Dienstag, 19. März 2024

Archiv


Sozialkämpferin und Schriftstellerin

Unter den Frauen der Romantik nahm sie eine Sonderstellung ein: Bettina von Arnim, Sozialkämpferin und Verfechterin der Frauenemanzipation. Ihre Zeitgenossen bewunderten oder belächelten sie als exzentrische Baronin. Dass sie gegen die "natürliche weibliche Bestimmung" rebellierte, empfanden viele ihrer Zeitgenossen als anstößig. Heute vor 150 Jahren starb Bettina von Armin.

Von Ulrike Rückert | 20.01.2009
    "So viel Lebenskraft und Mut zu haben und keine Mittel, ihn anzuwenden! Mir überwältigt diese immerwährende rastlose Begier nach Wirken oft die Seele und bin doch nur ein einfältig Mädchen, deren Bestimmung ganz anders ist."

    "Sie hatte die Idee, Sängerin zu werden, war ausgebildet als Sängerin, sie wollte Musik machen, Klavier spielen, selber komponieren - sie hat selber komponiert."

    Die Biografin Dagmar von Gersdorff über Bettina von Arnim. 1785 wurde sie in Frankfurt geboren, als dreizehntes von den zwanzig Kindern des Kaufmanns Brentano. Eine Außenseiterin war sie in der großen Familie: versponnen, verspielt und hochbegabt. Doch für ein Mädchen ihres Standes kam nur eine Karriere in Betracht: als Ehefrau. Den Mann immerhin suchte sie sich selbst aus: 1811 heiratete sie den Dichter Achim von Arnim. Eine große Liebe war es nicht, erzählt der Brentano-Forscher Hartwig Schultz:

    "Die beiden waren schon lange befreundet. Und erst Jahre später hat dann also Arnim die Situation gehabt, dass er ein großes Erbe anzutreten hatte, was allerdings unter einer Fideikommiss-Lösung stand. Und da war die Notwendigkeit zu heiraten. Er schrieb der Bettina einen Brief, so ungefähr des Wortlauts: Er brauchte nun Kinder, aus diesem speziellen Grund, und ob sie nicht die Mutter seiner Kinder werden wollte. Und sie hat ein bisschen gezögert, aber dann doch, ebenso pragmatisch, entschieden: Ja, das wolle sie."

    Sieben Kinder brachte Bettina von Arnim zur Welt und mühte sich vergebens, sich als Gutsherrin im märkischen Wiepersdorf einzurichten. Sie vermisste das Stadtleben, und aus ihrem Dichter, klagte sie, war ein Ackergaul geworden. Man zankte sich über die Kinder und über das Geld.

    "Ach lieber Alter, ich bin nun schon über die Hälfte meines Lebens, und sehe wohl ein, dass ich geboren bin zum Dulden, aber nicht zum eignen freien Bewegen."

    "Sie war eine geistig rege Frau, die ständig das Gefühl hatte, sie kommt zu kurz."

    Immer öfter und schließlich auf Dauer lebte das Paar getrennt, er auf seinem Gut, sie in Berlin. 1831 starb Achim von Arnim ganz unerwartet.

    "Nach dem großen Entsetzen und dem Tränenstrom und der Erschütterung - das dauert drei, vier Wochen - er stirbt im Januar, im Februar ist sie bereits soweit, sagen zu können, dass sie jetzt ihr eigenes Leben beginnt."

    Schillernd und bewegt war dieses neue Leben. Mit fünfzig Jahren gab Bettina von Arnim ihr literarisches Debüt: "Goethes Briefwechsel mit einem Kinde". 1807 hatte sie den verehrten Dichter in Weimar besucht und danach einige Jahre lang mit ihm korrespondiert. Aus diesen Briefen, poetisch bearbeitet, war ihr Buch komponiert.

    "Die Familie hielt Consilium und verlangte, ich solle die ganze Auflage vernichten; einige hielten es für überspannt, andre für zweideutig, Franz behauptet, es sei gegen den katholischen Glauben."

    Das Buch hatte immensen Erfolg, es machte die Autorin berühmt bis über die deutschen Grenzen hinaus und führte einen Strom von Besuchern in ihren Salon. Darunter waren freisinnige Studenten und jungdeutsche Schriftsteller, die Bettina von Arnim als Mentorin verehrten. Ihre Literatur und ihr politisches Engagement speisten sich aus derselben Quelle, wie Hartwig Schultz erläutert:

    "Ich glaube, sehr viel ist dadurch beschrieben, dass sie von der Frühromantik, die in Jena damals auch im Sinne der Französischen Revolution eine Erneuerung erhoffte, dass sie von dieser Zeit sehr viel Ideenmaterial transportiert hat in die Zeit des Vormärz, und dass sie sozusagen das, was damals im geistigen Bereich in Jena passierte, ins Politische übertragen hat. Dass sie dann eine Brücke bildet von der Frühromantik zu der Zeit des Vormärz, zu den Jungdeutschen, zu den Frühsozialisten."

    Bettina von Arnim forderte eine Verfassung, Pressefreiheit und soziale Reformen. Ihr "Königsbuch" von 1843 ist ein offener Brief an Friedrich Wilhelm IV., auf dessen Einsicht sie vertraute. Der preußischen Regierung erschien die Baronin Arnim gefährlich genug, um sie zu bespitzeln, und sogar den schlesischen Weberaufstand wollte man ihr in die Schuhe schieben. Bettina von Arnim aber hielt fest an ihrem Glauben an den guten Willen des Königs, auch im Revolutionsjahr 1848. Da war sie den Konservativen zu radikal und den Radikalen zu konservativ. Es war still um sie geworden, als sie am 20. Januar 1859 starb.

    "Ich selber zu bleiben, das sei meines Lebens Gewinn, und sonst gar nichts will ich von allen irdischen Glücksgütern."