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Späte juristische Aufarbeitung

Es war die erste große Tanker-Katastrophe vor den Küsten Europas: Der Untergang des Öl-Tankers "Prestige" im November 2002. Mindestens 60.000 Tonnen Schweröl flossen ins Meer und verseuchten die Nordwest-Küste Spaniens. Erst jetzt, zehn Jahre nach der Umweltkatastrophe, beginnt der Prozess gegen die Verantwortlichen.

Von Christopher Plass | 13.11.2012
    Sie liegt in rund 4000 Metern Tiefe, in Teile zerbrochen. Vor fünf Jahren hat man zum letzten Mal erkundet, ob noch Öl austreten könnte. Oberflächlich betrachtet sind die größten Umweltschäden zehn Jahre nach der Katastrophe beseitigt, aber die Menschen vermuten, dass sich unter Felsen der Ölschlick weiter hält. Und die Umweltwissenschaftlerin Luisa Andrade war stets der Meinung, dass man auch jetzt noch mit Folgen rechnen müsse.

    "Wir gehen davon aus, dass die Küstengebiete bis heute mit den problematischsten Rückständen des Schweröls belastet sind."

    Genau vor zehn Jahren schlug der Tanker mit fast 80.000 Tonnen Schweröl an Bord Leck. Der typische Fall: 26 Jahre alt, nur eine Schutzhülle, Flagge der Bahamas. Auf dem Weg vom lettischen Riga nach Gibraltar geriet die "Prestige" in Seenot. Das war am 13.November 2002, wenige Tage später brach das Wrack auseinander und sank. Die Folgen sind bekannt: Weite Teile der Küste im nordspanischen Galizien wurden mit Ölschlamm überzogen, Tausende Helfer versuchten zu retten, was zu retten ist. Rund 250.000 Seevögel sollen aber dabei verendet sein. Die Fischerei kam zum Stillstand.

    Bürgerproteste wie von der Initiative "Nunca Mais" waren an der Tagesordnung. Doch die Verantwortung für das ökologische Desaster ist bis heute nicht geklärt.

    War es der Kapitän Apostolos Mangouras, der sich ab heute verantworten soll? Oder war es sein Schiffsingenieur, ebenfalls angeklagt? 12 Jahre Haft hat die Staatsanwaltschaft für den Ex-Kapitän gefordert. Außerdem vor Gericht der damalige Direktor der spanischen Häfen. Mehr als 130 Zeugen sollen zur Aufklärung beitragen, rund 230.000 Dokumente wurden gesammelt.

    Im Mittelpunkt steht die Frage, ob man die Katastrophe in ihrem Ausmaß hätte begrenzen können. Denn Spanien und auch das benachbarte Portugal ließen nicht zu, dass das havarierte Schiff in einen Hafen einlief. Stattdessen wurde der leckgeschlagene Tanker hinaus aufs offene Meer gebracht.

    Dadurch wurde der Ölteppich erst richtig groß. Alles in allem geht es bei dem Prozess, der rund zehn Monate dauern dürfte, um bis zu 4 Milliarden Euro, auf die sich die Schäden belaufen sollen. Dass die Angeklagten dafür aufkommen können, ist nicht zu erwarten. Der Eigner, die Reederei oder die Gesellschaft, die die "Prestige" für seetauglich erklärte, werden nicht zur Verantwortung gezogen.

    Die Aufklärung der Vorfälle von damals ist nicht ohne politische Brisanz. Leiter des Krisenstabes war damals ein Galizier, der heutige Ministerpräsident Spaniens, Mariano Rajoy.