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Sotschi nach den Winterspielen
Stadt der fast unbegrenzten Möglichkeiten

Für die meisten Menschen in Russland sind die Spiele von Sotschi, bei denen Russland die meisten Medaillen gewann, ein positives Ereignis. Sotschi ist seitdem gerade für junge Russen ein Magnet geworden: Sie kommen hier her, um ihr Glück zu versuchen. Doch die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland reichen bis nach Sotschi.

Von Mareike Aden | 08.07.2016
    Blick auf die Schwarzmeerküste in Sotschi, Sonnenschirme und viele Menschen an einem Strand und im Wasser, Palmenwedel im Vordergrund
    Sotschi ist seit Jahrzehnten einer der beliebtesten Bade- und Kurorte Russlands (picture-alliance/dpa/Sofam)
    Der Blick aus dem Autofenster fasziniert Denis und Katja immer noch jedes Mal, wenn sie hoch in die Berge über Sotschi fahren. Auf beiden Seiten tun sich die Gipfel des Kaukasus-Gebirges auf, bis zu 3000 Meter hoch sind sie. Hier fanden die Ski-Wettbewerbe der Olympischen Spiele 2014 statt. Denis und Katja sind Anfang Dreißig und seit mehr als zehn Jahren verheiratet. Früher haben sie zusammen in Moskau gelebt.
    "Von der Sonne sieht man in Moskau wenig, da gibt es viel Staub und Dreck. Und in diesen ewigen Staus verliert man so viel Zeit. Hier in Sotschi ist nie Stau – dank Olympia sind die Straßen super. Es ist einfach schön hier – grün – man merkt man ist in den Subtropen."
    Vor einem weißen Tor an der viel befahrenen Einfahrtsstraße des Ortes Krasnaja Poljana halten sie an. Von Anfang Dezember bis April hatten sie hier ein kleines Hostel für Skifahrer. Früher war Krasnaja Poljana ein Gebirgsort mit nur 5000 Einwohnern, mitten in einem Nationalpark – mit eher ruckeligen Pisten. Dann kam Wladimir Putin zum Skifahren und ab 2002 wurde der Ort in ein exklusives Wintersportressort verwandelt. Die Olympischen Spiele machten ihn noch bekannter. Beste Voraussetzungen für ein gutes Geschäft, dachten Denis und Katja, aber nach wenigen Monaten mussten sie ihr Hostel schließen. Nicht nur weil wenig Schnee fiel.
    Sotschi profitiert vom schwachen Euro
    "Es lag auch an der wirtschaftlichen Krise: Manch einer im Land hat seine Arbeit verloren, verdient jetzt weniger oder hat keinen Weihnachtsbonus bekommen. In der letzten Saison konnten es sich also einfach nicht so viele Menschen in Russland leisten Skifahren zu gehen. Und gleichzeitig sind rund um Sotschi die Preise gestiegen: für die Unterkunft, den Ski-Lift, den Ski-Pass, für alles."
    Mit ein wenig Melancholie schauen sie auf das zweistöckige graubraun-getünchte Haus vor ihnen. Für Miete und Einrichtung hatten sie einen Kredit aufgenommen, den sie nun abbezahlen müssen. Unter den Gästen, die zu ihnen kamen, waren vor allem jene, die früher in Europa Ski fahren waren, aber sich das wegen des im Vergleich zum Euro schwachen Rubels nicht mehr leisten konnten. Davon profitiert Sotschi.
    "Es ist ja auch viel investiert worden hier in den letzten Jahren und es sieht jetzt ein wenig aus wie in Europa: Es gibt schöne, neue Häuser und Gebäude und die Ski-Infrastrukur ist großartig. Nur der Service ist einfach schlecht. Die Einheimischen denken, sie brauchen sich gar nicht zu bemühen, weil die Leute sowieso kommen."
    Katja und Denis fahren weiter nach oben in den Ort Rosa Chutor. Früher gab es hier wilde Natur.
    Die Annexion der Krim durch Russland sehen sie als Wiedervereinigung
    Der Fluss rauscht immer noch. Aber zu Olympia wurde eine ganze Fußgängerzone mit Geschäften, Hotels und Cafés gebaut. Katja und Denis gehen spazieren und trinken Milchkaffee aus Pappbechern. Bevor sie letztes Jahr nach Sotschi kamen, lebten sie eine Weile auf der Krim – und waren auch dort im Tourismus tätig. Sie zogen direkt nach der Krim-Krise dorthin. Die Annexion der Halbinsel durch Russland sehen sie als Wiedervereinigung. Ihre frühere Bewunderung für die USA und Europa sei seit dem Ukraine-Konflikt verschwunden. Das gehe vielen Jüngeren in Russland so, sagt Denis.
    "Alle schauen jetzt mit kälterem Blick Richtung Westen als früher und denken: Na gut, wenn sie uns nicht mögen, dann eben nicht. Wir haben ja viel Kontakt zu Menschen, auch per Internet - in Foren und sozialen Netzwerken. Viele Russen haben wirklich Mitleid mit Europa weil es jetzt so nach der Pfeife der USA tanzt. Aber eines Tages werden die Europäer schon verstehen und zu uns zurückkommen."
    Dann werden auch mehr Menschen aus Europa in Sotschi Urlaub machen, glauben Denis und Katja. Sie sind schon dabei ein neues Tourismus-Projekt für die nächste Ski-Saison in Sotschi zu planen. Dieses Mal wird es bestimmt klappen, glauben sie. Schließlich sei Sotschi so etwas wie die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten in Russland.