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Spanien
Ex-Regierungschef vor Gericht

Der ehemalige katalanische Regierungschef Jordi Pujol steckt bis zum Hals im Korruptionssumpf. Er und seine Familie sollen 1,8 Milliarden Euro Schwarzgeld nach Andorra geschafft haben. Nun muss er sich vor dem katalanischen Parlament verantworten.

Von Daniel Sulzmann | 26.09.2014
    Fortuna heißt auf Spanisch Glück, fast schon so etwas wie ein schicksalhaftes Glück. Und es heißt Vermögen. Beides – Glück und Vermögen - könnte die katalanische Politik-Legende Jordi Pujol demnächst verlieren. Jordi Pujol war jahrzehntelang Ministerpräsident in Katalonien, eines der politischen Schwergewichte in Spanien und in Barcelona.
    Doch heute muss er vor dem katalanischen Parlament Stellung nehmen. Jordi Pujol und seine Familie haben Vorwürfen zufolge ein riesiges Vermögen in das frühere Steuerparadies Andorra gebracht und das kam jetzt raus. Insgesamt könnten es fast – Achtung - zwei Milliarden Euro sein, die die Familie Pujol in den letzten Jahren ins Ausland geschafft hat. Als der heutige 84-jährige Ex-Politiker im Juli, als die Geschichte erstmals aufplopppte, gefragt wurde, woher denn das viele Geld stamme, da sagte er noch, es sei einfach unversteuertes Erbe seines Vaters. Und da glaubte man noch , es ginge nur um 34 Millionen Euro.
    Und wer die Menschen auf der Straße fragt in Barcelona, der kriegt Antworten, die Unterstützung für Jordi Pujol signalisieren, diese Frau sagt auf einem Kinderspielplatz, während ihre Kinder quengeln:
    "Ich glaube, dass das benutzt wird, das wird benutzt."
    Damit spielt sie darauf an, dass die Berichte über das ungeheuer große Schwarzgeldvermögen der Pujols, denn auch Jordi Pujols Söhne sollen Geld illegal nach Andorra gebracht haben, vor allem der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung schaden. Jahrelang war es unter vielen Katalanen und auch deren Politikern üblich, zu behaupten, die immense Korruption sei ein typisches Problem der Leute aus Madrid, und schon deswegen müsse Katalonien unabhängiger sein.
    Artur Más, der jetzige Ministerpräsident, ist ein Ziehsohn Jordi Pujols, und er selbst ist wegen genau dieses engen Verhältnisses mächtig unter Druck. Das geht sogar so weit, dass er sich im Parlament auf eigentümlich-schlichte Weise versuchte, zu verteidigen:
    "Ich bin nicht Herr Jordi Pujol", sagte er, als ob nicht alle wüssten, dass er nicht Pujol ist.
    Verschwörungstheorien
    Aber die Zahlen, die in diesem mutmaßlich größten Korruptionsfall der jüngeren spanischen Geschichte im Spiel sind, sind so groß, dass normale Erklärungen wohl nicht mehr ausreichen. Noch am Donnerstag titelte die Tageszeitung "El Mundo" "Die Pujols haben in den letzten fünf Jahren 581 Millionen Euro aus Spanien weggebracht".
    Eine Exfrau von einem der Pujol-Söhne, die in Katalonien immer als sehr gut vernetzte und erfolgreiche Unternehmer aufgetreten waren, hatte schon vorher erklärt, ihr Ex-Mann "habe Koffer und Taschen voll mit 500 und 200 Euro Scheinen" im Auto über die Grenze gebracht.
    Jeden Tag bringen Zeitungen neue Geschichten. Unternehmer berichten, sie seien seit Jahren zu Kommissionszahlungen an die Familie Pujol verpflichtet gewesen, wenn sie öffentliche Aufträge in Katalonien bekommen haben.
    Trotzdem: Viele Katalanen sehen die ausführliche Berichterstattung der Medien – gerade aus Madrid - als Beweis dafür, dass die Spanier von ihren eigenen Korruptionsfällen ablenken wollen. Dieser Mann, ein Lehrer, sagt:
    "Schau dir doch Barcenas, Aznar, Felipe Gonzalez, Zapatero - all diese Diebe an. Warum kommt die Geschichte gerade jetzt raus? Das ist eine Attacke gegen die Unabhängigkeitsbewegung."
    Reduzierte Form der Wahrheitsfindung
    Wie auch immer es ist: Der 84-jährige Jordi Pujol muss morgen vor dem katalanischen Parlament erscheinen und eine Aussage machen. Dann werden Fragen gestellt, er wird zusammenfassend antworten. Eine sehr reduzierte Form der Wahrheitsfindung. Und damit wahrscheinlich nur der Auftakt zur Aufarbeitung des wohl größten Korruptionsfalles in der jüngeren spanischen Geschichte. Jordi Pujol und seine Familie werden in den nächsten Monaten nicht nur ihr Vermögen, sondern auch ihr Glück brauchen. Aber beides heißt ja auf spanisch Fortuna.