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Sonntagszahlenspiele zur Wahl

Am Sonntag um 18 Uhr schlägt wieder die Stunde der Meinungsforscher. Die ARD und das Deutschlandradio vertrauen dabei seit vielen Jahren auf die Wahlforscher von infratest dimap. Dabei ist das, was am Sonntag so im Vordergrund steht, wirtschaftlich eher ein Randgeschäft und dennoch ein wichtiges Aushängeschild für den Mutterkonzern TNS infratest.

Von Theo Geers | 25.09.2009
    "Die FDP hat ein gutes Programm – ich fühle mich bei der Deutschen Post gut aufgehoben ... .stimme eher zu"

    Das Stimmengewirr schwillt an und ab – je nachdem wie viele der vielleicht 15 Interviewer gerade gleichzeitig am Telefon hängen und eine Umfrage durchführen. Zu viert sitzen sie bei hier bei TNS Emnid in Bielefeld an einem Tisch, das Headset auf den Ohren, vor sich den Monitor, auf dem die einzelnen Fragen und die Antworten der Zielpersonen angeklickt werden ...

    "Guten Tag, Mein Name ist Gesa Jucikas. Ich rufe an von TNS Emnid. Und zwar geht es um eine Befragung zu internationalen Themen – dazu würde ich Ihnen gerne ein paar Fragen stellen ..."

    Thematisch geht es quer durch den Garten. Ein Interviewer fragt nach dem Bekanntheitsgrad einer Bausparkasse, nebenan geht es um die Zufriedenheit mit der Industrie- und Handelskammer oder mit dem Service der Post ...

    "... unzufrieden. Wenn sie jetzt an die wirtschaftliche Situation denken, wie würden Sie die gegenwärtige wirtschaftliche Situation in Deutschland beschreiben? Ist die sehr gut, eher gut ..."

    Jetzt, kurz vor der Wahl, geht es natürlich vor allem um Politik. Etwa: Kommt, nach den Überfällen von München, die Forderung nach einem schärferen Jugendstrafrecht beim Wähler an? Solche tagesaktuellen Themen werden ebenso abgefragt wie Stimmungen, aus denen dann%e werden ...

    "Also was wollen Parteien wissen? Parteien wollen natürlich wissen, sind Spitzenkandidat und Partei kongruent, wer sind eigentlich die Nichtwähler, habe ich meinen Wählerstamm mobilisiert oder mit welchen Themen kann ich meinen Stammwählerstamm mobilisieren, Parteien wollen wissen wie kommt eine Kampagne an, also da gibt es schon ein ganz großes Spektrum."

    Klaus-Peter Schöppner, Geschäftsführer von TNS Emnid, kennt die Wünsche seiner Kunden – und es sind nicht nur Parteien. Größtes Projekt bei TNS Emnid ist derzeit eine Untersuchung unter Hartz-IV-Empfängern im Auftrag der Bundesregierung. Vier Millionen Euro ist so ein Auftrag schwer. Es geht aber auch kleiner. Eine einzelne Frage, etwa "wer ist der bessere Kanzler – Merkel oder Steinmeier", kostet weniger als 1000 Euro. TNS Emnid ist seit jeher auf Sozial- und auch Wahlforschung spezialisiert. Dabei ist es auch geblieben, trotz mehrerer Übernahmen, an deren Ende Emnid in Bielefeld nur noch eine Tochter von TNS Infratest in München ist und etwa zehn Prozent zum Jahresumsatz des Mutterkonzerns beisteuert. Noch kleiner ist eine weitere Tochter von TNS infratest: Von Berlin aus versorgt infratest dimap am Sonntag die ARD mit Wahlprognosen und Hochrechnungen. Der Aufwand ist enorm: Nur 25 Mitarbeiter arbeiten übers Jahr bei infratest dimap, am Sonntag, wenn 100 000 Wähler nach ihrer Stimmabgabe befragt und ihre Antworten bis 18-Uhr für die erste Prognose aufbereitet werden, sind fast 1800 Mitarbeiter nur mit der Bundestagswahl beschäftigt, erläutert Richard Hilmer, Geschäftsführer von infratest dimap:

    "Wir müssen ja nicht nur nicht nur eine bundesweite Prognose abliefern und bundesweit stimmige Ergebnisse liefern, sondern von uns wird von einzelnen regionalen ARD-Sendern erwartet, dass wir eben auch über die Situation in Bayern berichten, in Baden-Württemberg, in Berlin und wo auch immer ..."

    Der Aufwand rechnet sich. Auch für die Mutter von infratest dimap, also für TNS-infratest. Allerdings weniger fürs Budget ...

    "Wenn sie auf den Umsatz gehen, ist es ein eher geringer Teil. Wenn sie auf die Marketingseite gehen, ist es Gold wert."

    ..bestätigt Bernhard Keller, Bereichsleiter bei TNS Infratest für den Sektor Finanzmarktforschung.

    "Zum einen ist Wahlforschung natürlich ein Aushängeschild, weil sie dort Qualitätsarbeit abliefern müssen, die jeder Zuschauer um 18.01 auf dem Bildschirm sieht. Zum anderen ist das Umsatzbestandteil, der gerade in der Krise nicht zu vernachlässigen ist."

    Tatsächlich entfällt nur ein Viertel der Umsätze bei TNS infratest auf die Wahl- oder Sozialforschung. Mehr ist nicht zu erfahren. Das Unternehmen, das über die Deutschen fast alles weiß, gibt über sich selbst wenig preis. Nur so viel: TNS Infratest ist die Nr. zwei in Deutschland. Branchenkreise schätzen den Umsatz auf gut 200 Mio. Euro. Der Löwenanteil davon entfällt auf die Marktforschung im Auftrag von Unternehmen. Das Spektrum reicht von der Marktstudie für eine Auslandsbank, die in Deutschland Fuß fassen will, über den Autokonzern, der die Vorlieben der Autokäufer erfragen lässt, bis zur komplett ausgearbeiteten Marketing-Strategie für einen Pharmakonzern.

    Befragt wird per Telefon, zunehmend online per Internet, und für eine Kunden-Zufriedenheitsstudie einer Ladenkette schickt TNS Infratest auch schon mal Testkäufer in die Geschäfte. Doch die Unternehmen oder auch Zeitschriften wie Spiegel oder Focus, die früher große Sozialstudien in Auftrag gaben, sie sparen derzeit auch bei der Marktforschung. Deshalb geht der Trend hin zu den kostengünstigeren Online-Befragungen im Internet. Aber noch haben die Telefonisten in Bielefeld genug abzufragen:

    "... sehr positiv, eher positiv, eher negativ ...
    dann sind wir auch schon am Ende des Interviews angelangt. Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag ..."

    infratest dimap