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Sozialistische Regierung
Portugals Reformen und die Angst vor Sanktionen

In Portugal hat die linke Regierung die Wiedereinführung der 35-Stunden-Woche im Öffentlichen Dienst, finanzielle Entlastung von Geringverdienern und weitere Reformen durchgesetzt. Die Umsetzung erfolgt auf Kosten der Haushaltskonsolidierung. Die EU-Kommission blickt deswegen kritisch auf die Reformpolitik aus Lissabon - auch in Portugal selbst ist die Ausgabenpolitik umstritten.

Von Tilo Wagner | 30.06.2016
    Lissabon , die Hauptstadt Portugals
    Die linksgerichtete Regierung in Lissabon will ein besseres Leben in Portugal ermöglichen. (picture alliance / Klaus Rose)
    Elisabete Bernado steht in der Küche ihres kleinen Restaurants in einem Vorort von Lissabon und schneidet Zwiebeln. Zum 1. Juli wird die Mehrwertsteuer auf die servierten Speisen von 23 auf 13 Prozent gesenkt. Doch die Preistafel, die im Gastraum hängt, lässt Elisabete Bernado unverändert:
    "Als die Steuern vor vier Jahren erhöht wurden, haben wir die Preise für unsere Gäste nicht erhöht und dadurch weniger Geld eingenommen. Wenn jetzt die Steuern gesenkt werden, lassen wir die Preise so, wie sie schon immer waren."
    Die Steuersenkung war ein wichtiges Wahlversprechen, mit dem die Sozialistische Partei im Herbst vergangenen Jahres die Parlamentswahlen gewinnen wollte. Zur absoluten Mehrheit hat es nicht gereicht, aber unterstützt von drei kleinen radikaleren Linksparteien regiert nun eine sozialistische Minderheitsregierung in Portugal. Und damit sind auch eine Reihe von Spar- und Reformmaßnahmen zurückgenommen worden, die die vorherige konservative Regierung in den Krisenjahren verabschiedet hatte: etwa die Gehaltskürzungen und die Einführung der 40-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst, eine Sondersteuer auf alle Einkommen oder die Streichung von vier gesetzlichen Feiertagen.
    Sanktionen werden angedroht
    In Brüssel hat das den Eindruck erweckt, dass Portugal sich vom Sparkurs verabschiedet hat und damit auch die Haushaltskonsolidierung und den Schuldenabbau gefährdet. Portugal und Spanien drohen schon jetzt Sanktionen, weil sie bereits im vergangenen Jahr die Defizitvorgaben aus Brüssel nicht einhalten konnten.
    João Galamba, Vizefraktionsvorsitzender der Sozialisten, wehrt sich gegen diesen Vorwurf. Aus seiner Sicht war ein Teil der Sparmaßnahmen verfassungswidrig, und die Regierung habe keine andere Wahl gehabt, als dem Willen des Verfassungsgerichts nachzugeben. Ein anderer Teil der neuen Staatsausgaben jedoch, so Galamba, erkläre sich aus einem Wandel in der Wirtschaftspolitik. Zum Beispiel die schrittweise Erhöhung des Mindestlohns von 505 Euro im vergangenen Jahr auf 600 Euro im Jahr 2019:
    "Die vorherige Regierung war der Meinung, dass Portugal wettbewerbsfähiger werden würde, wenn das Land die Lohnkosten senken und den Arbeitsmarkt flexibilisieren würde. Wir aber glauben, dass das nicht das Problem ist. Wir haben andere Prioritäten. Und Europa muss damit zurechtkommen, dass es jetzt eine andere Wirtschaftspolitik in Portugal gibt, sofern sich diese an die allgemeinen Regeln der EU hält. Wenn man in Brüssel glaubt, dass es nur die eine mögliche Wirtschaftspolitik gibt, und alle anderen sind falsch und illegal, dann wird Europa irgendwann ein Problem mit seinem Demokratieverständnis bekommen."
    Konsum angekurbelt
    Rückendeckung erhält die Regierung auch aus Teilen der Wirtschaft. Dank der Maßnahmen der sozialistischen Regierung haben die Portugiesen nun mehr Geld in der Tasche – und das hat den Konsum angekurbelt. Das sei wichtig, sagt Wirtschaftsprofessor João Ferreira do Amaral, denn der portugiesische Export und damit auch die Gesamtwirtschaft litten darunter, dass wichtige Absatzmärkte wie Angola oder Brasilien in schweren Krisen steckten:
    "Die Maßnahmen der Regierung haben durchaus Sinn, auch wenn ich auf lange Sicht meine Zweifel habe. Aber zurzeit kämpfen wir mit Problemen auf den Exportmärkten und nach der Krise bei Volkswagen auch mit einer reduzierten Produktion in unserem VW-Werk. Wenn die Binnennachfrage nicht wachsen würde, dann wären wir jetzt schon in der nächsten Rezession. Also ist es gut, dass die Regierung den Konsum ankurbelt."
    Weitaus mehr Gegenwind spürt die Regierung bei der Debatte um die Wiedereinführung der 35-Stunden-Woche in der öffentlichen Verwaltung. Zum 1. Juli tritt die neue Regelung in Kraft, und gerade durch die gesunkene Arbeitszeit im öffentlichen Gesundheitssektor könnten die Kosten für den Staat explodieren. Die Gewerkschaften schätzen, dass allein 1.000 neue Stellen für Krankenpfleger ausgeschrieben werden müssen.
    Folgen für den Staatshaushalt?
    Das habe aber nicht nur weitreichende Folgen für den Staatshaushalt, kritisiert João Vieira Lopes, Präsident von Portugals größtem Unternehmensdachverband CCP:
    "Wir müssen uns sehr genau damit befassen, welches Licht wir auf unser Land werfen wollen. Und einige Maßnahmen, wie die Einführung der 35-Stunden-Woche, geben einfach kein gutes Bild von Portugal ab. Wenn dadurch mögliche Investoren verschreckt werden, wären das ganz schlechte Nachrichten."