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Sonnenbad für Lebensmittel

Ernährung.- Nach Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts, verfügen etwa zwei Drittel der deutschen Bevölkerung über zu wenig Vitamin D - dessen Produktion vor allem durch Sonnenschein gefördert wird. Lebensmittelchemiker belichten nun Nahrungsmittel, um diesen Mangel auszugleichen.

Von Volker Mrasek | 01.10.2012
    In diesem Punkt unterscheidet uns nichts von einem gewöhnlichen Austernseitling. Gönnt man dem Pilz ein Sonnenbad, macht er genau das Gleiche wie die Zellen unserer Haut: Er nutzt das UV-Licht der Sonne und synthetisiert Calciferol, besser bekannt als Vitamin D. Der Ausgangsstoff dafür nennt sich Ergosterol. Es ist ein Bestandteil der Pilz-Zellwände ...

    "Man kann Speisepilze, die relativ hohe Gehalte des Vorläufers pflanzlichen Vitamin Ds enthalten, belichten. Und analog zum Menschen, lässt sich in Pilzen mit Hilfe von UV-Licht Vitamin D aus den jeweiligen Vorläufern bilden."

    Das ist das Konzept, an dem Maximilian Wittig arbeitet, Doktorand am Institut für Lebensmittelchemie der Universität Hannover. Vitamin-D-angereicherte Pilze sollen uns über den Winter helfen, wenn die Sonne nur noch schwach strahlt und unser Körper nicht mehr genügend Calciferol selbst produziert.

    Das ist nämlich das Problem mit dem sogenannten Sonnenvitamin: Es gibt kaum Lebensmittel, die viel davon enthalten und über die man seinen Bedarf decken kann. Eigentlich nur fettreichen Fisch. Nach Daten des Robert-Koch-Instituts sind zwei Drittel der deutschen Bevölkerung in der dunklen Jahreszeit nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt.

    "In den Pilzen befinden circa sich 50 bis 70 Milligramm pro 100 Gramm Frischgewicht des Vorläufers Ergosterol. Recht hohe Mengen. Und durch eine einminütige Belichtung, lassen sich Mengen für eine Portion Pilze von circa 80 Mikrogramm erreichen. Und diese 80 Mikrogramm sind schon sehr hoch, was die Vitamin-D-Konzentrationen angeht. Also, damit wäre schon ein, sag' ich 'mal, Wochenbedarf abgedeckt mit einer einmaligen Einnahme einer solchen Portion."
    Wie Wittig sagt, werden solche Pilze in den USA bereits vermarktet. Für eine Zulassung in Europa fehlten aber noch Daten, etwa über mögliche stoffliche Veränderungen im Lebensmittel infolge der UV-Belichtung. Solche Analysen führte der Lebensmittelchemiker jetzt in Hannover durch:

    "Wir haben untersucht: das Fettsäure-Spektrum, das Aminosäure-Spektrum, also nutritive Leitsubstanzen. Und da haben wir keine Unterschiede feststellen können, so dass wir das als sehr risikoarmes oder sogar risikofreies Verfahren ansehen zur Vitamin-D-Generierung."
    Einen ganz ähnlichen Ansatz verfolgen Forscher in einem Verbundprojekt an der Universität Halle-Wittenberg. Auch sie versuchen, den Vitamin-D-Gehalt durch UV-Licht zu erhöhen. Und zwar bei Speisefischen. Marcus Glomb, Professor für Lebensmittelchemie in Halle:

    "Es ist ein durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziertes Projekt. Und die Ergebnisse sehen sehr vielversprechend aus."

    Glomb und seine Kollegen arbeiten mit Forellen. Man kann den Vitamin-D-Gehalt im Fett der Fische zum Beispiel dadurch steigern, dass man sie in flachen Becken züchtet, so dass die ganze Wassersäule von Sonnenlicht durchdrungen wird. Oder man belichtet die Forellen mit künstlichem UV-Licht, genauso wie die Pilze. Das geht im Zuchtbecken, aber auch noch während der späteren Verarbeitung der Fische.

    "Und dadurch erreichen wir, dass die Vitamin-D-Gehalte in den Fischen also um das Zwei- bis das Fünffache, teilweise das Zehnfache ansteigen. Und auch dadurch erreicht man dann – Fisch ist eine der wichtigsten Quellen für die Vitamin-D-Supplementierung in der täglichen Diät -, dass wir dort auch eine Anreicherung dann zum Schluss erreichen."

    Wann solche angereicherten Seitlinge oder Forellen auf den deutschen Markt kommen, können die Wissenschaftler nicht genau sagen. Das hängt vor allem an Fragen der Zulassung in Europa. Die Lebensmittelindustrie ist jedenfalls interessiert und zum Teil Kooperationspartner in den laufenden Projekten.

    Ein künftiger Anbieter von Super-Vitamin-Pilzen müsste sein Produkt auf jeden Fall kennzeichnen, betont Maximilian Wittig:

    "Er müsste einen Hinweis anbringen, dass diese Pilze mit Vitamin D angereichert sind."

    Sinnvoll wäre auch eine Warnung vor zu häufigem Verzehr. Auch das müsste sichergestellt sein: dass Verbraucher nicht zu viel des Guten zu sich nehmen! Das kann nämlich durchaus schaden – auch bei Vitaminen!