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Sorge um die Heimat - Probleme in der Fremde

Facebook, Twitter, Internet und Fernsehen: Die syrischen Studenten verfolgen auch hierzulande genau, was in ihrer Heimat passiert. Konfrontiert sind sie mit zusätzlichen Belastungen, weil zum Beispiel ihre Familien kein Geld mehr schicken können.

Von Andrea Lueg | 03.05.2012
    Ein gutes Dutzend syrischer Studenten hat sich zum Flashmob vor dem Hauptgebäude der Kölner Uni zusammengefunden. Sie stellen Szenen aus Syrien dar: Einer kniet am Boden, ein anderer hält ihm ein Gewehr an den Kopf, zwei Uniformierte drangsalieren einen Journalisten. Ein Student verteilt Handzettel mit Informationen über Syrien und das Regime dort. Doch kaum jemand bleibt stehen, die Studenten eilen in die Mensa oder zur nächsten Vorlesung. 43 Syrer sind in Köln eingeschrieben, seit etwa zwei Monaten ist ein Teil von ihnen aktiv geworden als "Freie Syrische Studenten" – so nennt sich die Gruppe.

    "Nur die Hälfte ist immer dabei, die andere Hälfte hat noch Angst mitzumachen, die haben immer Angst, dass die Familie da verhaftet wird, weil die irgendwas hier gemacht haben."

    Alan Jarwich ist einer der Aktiven, er studiert Medizin, wie die meisten Syrer, die nach Deutschland kommen. Und wie den meisten anderen drohen auch ihm die Belastungen langsam über den Kopf zu wachsen. Da ist zum einen das anspruchsvolle Studium in einer Sprache, die er noch nicht perfekt beherrscht.

    "Dazu auch kommt die psychische Belastung, was da in Syrien passiert, tut uns immer weh, weil die Videos, die herkommen, sind grausam, die Nachrichten, die so schlecht sind."

    Facebook, Twitter, Nachrichten in Internet und Fernsehen – Alan und seine Kommilitonen sind damit ständig beschäftigt: Was passiert in der Heimat, wie geht es meiner Familie und meinen Freunden dort? Unter der ständigen Ablenkung leidet das Studium.

    "Die letzten zwei Semester waren für mich – keine Ahnung – ich konnte gar nicht lernen."

    Zudem geht den meisten das Geld aus. Die syrischen Studenten kommen zwar größtenteils aus Familien, die ihre Ausbildung in Deutschland ursprünglich finanzieren konnten. Doch wegen der Lage in Syrien kann auch Ahmad Alrawis Familie nun kein Geld mehr schicken.

    "Seit einem Jahr ich zumindest habe keine Unterstützung bekommen, die einzige Möglichkeit ist, einen Nebenjob zu machen, ein Stipendium zu besorgen oder sowas, aber das ist halt schwierig."

    Doch nicht nur Arbeit zu finden ist schwierig. Die Studenten dürfen maximal 90 Tage im Jahr jobben, denn eigentlich sollen sie in Deutschland vor allem ihr Studium machen. Regelmäßig müssen sie der Ausländerbehörde nachweisen, dass sie genügend Geld für den Lebensunterhalt haben und die Studienleistungen erbringen, um in maximal 20 Semestern fertig zu werden.

    "Der Hintergrund ist: Sie dürfen nie dem deutschen Sozialstaat ins Netz fallen, das muss ausgeschlossen werden,"

    erklärt Karl-Heinz Korn vom Akademischen Auslandsamt der Uni Köln. Syrische Studenten konnten in den letzten Wochen zum Teil ihre Wohnungen, die Krankenversicherung und andere wichtige Rechnungen nicht mehr bezahlen.

    "Die Probleme wachsen an, wenn dann Inkassobüros auf sie zustürmen, weil bestimmte Rechnungen nicht bezahlt wurden. Man kommt in einen Abwärtsstrudel, der sich ganz schnell dreht. Diese Not, die hab ich hier dann auch sehr stark mitbekommen."

    Und Karl-Heinz Korn ist aktiv geworden. Als Erstes schrieb er an den Prorektor für Lehre und bat, die besondere Lage der syrischen Studenten bei Prüfungen zu berücksichtigen. Denn oft ist nach drei Versuchen Schluss und die Prüfung kann nicht mehr gemacht werden. Alle Fächer haben sich bereit erklärt, bei den Syrern flexibler und großzügiger zu sein, wenn mal eine Prüfung danebengeht. Nur in der Medizin geht das nicht, denn dort stehen staatliche Prüfungen an, da gibt es keinen Spielraum. Als nächstes wandte Korn sich an die Ausländerbehörde in Köln.

    "Es gibt einen Abschiebestopp, der ist vom Bund verfügt, Syrer werden, auch wenn sie schlechte Studienleistungen im Augenblick haben, nicht abgeschoben, da brauchen die keine Angst zu haben. Die Ausländerbehörde der Stadt Köln hat gesagt, wenn die den Finanzierungsnachweis nicht vorlegen, wird das nicht zum Schaden gereichen. Was die Ausländerbehörde nicht ändern konnte, war die 90-Tage-Regelung mit dem Arbeiten. Das ist und bleibt ein Problem."
    Korn hat viel Unterstützung gefunden: Der AStA hilft mit kurzfristigen Darlehen, das Studentenwerk lässt die Syrer länger im Studentenwohnheim wohnen als üblich, aber all das deckt die laufenden Kosten nicht. Auch mit DAAD und Auswärtigem Amt ist Korn im Gespräch, hoffte auf finanzielle Zuschüsse, bisher ohne Erfolg.

    "Die sagen aber, wir dürfen keinen Präzedenzfall schaffen, was ist, wenn morgen im Iran ne neue Revolution ausbricht, was, wenn in Peru nächste Woche was passiert, in Indonesien oder Vietnam, wir können nicht die ganze Welt retten. Das ist aus der Logik heraus verständlich, vom Schreibtisch her gedacht, die haben aber die Syrer nicht vor sich sitzen."

    Nach Berichten in der Lokalpresse kamen Spenden, und Karl-Heinz Korn hofft mit den syrischen Studenten, dass sie sich irgendwie über die nächsten Monate retten können. Vor allem aber, dass sich die Lage in ihrer Heimat schnell verbessert.