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Sozialisten geben Widerstand auf
Bekommt Spanien endlich eine Regierung?

Nach zwei Wahlen und Monaten zahlloser Gespräche und Verhandlungen könnte Spanien in dieser Woche eine neue Regierung bekommen – mit dem Konservativen Mariano Rajoy an der Spitze. Möglich gemacht haben das ausgerechnet seine Gegner, die Sozialisten. Viele an deren Parteibasis sind entsetzt.

Von Marc Dugge | 24.10.2016
    Spanien: Vertrauensabstimmung im Parlament, Spaniens amtierender Ministerpräsident Mariano Rajoy ist bei seiner Wiederwahl gescheitert.
    Spaniens geschäftsführender konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy kann nun wohl weiterregieren - dank der Enthaltung der Sozialisten. (imago / Agencia EFE)
    Allmählich verlässt Rosario ihre Stimme. Sie steht vor der Parteizentrale der Sozialisten und schreit ihre Empörung heraus. Ihre Wut darüber, dass die Partei jetzt den Kurs gewechselt hat. Weg vom monatelangen, klaren "Nein" zu Rajoy - hin zur Enthaltung. Dafür ist Rosario Canton aus dem vier Stunden entfernten Granada nach Madrid gereist:
    "Wir, die zutiefst überzeugten Sozialisten, sind sehr verletzt. Das hier ist nicht die Sozialistische Partei! Ich bin seit 20 Jahren in der Partei, so wie mein Vater und mein Großvater. Ich bin hierher gereist, um mir das alles mit eigenen Augen anzusehen. Ich kehre enttäuscht und entmutigt nach Hause zurück!"
    Entscheidung droht die Partei zu zerreißen
    Da brandet Lärm auf. Demonstranten buhen einen Delegierten aus, der gerade das Gebäude verlässt. Er hat eben dafür gestimmt, dass sich die Sozialisten im entscheidenden Wahlgang der Stimme enthalten. Viele sahen das anders - doch sie waren in der Minderheit. Die Entscheidung droht die Partei zu zerreißen. Javier Fernandez versucht, sie zusammenzuhalten. Der Übergangs-Chef der spanischen Sozialisten gibt sich drinnen auf der Pressekonferenz nüchtern – und sehr leise.
    "Um einen Ausweg aus dieser außergewöhnlichen Situation zu finden, unter der dieses Land leidet, wird sich die sozialistische Fraktion im zweiten Wahlgang enthalten."
    Es gehe doch vor allem darum, dritte Wahlen zu verhindern, sagt Fernandez. Tatsächlich: Hat Spanien heute in einer Woche keine Regierung, muss der König automatisch Neuwahlen ausrufen. Deswegen muss jetzt alles schnell gehen, nach zehn Monaten Stillstand schaltet Spanien in den Express-Modus.
    König Felipe empfängt die Chefs der Parteien
    Heute und morgen empfängt König Felipe die Chefs der Parteien, die im Parlament sitzen. Anschließend wird er einen Kandidaten beauftragen, eine Regierung zu bilden – mutmaßlich also Mariano Rajoy. Am Donnerstag schon könnte das Parlament in einem ersten Wahlgang abstimmen. Weil Rajoy dort nicht die absolute Mehrheit bekommen wird, wird es 48 Stunden später eine zweite Abstimmung geben.
    Gut möglich, dass Spanien also am kommenden Wochenende wieder eine gewählte Regierung hat. Es wird allerdings eine Minderheitsregierung sein, abhängig von den Stimmen der Sozialisten, Menschen wie Rosario Canton:
    "Ich werde weiter kämpfen: Gegen die Konservativen, die die Rechte der Arbeiter mit Füßen treten."
    Der neue alte Torero Mariano Rajoy wird es mit Sozialisten zu tun haben, die gereizt sind wie ein verwundeter Stier. Und die schon gar keine Lust haben, sich zähmen zu lassen.