aber der Preis wäre für viele der Verzicht auf das eigene Auto. Ist das für 2032 vorstellbar? Das Pendler-Ehepaar Schiller aus Düsseldorf ist geteilter Ansicht.

    "Der Gedanke ist bestimmt da, aktuell nicht umsetzbar, weil er nur mit Nachteilen und Unbequemlichkeiten verbunden ist, Unflexibilität, aber wenn sich die Netze und die Möglichkeiten so ausbauen würden, wie sie aktuell fürs Autofahren ausgebaut sind, worauf ja der Schwerpunkt liegt, wird es attraktiver. Und das muss ja so sein, muss ja so erfolgen, wenn man konsequent zu Ende denkt. Nein, dazu fahre ich einfach zu gerne Auto. Und man ist einfach flexibel und kann hin, wo man möchte, wann man möchte."

    Das wäre ja nicht nur mit dem eigenen Auto, sondern auch mit einem geliehenen möglich. Carsharing ist ein wesentlicher Bestandteil auf die Zukunft gerichteter Mobilitätskonzepte - und ein neues Geschäftsfeld für Automobilhersteller. Der Absatz von Neuwagen stagniert in Europa. Die große Nachfrage auf den noch nicht gesättigten Märkten, etwa in Asien, kann das nur zum Teil auffangen. Die Automobilindustrie hat deshalb begonnen, sich andere Bereiche zu erschließen, wie etwa die Dienstleistung Carsharing. Vorreiter ist in Deutschland Daimler mit car2go, in vielen Städten vertreten. Die Fahrzeuge stehen jeweils über das Stadtgebiet verteilt und können nach Nutzung auch beliebig abgestellt werden. Andere Hersteller ziehen bereits nach, zählt der Mobilitätsforscher Weert Canzler auf:
    "DriveNow heißt das verenglischte Angebot von BMW, selbst Volkswagen fängt jetzt an mit einem Carsharing-Angebot, Quicar nenne sie das. Die französischen Hersteller haben so etwas im Angebot. Also alle gehen drauf, bereiten sich drauf vor, dass sie Kurzzeitvermietangebote schaffen, mit denen sie in der Stadt vor allen Dingen die Jungen erreichen wollen, weil die gehen ihnen Schritt für Schritt verloren. Wenn man sich vorstellt: Die durchschnittliche Käufergruppe von Mercedes-Limousinen ist deutlich über 50."

    Auch Opel will künftig beim Carsharing mitmischen und sich in regionalen Verkehrsvernetzungsprojekten engagieren. Überhaupt werde in dem Unternehmen darüber nachgedacht, welche Fahrzeuge man künftig anbieten werde und ob es nicht vielleicht andere als heute sein müssten, erklärt Frank Leopold, Abteilungsleiter in der Vorausentwicklung für neue Fahrzeugkonzepte und Innovationen bei Opel. Dabei stellt sich natürlich immer wieder die Frage, welche Antriebe sich künftig durchsetzen werden.

    Ob nun effizientere Verbrennungsmotoren, also mit weniger Verbrauch bei gleicher Leistung wie heute oder batteriebetriebene Elektromobile oder Brennstoffzellenautos. Für Leopold ist hier auch die Nachfrage entscheidend:

    "Man kann den Kunden ja auch nicht umdrehen. Wenn der Kunde ein Bedürfnis hat, einen SUV zu fahren, dann werden Sie ihm das nicht ausreden können. Was Sie aber sehen: Es kommen sehr effiziente Antriebe in solche Fahrzeuge rein, und Sie müssen dann irgendwann keinen Tankwagen mehr hinterherschicken. Ich denke, das ist so eine Schere von beiden Seiten, wo sich das hin entwickeln kann: Also es wird sich dahin entwickeln, dass die Autos weiterhin sehr attraktiv sind, aber dass viel mehr Carsharing angeboten wird und dass dann Leute sich überlegen, brauche ich wirklich ein eigenes Auto oder habe ich hier mit einem Mobilitätsangebot von der Stadt sozusagen die besseren Karten."

    Deutschland will der Leitmarkt der Elektromobilität werden. Bis 2020 will die jetzige Bundesregierung 20 Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straßen bringen. Derzeit sind es nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft etwas mehr als 2000. Mehr Elektromobilität - das bedeutet, man braucht zwar weniger Öl, aber mehr Strom. Für den Mobilitätsforscher Weert Canzler ist eindeutig, welche Energie hier zum Einsatz kommen muss.

    "Die fossile Energie geht zu Ende, das wissen wir alle, deswegen wird es darauf hinauslaufen, dass man Elektroantriebe regenerative speist. Alles andere wäre Unfug, schon unter CO2-Gesichtspunkten. Und das wird natürlich dann eine enorme Dynamik kriegen, wenn wir einen stärkeren Anteil regenerativer Energien haben, weil sind volatil, die fallen dann an, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Dann könnte man natürlich zum Abfangen solcher Spitzen dann umwandeln in Antriebsenergie für Fahrzeuge. Da liegen natürlich enorme Innovationschancen. "

    Denn dieser Strom könnte einerseits die Batterien von Elektroautos direkt aufladen. Oder man könnte damit Wassermoleküle spalten, also Wasserstoff für Brennstoffzellenautos gewinnen. Das sind Elektroautos, die Wasserstoff als Treibstoff brauchen. Sie haben eine deutlich größere Kilometerreichweite als batteriegestützte Elektromobile. Aber die Wasserstoffgewinnung ist zurzeit noch sehr teuer, ebenso die Herstellung der Batterien für E-Mobile. Diese alternativen Antriebe, auch wenn sie bereits technologisch serienreif sind, brauchen nach Ansicht von VCD-Sprecher Gerd Lottsiepen Markteinführungshilfen, damit sowohl Herstellung als auch Unterhalt bezahlbar werden:
    "Solange Benzin so billig ist wie heute, hat Wasserstoff keine Chance und hat auch die batterieelektrische Mobilität schwere Hindernisse vor sich."

    Billig im relativen Sinn, auch angesichts der derzeitigen Hochpreise an den Zapfsäulen. Lottsiepen fordert etwa eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Als andere Ideen schweben im Raum, ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch emissionsfreie Motoren in den Städten zuzulassen oder bei der Anschaffung von öffentlichen Fahrzeugen, Bussen etc. nur noch auf Elektroantriebe zu setzen, ob nun batterie- oder brennstoffzellengestützt. Letzteres bezeichnet auch Frank Leopold von Opel als sinnvolles Konzept:

    "Weil die Fahrzeuge immer gleiche Routen fahren. Da ist der Strom auch gut einsetzbar, weil er nicht mitgeführt werden muss."

    Aber für welchen Antrieb sich ein potenzieller Autokäufer im Jahr 2032 auch entscheiden mag - die heutige Massenmotorisierung wird dann wohl eher stagnieren. Derzeit gibt es in Deutschland mehr als 42 Millionen Pkw, Tendenz - noch - steigend. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts geht davon aus, dass im Jahr 2050 statistisch nur noch auf jeden vierten Bundesbürger ein Pkw kommt - statt wie jetzt auf jeden Zweiten.

    Gründe werden die sinkende Bevölkerungsdichte, die steigenden Kosten für den Pkw-Unterhalt und auch der mangelnde Platz in den Städten sein, die künftig weiter wachsen werden. Das Ehepaar Schiller besitzt jetzt ein gemeinsames Auto. Ende des Jahres erwarten beide ihr erstes Kind. Im Jahr 2032 wird ihr Sohn 20 Jahre alt werden. Wird es dann drei Autos in der Familie geben? Sabrina Schiller:

    "Wow, drei Autos, glaube ich eher nicht. Die muss man ja auch irgendwo hinstellen."

    Ehemann Marcel sieht das anders, vor allem, was die Interessen seines Sohnes angeht:

    "Ich denke schon, dass er vor allem in dem Alter ein Auto haben möchte, weil ein Auto zu haben und Auto zu fahren eine Selbstverständlichkeit ist. Man wächst so auf, man denkt gar nicht drüber nach."

    Nach Marcel Schillers Ansicht wird das Auto also doch des Deutschen liebstes Kind bleiben. Wie auch immer das der Sohn der Schillers letztlich handhaben wird, noch gibt es in der Familie nur einen Pkw, und noch fährt Marcel Schiller Motorroller oder S-Bahn.

    Und genau in diesem "Oder" wird die Zukunft der individuellen Mobilität liegen, betont noch einmal Gerd Lottsiepen vom VCD:

    "Mobilität wird nie wieder so langweilig sein wie heute."

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