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Sonderparteitag der CSU
Ein Wechsel an der Spitze in schwieriger Zeit

Knapp zwei Monate nach der Rücktrittserklärung von Horst Seehofer will die CSU auf einem Sonderparteitag Markus Söder zum neuen Parteichef wählen. Spannend ist dabei eigentlich nur, mit welchem Ergebnis er gewählt wird. Denn im Laufe der vergangenen Jahre hat er sich nicht nur Freunde gemacht.

Von Michael Watzke | 18.01.2019
    Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, spricht auf dem Neujahrsempfang der bayerischen Staatsregierung in der Residenz.
    Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, soll auch Parteichef werden (dpa / Matthias Balk)
    Neujahrsempfang des bayerischen Ministerpräsidenten in der Münchner Residenz. Im Kaisersaal tritt unter glitzernden Kronleuchtern Markus Söder ans Mikrofon.
    "Meine sehr verehrten Damen und Herren. Dies ist mein erster Neujahrsempfang als Ministerpräsident. Ich war oft hier, habe oft zugehört, wie Ministerpräsidenten gesprochen haben. Hab‘ natürlich nie gedacht – nicht im Entferntesten – selbst mal oben stehen zu wollen."
    Söders selbstironische Pointe erheitert die 3000 Gäste. Auch die jungen Damen mit Krönchen und Schärpe in der ersten Reihe lachen. Pauline Rieger ist die amtierende Mostkönigin aus Lalling in Niederbayern.
    Werben um grün-alternative Milieus
    "Also ich finde, bis jetzt macht er sich ganz gut. Vor allem, weil ich heute in den Nachrichten gehört habe, dass er die Pferde-Polizeistaffel etwas erweitern möchte."
    Das sieht Alica Summ, die Deutsche Zuckerrüben-Königin aus Ullstadt in Mittelfranken, genauso.
    "Also aus meiner Sicht – ich bin ja aus Franken – also wir sind richtig stolz, dass wir wieder mal einen fränkischen Ministerpräsidenten haben. Ich habe vor zwei Jahren schon mal das Vergnügen gehabt, dass ich mit dem Ministerpräsidenten – damals noch Finanzminister Söder - den Zuckerrüben-Ball eröffnen durfte und mit ihm tanzen durfte. Ist schon ein bisschen etwas Besonderes."
    Der designierte CSU-Vorsitzende Markus Söder vor der Klausurtagung im Kloster Seeon.
    Der designierte CSU-Vorsitzende Markus Söder vor der Klausurtagung im Kloster Seeon (deutschlandradio / Nils Heider)
    Den Adel hat Bayerns neuer Regent also hinter sich. Nun umschmeichelt er neue Wählerschichten, die die CSU lange vernachlässigt hat. Etwa grün-alternative Milieus. Söder deutet aus dem Fenster, auf die tanzenden Schneeflocken vor der Residenz.
    "Manche einer sagt, es schneit mal wieder. Andere sagen, der Klimawandel ist spürbarer denn je. Ich glaube, wir müssen den Klimawandel ernst nehmen, schauen, wie wir mit dem Klimawandel umgehen. Um ihn zu mildern."
    Grüne fordern konkrete Maßnahmen
    Ein leises Raunen geht durch den Kaisersaal: Markus Söder als Bayerns oberster Umweltschützer? Seit ein paar Wochen lässt der neue Ministerpräsident die CSU ergrünen, ohne rot zu werden. Da sehen die echten Grünen schwarz.
    "Ich stelle mir Markus Söder gerade so vor: Er denkt sich, ich muss was für den Klimaschutz tun. Also sagt er, das schreibe ich in die Verfassung, mache einen Haken hinter. Das Thema ist abgearbeitet."
    So einfach sei es aber nicht, findet Ludwig Hartmann. Der Fraktions-Chef der bayerischen Grünen will der CSU nur dann helfen, den Klimaschutz als Staatsziel in die bayerische Verfassung aufzunehmen, wenn die CSU konkrete Maßnahmen vorschlage. Etwa den Ausbau der Windkraft.
    "Also die CSU hat keine Glaubwürdigkeit in der Umweltpolitik. Man kann sich ja nicht hinstellen und sagen, man möchte gar nichts vorschreiben. Man möchte alles freiwillig machen. Man hat keine Verbindlichkeit beim Naturschutz, und dann sagen: man sei besser im Umweltschutz. Naturschutz, Lebensgrundlagen erhalten: Da muss ein Staat immer lenkend eingreifen."
    Ludwig Hartmann und Katharina Schulze, das Spitzenduo von Bündnis 90/Die Grünen für die bayerische Landtagswahl 2018, und Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, beim kleinen Parteitag der bayerischen Grünen am 07.10.2018. Foto: Tobias Hase/dpa | Verwendung weltweit
    Der Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann (l.) sieht Söders Ankündigungen kritisch (Tobias Hase / dpa)
    Hartmann, dessen Grüne bei der Landtagswahl im Oktober stärkste Oppositionspartei wurden, hält Söder für einen reinen Machtmenschen ohne tiefere Überzeugungen.
    "Ich kenne ihn jetzt seit zehn Jahren aus dem bayerischen Landtag. Er hat immer darauf hingearbeitet, dahin zu kommen, wo er jetzt ist. Das war sein einziges Ziel: Ministerpräsident zu werden. Jetzt hat er das Amt und weiß gar nicht, was er damit machen soll. Und dann sieht er: Umwelt ist gerade ein Thema, das funktioniert. Da mache ich auch was. Aber er hat die Ideen nicht. Das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, ist in Sachen Umweltschutz ein reiner Lückentext. Alles nur Absichtserklärungen, gar nichts Konkretes."
    Söder im Deutschlandfunk-Interview
    Markus Söder bestreitet das. Der frühere bayerische Umweltminister erklärt im Deutschlandfunk-Interviewaddon , die Schöpfung zu bewahren sei urkonservativ.
    "Ja, wenn Sie den Klimawandel anschauen: Es gibt immer noch Leute – die AfD neigt auch dazu – die glauben, der Klimawandel sei quasi das Ergebnis einer groß angelegten Verschwörungstheorie. Das heißt, es gibt ein Ignorieren von Fakten, zum Teil auch ein Leugnen von Fakten. Und es ist auch eine andere Art des Absprechens der persönlichen Ehre entstanden. Und das müssen wir ändern. Denn das führt irgendwann zu noch mehr Abspaltungen, noch mehr Abgrenzungen. Und auch dazu, dass aus bösen Gedanken nicht nur böse Worte, sondern vielleicht auch mehr wird."
    Während Söder die neue Linie der CSU erklärt, stapft 100 Kilometer weiter südlich ein Mann durch den Tiefschnee, mit dem sich Söder einen jahrelangen Machtkampf geliefert hat.
    Horst Seehofer ist nach Berchtesgaden gekommen, um den schneegeplagten Alpengemeinden die Hilfe seines Bundes-Innenministeriums zu versprechen.
    "Die Bundespolizei ist geplant für die nächsten drei Tage. Aber es steht völlig außer Frage – und davon kannst Du ausgehen, lieber Landrat – dass wir uns da nicht zurückziehen, wenn die großen Aufgaben noch nicht erledigt sind."
    Seehofer nimmt langsam Abschied
    Der Bundesinnenminister ist in diesen Wochen häufig in Oberbayern unterwegs. Als suche er die Nähe zu seiner politischen Heimat, seinen Wurzeln. Ob in den Katastrophengebieten am Alpenrand oder bei den CSU-Bundestagsabgeordneten im Kloster Seeon am Chiemsee.
    "Für mich ist heute ein besonderer Moment, denn ich nehme an der 49. Winterklausur persönlich teil. 39 mal bei der CSU-Landesgruppe, zehn mal bei der CSU-Landtagsfraktion. Sie werden verstehen, wenn ich diese Stunden als besonderen Moment einstufe. Zumal ich ja mit Sicherheit zum letzten Mal als Parteivorsitzender der CSU eine Winterklausur meiner Partei begleite."
    Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, kommt zu einer Pressekonferenz zu dem umfangreichen Daten-Diebstahl bei etwa 1000 Politikern und Prominenten. Nach dem massiven Online-Angriff will die Bundesregierung Konsequenzen ziehen und die Cyber-Sicherheit verbessern.
    Horst Seehofer (CSU) verlässt die Politik nur langsam (Bernd von Jutrczenka/dpa)
    Umso auffälliger ist, welche Termine Seehofer derzeit auslässt. Beim Neujahrsempfang seines Nachfolgers fehlt er ebenso wie bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Christsozialen, dass der amtierende Parteichef das Treffen mit den Landtagsabgeordneten schwänzt. CSU-Fraktions-Chef Thomas Kreuzer sagt achselzuckend:
    "Wir haben Horst Seehofer eingeladen zum Vorstand, weil er Mitglied des Vorstands ist als Parteivorsitzender. Das ist nach Satzung so. Es hätte Gelegenheit gegeben, ihm noch mal zu danken ihn zu verabschieden. Er hat aber aus terminlichen Gründen abgesagt. Wir haben das bedauert."
    Schuld für das Landtagswahldebakel
    Andere CSU-Abgeordnete äußern sich weniger diplomatisch. Der Oberfranke Alexander König hatte vor anderthalb Jahren als erster öffentlich Seehofers Rücktritt als Ministerpräsident gefordert. Heute bilanziert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende:
    "Das war richtig so. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es der spätest mögliche Zeitpunkt war, um aufzuhören als Ministerpräsident."
    Horst Seehofer hatte es kürzlich in einem Zeitungsinterview als seinen größten Fehler bezeichnet, seinen Rücktritt zu früh verkündet zu haben. Sein größter Erfolg sei gewesen, die CSU vor einem neo-liberalen Kurs bewahrt zu haben. Alexander König widerspricht.
    "Ich kann nicht erkennen, dass jetzt vor dem Horst Seehofer ein neoliberaler Kurs gewesen wäre, den er beendet hätte. Das halte ich für einen Schmarrn. Das muss ich ehrlich sagen."
    Ein Bild des CSU-Politikers Alexander König, daneben seine Aussage als Zitat: "Ich glaube, dass Horst Seehofer viel für Bayern getan hat, aber alles und jeder hat seine Zeit."
    Seehofer-Kritiker Alexander König (dpa/dlf24)
    Andere CSU-Abgeordnete wie der Passauer Walter Taubeneder geben die Schuld für das Landtagswahldebakel der CSU dem scheidenden Parteivorsitzenden:
    "An den Informationsständen draußen haben garantiert drei Viertel der Leute gesagt: ‚Euer großes Problem ist Horst Seehofer. Das geht so nicht, ich kann nicht auf der einen Seite die Kanzlerin abkanzeln, und auf der anderen Seite mache ich dann wieder Gemeinsamkeit.‘ Das versteht der einzelne Bürger nicht mehr. Und das hat er nicht verstanden. Und das Ergebnis war das schlechte Wahlergebnis."
    Söder genießt uneingeschränkten Rückhalt
    Taubeneder betont, Horst Seehofer habe große Verdienste für die CSU erworben, aber "es ist halt ein bisschen aus dem Ruder gelaufen die letzten Jahre. Ist schade eigentlich, dass wir innerhalb von fünf Jahren einen solchen Vertrauensverlust hinnehmen müssen. Über zehn Prozent. Das tut schon weh. Das sind schon politisch-strategische Fehler in der Führungsspitze gemacht worden."
    Niemand in der CSU-Fraktion lastet diese Fehler dem neuen Ministerpräsidenten Markus Söder an. Weder öffentlich noch in Hintergrundgesprächen. Söder, beteuert der Abgeordnete Taubeneder, genieße uneingeschränkten Rückhalt. Auch als designierter Parteichef.
    "Der weiß schon, was er will. Er kann klar formulieren. Er ist gut strukturiert. Er kann – was nur wenige können – komplizierte Sachverhalte verständlich und deutlich rüberbringen. Der gibt uns schon Profil in Berlin. Wie das dann funktioniert, wenn Seehofer dort weiter als Innenminister tätig ist, das weiß ich nicht. Das kann unter Umständen vielleicht schon einige Probleme bereiten. Weil das schon schwierig ist, wenn aus München klare Vorgaben kommen, und die muss man dann doch in der Landesgruppe einigermaßen dann wieder aufnehmen und umsetzen. Das macht das eine oder andere vielleicht problematisch."
    Seehofer bleibt Innenminister
    Es gibt CSU-Abgeordnete, die sich fragen, warum sich Horst Seehofer das antut, unter einem CSU-Chef Markus Söder Bundesinnenminister zu bleiben - vom Koch zum Kellner zu werden. Eine Antwort darauf will in Banz kein Abgeordneter ins Mikrofon geben. Christian Deutschländer, der Chefreporter der Zeitung "Münchner Merkur", glaubt den Grund zu kennen:
    Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Chef Horst Seehofer auf einer Pressekonferenz am Tag nach der bayerischen Landtagswahl.
    Innenminister will Horst Seehofer bleiben, auch wenn der bayerische Ministerpräsident Markus Söder noch CSU-Parteichef ist (dpa/Michael Kappeler)
    "Die traurige Antwort ist, dass Horst Seehofer außer Politik relativ wenig hat in seinem Leben. Er ist seit 40 Jahren Berufspolitiker mit allen Aufs und Abs. Er hat natürlich seine Familie, er hat seine Modelleisenbahn. Aber ich glaube, der Gedanke, bei sich zu Hause im Keller zu sitzen und nur noch Modelleisenbahn zu bauen, der schreckt ihn eher ab. Er will Politiker bleiben, mit Leib und Seele."
    Deshalb ist der morgige Parteitag der CSU in München für Horst Seehofer nur ein Abschied auf Raten. Der scheidende Partei-Chef – mit der zweitlängsten Amtszeit nach Franz-Josef Strauß – wird gleich zu Beginn seine Abschiedsrede halten. Die Parteitagsregie räumt ihm 45 Minuten ein, lässt aber offen, ob sich Seehofer daran halten wird. Sein früherer Vertrauter Alexander Dobrindt hofft, dass Seehofer versöhnliche Worte findet.
    "Ach, ich bin mir sicher, dass er sich dann die Worte, die er sich vorher bestimmt im Detail zurechtgelegt hat, dann auch auf der Bühne daran erinnern wird, dass er sie auch sagt."
    Etliche Gegenstimmen erwartet
    Seehofer hat in den letzten Tagen unterschiedliche Signale ausgesandt: mal hat er sich versöhnlich gezeigt: die CSU bleibe seine Familie, er werde ihr nicht schaden. Andererseits hat er Markus Söder für die kommende Europawahl gleich mal eine Messlatte gesetzt: 40 Prozent müsse die Partei mindestens holen. Dabei sprechen sie im CSU-Vorstand derzeit überhaupt nicht gern über Prozente. Weder über die neueste Umfrage, die die Partei mit 35 Prozent sogar unter dem schlechten Landtagswahlergebnis sieht. Noch darüber, wie viele der 1000 Delegierten beim morgigen Parteitag Markus Söder zum Vorsitzenden wählen werden. Das Ergebnis wird die Stimmungslage in der Partei spiegeln. Nach der desaströsen Landtagswahl sind längst nicht alle zufrieden, auch wenn Söder die Regierungsbildung mit den Freien Wählern schnell und reibungslos absolvierte. Christian Deutschländer vom "Münchner Merkur" glaubt, Söders Ergebnis werde deutlich unter 90 Prozent liegen.
    "Markus Söder wird nicht alle hinter sich bringen. Dazu gibt es zu viele, die er im Laufe der Zeit verletzt hat. Die ihm kritisch gegenüberstehen. Er steht dieses Jahr zweimal zur Wahl. Jetzt im Frühjahr, dann im Herbst noch mal. Das heißt, wenn er jetzt so um die 85 Prozent vielleicht schafft und sich später etwas verbessert, dann ist das ein Okay-Ergebnis. Damit kann er sich sehen lassen."
    Kramp-Karrenbauer zu Gast
    Ein Gast dürfte die Stimmung in der "Kleinen Olympiahalle" in München besonders sorgfältig analysieren: Annegret Kramp-Karrenbauer wird ganz vorne zwischen Söder und Seehofer sitzen und lächeln. Nichts soll das Bild der wiedergefundenen Harmonie in der Union trüben. CSU-Generalsekretär Markus Blume spricht von einem neuen Kapitel in den Beziehungen der beiden Schwestern:
    Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU, nimmt an der Abschlusspressekonferenz der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag im Kloster Seeon teil.
    Die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer will ein neues Verhältnis zur CSU (Lino Mirgeler/dpa)
    "Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue CDU-Vorsitzende, wird ein Grußwort sprechen. Dieser Parteitag ist der Startschuss für einen Erneuerungsprozess, der uns die nächsten sieben, acht Monate auch in der Partei fordern und beschäftigen wird. Nicht nur personell, sondern auch strukturell und inhaltlich. Wir wollen auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren, wir wollen neues Augenmerk zeigen für Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen."
    Blume will die CSU zur Mitmach-Partei umbauen, er will sie jünger und weiblicher machen. Das aber wollten auch seine Vorgänger unter Parteichef Seehofer – aber mit mäßigem Erfolg. Die Söder-CSU unterscheidet sich von der Seehofer-CSU bisher vor allem in einer Hinsicht: Söder hat – besonders im Wahlkampf – noch mehr Sozialleistungen und Staatsausgaben versprochen als Seehofer. Vom Pflegegeld über das Familiengeld bis zur Hebammen-Prämie schüttete Söder ein Füllhorn an steuerfinanzierten Wohltaten aus. Jetzt, nach der Wahl, zeigt sich: Der finanzielle Spielraum im Haushalt des Freistaates Bayern ist erschöpft. Vielleicht sogar schon überstrapaziert.
    Schuldenabbau soll weitergehen
    Julika Sandt, die stellvertretende Fraktions-Chefin der FDP im bayerischen Landtag, fürchtet gar "erschreckende Dinge: dass nämlich die ganzen Wahlversprechen offensichtlich nicht eingehalten werden können. Ich habe heute auch von einigen CSU-lern gehört – von Angeordneten und Kabinettsmitgliedern – auch die mir den Eindruck vermittelt haben, dass der Haushalt überzeichnet ist. Wenn das zutrifft, wäre das natürlich skandalös. Denn wir müssen Schulden abbauen. Es sollten 500 Millionen Euro Schulden pro Jahr abgebaut werden. Und wenn das nicht vorangeht, entspricht das nicht dem, was angekündigt wurde."
    Söder weist das zurück. Bayern werde auch in Zukunft keine Schulden machen, sondern abbauen.
    "Da bleiben wir in unseren finanzpolitischen Zielen klar. Wir müssen halt wie immer, vor jeder Haushaltsverhandlung ... ich war jahrelang Finanzminister… wissen Sie, je höher die Einnahmen, desto höher die Wünsche. Das ist normal. Und werden da in fairem, vernünftigen Miteinander mit den Häusern, mit den Freien Wählern [dafür sorgen], dass da alles abgebildet wird. Da machen wir uns keine Sorgen. Und zwar nicht nur ein Haushalt, der für zwei Jahre hält, sondern der die langfristige Finanzperspektive Bayerns behält."
    Gefahren für die Konjunktur
    Doch was passiert, wenn sich die Konjunktur eintrübt? Wenn ein ungeordneter Brexit die europäische Wirtschaft ins Chaos stürzt? In keinem anderen Bundesland sind so viele Unternehmen so stark mit Großbritannien verknüpft wie in Bayern. BMW etwa betreibt auf der Insel mehrere Werke und hat Milliarden investiert. Die Ängste der bayerischen Wirtschaft nehmen zu. Und auch auf der lichten Stirn von Manfred Weber, dem CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl im Mai, haben sich tiefe Sorgenfalten eingegraben.
    "Wir müssen mit den Briten Klartext reden, dass sie uns jetzt endlich Orientierung geben, was vor allem das britische Unterhaus denn eigentlich erreichen will. Nein sagen ist einfach, Zukunft geben ist schwierig. Und deswegen bitten wir die britischen Kollegen, uns jetzt Orientierung zu geben."

    Manfred Weber, CSU-Europapolitiker aus Niederbayern, ist Spitzenkandidat der europäischen Konservativen. Nach der Europawahl im Mai könnte der Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament neuer EU-Kommissionspräsident werden. Also einflussreichster Politiker der Europäischen Union. Daheim im Freistaat bewirbt die CSU Weber mit dem Slogan "Ein Bayer für Europa". Doch das klappt nur, wenn die europafeindlichen Kräfte bei der Europawahl nicht stärker abschneiden als Konservative und Sozialdemokraten zusammengenommen. Bei der letzten Europawahl 2014 stellte die CSU mit Peter Gauweiler selbst einen EU-feindlichen Spitzenkandidaten auf – und holte 40,5 Prozent. Damals war das ein Tiefschlag, aus dem man gelernt habe, sagt der designierte CSU-Chef Söder.
    Der CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber
    Der CSU-Politiker Manfred Weber ist Spitzenkandidat der europäischen Konservativen für die Europawahl im Mai 2019 (picture alliance / SvenSimon)
    Gegen die Marginalisierung Europas
    "Wir haben ja in den letzten Jahrzehnten, auch im letzten Europa-Wahlkampf, auch wir als CSU, immer so einen Spagat gehabt, ja? Grundsätzlich sind wir für Europa, aber da gibt’s auch vieles, was uns stört. Und das war auch möglich, weil Europa nicht grundsätzlich infrage stand. Aber diesmal wird’s ganz anders sein. Wenn man sieht, dass der italienische Innenminister nach Polen fährt und gegen Europa wirbt, dass er sich gleichzeitig dafür ausspricht, Gelbwesten in Frankreich anstachelt, quasi ihren Weg noch engagierter fortzusetzen. Wenn man sieht, dass jetzt ein Brexit stattfindet, der Europa in Mitleidenschaft zieht, dann sind das lauter Nationalisten und Populisten, die möchten den Brexit nicht am Rande von Europa, die möchten einen generellen Exit für die Idee Europa. Eine Spaltung Europas mitten durch den Kontinent. Und das bedeutet nicht nur, dass möglicherweise keine EU-Kommission zustande käme. Das bedeutet eine grundlegende Schwächung Europas. Ein Verlust an Sicherheit und Freiheit. Und ein Marginalisieren Europas im internationalen Kontext. Und dagegen müssen sich alle engagiert wenden. Wir werden das jedenfalls als CSU tun."
    Ein solch flammendes Plädoyer für die Europäische Union hat lange kein CSU-Chef mehr gehalten. Markus Söder hat in den letzten Monaten eine erstaunliche Wandlung durchgemacht: vom lautstarken Polit-Rempler zum ausgleichenden Mann der Mitte. Bisher scheint ihm seine Partei auf diesem Weg zu folgen. Aber sie hat hohe Erwartungen an ihn. Alexander König, der CSU-Landtagsabgeordnete aus Hof in Oberfranken, will keinen Leisetreter an der Spitze der Christsozialen, sondern eine selbstbewusste Stimme in Berlin.
    "Markus Söder hat sich nach meiner Wahrnehmung in den letzten Monaten auf seinen Job als Ministerpräsident konzentriert, hat bayerische Landespolitik gemacht. Und ich persönlich erwarte mir schon von ihm, dass er sich auch zu den nationalen Themen stärker einlassen wird in Zukunft."
    Für einen CSU-Vorsitzenden ist Bayern zu wenig
    Und der CSU-Abgeordnete Walter Taubeneder aus dem niederbayerischen Passau wünscht sich Verlässlichkeit, nicht mehr so viele Kurswechsel wie unter CSU-Chef Seehofer:
    "Wir haben jetzt einen Neuanfang mit Markus Söder. Ich finde es gut, dass das in einer Hand ist. Weil es funktioniert nur dann. Wenn man jetzt Söder und Weber zusammen hätte – das stelle ich mir eher schwierig vor. Drum ist es besser, dass einer die Gesamtverantwortung hat. Aber die muss man immer wieder einfordern, wenn es nicht funktioniert. So stelle ich mir Politik vor."
    Auf dem Neujahresempfang in der Münchner Residenz konzentriert sich Söder noch ganz auf Bayern. Ministerpräsident sei sein Traumjob, sagt der Franke. Um den Job als CSU-Chef habe er sich nicht gerissen. Nach Berlin ziehe ihn nichts. Er sei lieber in München – und am liebsten in Nürnberg. Er sei halt durch und durch ein Bayer:
    "In diesem Sinn: Lassen Sie uns dieses Jahr besonders bayerisch sein. Herzlich willkommen, alles Gute und ein gutes neues Jahr! Herzlichen Dank!" [Applaus.]
    Für einen bayerischen Ministerpräsidenten mag Bayern ausreichen. Für einen CSU-Vorsitzenden aber ist Bayern zu wenig. Das wird Markus Söder morgen beim Parteitag der CSU zu spüren bekommen.