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Sondierungsgespräche gehen weiter
Neue Woche, neues Konfliktpotenzial

In der vergangenen Woche gab es bei den Sondierungen zwischen Union, FDP und Grünen erstmals Zoff und der könnte sich nun fortsetzen: Auch beim Komplex Arbeit, Soziales und Rente liegen die Positionen der Parteien weit auseinander. Einzig bei einem Thema herrscht Einigkeit.

Von Paul Vorreiter | 30.10.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt zur Fortsetzung der Sondierungsverhandlungen zwischen CDU, CSU, FDP und Bündnis90/Die Grünen am 30.10.2017 vor der Deutschen Parlamentarische Gesellschaft in Berlin an.
    Neue Woche nach dem ersten Zoff: Angela Merkel auf dem Weg zu den Sondierungsgesprächen (dpa-Bildfunk / Michael Kappeler)
    Beim Thema Europa, Migration und Klima hat es in den Sondierungen bereits Zoff gegeben: Vielleicht kommt im Laufe des heutigen Tages noch ein weiteres Themenfeld dazu, Arbeit, Soziales und Rente. Denn auch hier liegen die Parteien weit auseinander.
    Union bei der Rente uneins
    CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn verlangt die Rücknahme der Rente mit 63 für langjährig Beschäftigte. Das Geld solle lieber in die Renten von Witwen und Erwerbsgeminderten investiert werden, sagte er der "Rheinischen Post". Grundsätzlich findet die Union allerdings, dass in der Rentenpolitik die richtigen Weichen schon in den vergangenen Regierungsjahren gestellt wurden. Erst für die Rente ab 2030 soll eine Rentenkommission in den nächsten zwei Jahren Vorschläge ausarbeiten.
    Die CSU verspricht, die Mütterente nochmal zu erweitern, die Frauen zugute kommt, die sich zuhause um ihre Kinder gekümmert haben und währenddessen auf einen Job verzichtet haben. CDU, Grünen und FDP ist das zu teuer.
    FDP für Flexibilität, Grüne für Garantie
    Die FDP ist für eine flexible Rente, bei der Menschen ab 60 selbst entscheiden, wie lange sie arbeiten. Die Liberalen machen sich für ein Baukastenprinzip stark, das betriebliche und private Altersvorsorge attraktiver macht.
    Die Grünen halten zwar grundsätzlich an der Rente mit 67 fest, wollen es Menschen aber leichter machen, selbst zu entscheiden, wann sie nicht mehr arbeiten wollen. Um Altersarmut zu verhindern, schwebt ihnen eine "Garantierente" vor, die über der Grundsicherung liegt.
    Ohnehin haben die Grünen den größten Reformeifer im sozialen Bereich. Sie fordern die Einführung einer Bürgerversicherung, in die auch Selbständige einzahlen. Anders als Union und FDP, die das bisherige System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung nebeneinander so behalten wollen.
    Familien und Alleinerziehende wollen die Grünen mit zusätzlich zwölf Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt fördern. Die Union verspricht ein Baukindergeld und ein höheres Kindergeld. Die FDP setzt vor allem auf steuerliche Vergünstigungen, in dem Kinderfreibeträge erhöht und Betreuungskosten bis zum Höchstbetrag steuerlich voll absetzbar werden.
    Einigkeit beim Thema Pflegeberufe
    Alle vier Parteien sind sich einig, dass Pflegeberufe attraktiver werden müssen. Die CSU will die ambulante Pflege stärken und ein bundesweites Investitionsprogram für Kurzzeitpflege auflegen. Die FDP verspricht, Möglichkeiten der Digitalisierung auch bei der Pflege besser zu nutzen und fordert weitere Reformen bei der Pfleger-Ausbildung. Nicht zuletzt, um die Versorgung mit Pflegefachkräften zu sichern, halten FDP und Grüne ein "Zuwanderungsgesetz" für notwendig.
    Beim Arbeitsmarkt dürften vor allem FDP und Grüne aneinandergeraten. Die Grünen wollen sogenannte "sachgrundlose, befristete Beschäftigungsformen" beenden, wie Fraktionschefin Katrin-Göring-Eckardt klarmacht:
    "Das ist so eine Art permanent verlängerte Probezeit und das betrifft in der Tat vor allem junge Leute, Leute die eigentlich im Leben ankommen wollen, die vielleicht Familie planen wollen und deswegen ist das einer der Punkte, über den wir heute, wenn wir heute über Arbeitsmarkt reden, sprechen."
    Erst kleine Gruppen, dann größerer Kreis
    Zunächst in kleineren Verhandlungsgruppen, später dann im größeren Kreis, so ist das heute geplant. Dann dürfte auch besprochen werden, ob es einen Anspruch geben soll, aus Teilzeit in eine Vollzeitanstellung zurückzukehren. Die Grünen wollen damit vor allem Frauen helfen, die häufig Probleme haben, aus der Teilzeit wieder herauszukommen.
    Stefan Ruppert, der für die FDP sondiert, mahnte am Morgen zu Kompromissbereitschaft:
    "Ich bin meistens beim Zuhören klüger geworden und nicht beim Reden, insofern aufeinander zugehen, gucken, was der Andere für Anliegen hat, ist eine Herangehensweise in der Politik, die bei aller Aufgeregtheit und Gegensätzlichkeit manch Einem gut täte."
    Ob sich die Sondierungsteams aus Union, FDP und Grünen daran gehalten haben, wird sich im Laufe des Tages noch zeigen.