Dienstag, 19. März 2024

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Sozialstaat und Armut
Von Leistungen und Pflichten

Was darf der Staat von Menschen erwarten, die Hartz IV beziehen? Wo beginnt staatliche Gängelung? Die Sozialrechtlerin Helga Spindler sagte im Dlf, es gehe dabei um eine Abwägung, was man verlangen dürfe, ohne rot zu werden.

Helga Spindler im Gespräch mit Ulrike Winkelmann | 19.04.2018
    Eine Demonstrantin mit einem Schild auf dem Steht: "Sozialstaat ade Pfui Frau Merkel" Symbolfoto,
    Sozialrechtlerin Helga Schindler sieht bei Maßnahmen, mit denen Druck auf Arbeitslose ausgeübt werde, viele Fehlentwicklungen (imago stock&people)
    Man solle sich in Deutschland mit Armut auseinandersetzen, statt ständig zu skandalisieren, sagte die Sozialwissenschaftlerin Helga Spindler im Dlf. Anders als viele andere Länder habe Deutschland eine gesetzliche geregelte Grundsicherung. "Und wer diese Grundsicherung in Deutschland bekomme, muss im Normalfall in Deutschland nicht hungern", sagte Schindler.
    Es gebe allerdings verschiedene Möglichkeiten die Leistungen und die Grundsicherungen zu verkürzen. Die Sozialrechtlerin erwähnte, Sanktionen durch den Staat, aber auch viele anderen Anrechnungsmöglichkeiten, die dazu führten, dass "den Leuten am Ende zu wenig bleibt".
    Auch von Arbeitnehmern werde viel verlangt
    Als ärgerlich empfindet die Sozialrechtlerin, dass die Forderung nach einem anderen Umgang mit diesen Verkürzungen der Kampagne "Aufrecht bestehen" von vielen Erwerbsloseninitiativen in der Debatte nicht wahrgenommen wird. Mit der Hartz-IV-Reform sei der Druck, sich um Arbeit zu bemühen, deutlich erhöht worden.
    Auch von Arbeitnehmern werde viel verlangt, so Helga Spindler. Zu meinen, diese lebten im Unterschied zu Arbeitslosen in völliger Freiheit, sei falsch. Die Sozialrechtlerin verwies dabei auf vielfältige Formen der Kontrolle durch Arbeitgeber. Deshalb sei es Arbeitnehmern schwer zu vermitteln, wenn Arbeitslosen keinerlei Pflichten abverlangt würden.
    Ein Mann steht hinter einer Stellwand für Stellenangebote.
    Arbeitslose müssten zum Teil fragwürdige Arbeitsangebote annehmen (dpa/Sebastian Gollnow)
    Niedrigverdiener müssten laut Gesetz mehr haben
    Zugleich meinte Spindler, dass es bei den Maßnahmen, mit denen Druck auf Arbeitslose ausgeübt werde, viele Fehlentwicklungen gebe. So müssten etwa zum Teil sehr fragwürdige Arbeitsstellen angenommen werden. Auch werde vom Amt bisweilen die Teilnahme an Maßnahmen angeordnet, die für den Betroffenen sinnlos seien.
    Um gerade gering verdienenden Arbeitnehmern gerecht zu werden, dürfe man aber nicht die Hartz-Sätze gering halten. Richtig sei, dass Niedrigverdiener laut Gesetz mehr haben müssten. "Das Dumme ist nur, das ist die Theorie", sagte Spindler. Um Zuschüsse zu bekommen, gebe es jedoch nicht die nötige Beratung und Unterstützung für Kleinstverdiener, "es kümmert sich überhaupt niemand um sie."