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Spanien
Die Krise der Konservativen

Vor vier Jahren haben die Spanier der konservativen Volkspartei zu großer Machtfülle verholfen und damit den Reformkurs in der Finanzkrise zunächst unterstützt. Doch von der wirtschaftlichen Erholung des Landes inzwischen profitieren die Konservativen nicht: In Umfragen erreicht die Partei keine 30 Prozent mehr - und im November stehen Parlamentswahlen an.

Von Hans-Günter Kellner | 23.06.2015
    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy lehnt die Abstimmung ab
    Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ist Parteichef der Partido Popular, kurz PP. (afp / Dani Pozo)
    Der Sitz der Volkspartei im Herzen von Madrid. Das alte Gebäude wurde seit 2005 mehrmals umgebaut. Einen Teil der Kosten, eineinhalb Millionen Euro, soll die Partei mit Schwarzgeld bezahlt haben. Es ist der bekannteste der vielen Korruptionsskandale Spaniens der vergangenen Jahre. Auch deswegen haben der Volkspartei viele Wähler bei den zurückliegenden Kommunalwahlen ihr Vertrauen entzogen, gibt Parteisprecher Pedro Casado offen zu:
    "Zwei Dinge haben uns besonders geschadet: zum einen die Wirtschaftskrise. Die wirtschaftliche Erholung erreicht noch nicht die gesamte Bevölkerung. Das schwächste Glied in der Kette sind die jungen Leute ohne Berufserfahrung. Auch die Korruption empört insbesondere meine Generation. Wir werden darum die Sozialpolitik ausweiten und die Steuern senken. Und wir werden hart gegen die Korrupten vorgehen und unterstreichen die Gesetzesmaßnahmen, die wir gegen solche Praktiken auf den Weg gebracht haben."
    Trotzdem handele es sich bei dem Skandal um schwarze Konten nur um ein Strafverfahren gegen die Geschäftsführer und Schatzmeister, nicht gegen die Partei selbst, beschwichtigt Pablo Casado. Der Pateisprecher ist erst vergangene Woche von Partei- und Regierungschef Mariano Rajoy ernannt worden. Der 34-Jährige soll das ramponierte Image insbesondere bei den Jungwählern aufpolieren:
    "Die neuen Wähler haben den neuen Parteien vertraut, insbesondere Podemos. Gleichzeitig sind 1,5 Millionen potenzielle Wähler der Volkspartei zu Hause geblieben. Wir wollen vor allem diese Leute zurückgewinnen, die keine andere Partei gewählt haben."
    Korruption, Wirtschaftswachstum und Sparvorgaben
    Der Politiker unterstreicht darum, wie auch Regierungschef Rajoy, das starke Wirtschaftswachstum Spaniens in diesem Jahr. Hinter vorgehaltener Hand ärgern sich aber auch Regierungsmitglieder über die Sparvorgaben aus Brüssel, gerade jetzt, da Podemos den Konservativen wenige Monate vor den nächsten Wahlen im Nacken sitzt. Meinungsforscher Narciso Michavila stammt aus dem Umfeld der Konservativen, steht in direktem Kontakt zu Mariano Rajoy. Er ist skeptisch, ob die Wähler zu den Konservativen zurückkehren werden:
    "Bei Korruptionsfällen kann man niemandem die Schuld in die Schuhe schieben. Du hast diese Leute ernannt, Du hast sie nicht überwacht, Du hast all dies erlaubt. Hinzu kommt der Eindruck, dass die Politiker der PP schon sehr lange an der Macht sind, viele Privilegien genießen, den Bürgern nicht zuhören. Da kommt vieles zusammen."
    Und auch der steigende Konsum im Inland und die optimistischen Verbraucherumfragen ändern daran nichts, glaubt er:
    "Einer sehr großen Minderheit in der Bevölkerung geht es immer noch sehr schlecht: Das sind die Langzeitarbeitslosen. Die Volkspartei kann 1,8 Millionen Familien, die überhaupt kein Einkommen haben, nicht einfach vergessen. Alle Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen sind wichtig. Aber das große Drama liegt in der unzureichenden sozialen Absicherung."
    Volkspartei als Partei der sozialen Kälte
    Denn einen Anspruch auf Sozialhilfe oder Hartz IV wie etwa in Deutschland gibt es in Spanien nicht. Deshalb besetzen viele Menschen Wohnungen nach einer Zwangsräumung illegal. Städte wie Madrid oder Barcelona, in denen Podemos seit wenigen Wochen mitregiert, wollen den Betroffenen Sozialwohnungen anbieten. Die Volkspartei hingegen gilt immer noch als die Partei der sozialen Kälte. Ihr Hoffnungsträger Casado warnt, Podemos sei linksradikal, plane eine sozialistische Planwirtschaft nach dem Vorbild Venezuelas. Soziologe Michavila schüttelt mit dem Kopf:
    "In Griechenland haben uns sehr erfahrene Soziologen gesagt: Der Fehler von Ex-Ministerpräsident Samaras war, nur mit der Angst vor Syriza Wahlkampf gemacht zu haben. Sein Problem war aber auch: Er hatte keine guten Ergebnisse vorzuweisen. Rajoy kann dagegen sagen, seine Reformen tragen Früchte. Mit einer reinen Angstkampagne gegen Podemos rettet er seine Regierung nicht. Und für die Sozialisten gilt: Alleine mit den Skandalen der Regierung Rajoy werden auch sie die Wahlen nicht gewinnen."
    Nach derzeitigem Stand hätte keine der beiden Volksparteien eine ausreichende Regierungsmehrheit - auch nicht die Sozialisten zusammen mit Podemos. Sicher ist sich Michavila nur in einem: Es werden die spannendsten Parlamentswahlen seit Jahrzehnten.