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Spanien
Keine Angst vor griechischer Krankheit

Die Ankündigung des Referendums in Griechenland hat Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy zu einer Kabinettssitzung bewogen. Thema: Spanien vor Angriffen von Spekulanten zu schützen und nicht in den Griechenland-Sog zu geraten. Ähnlich wie Griechenland stand das Land vor einigen Jahren auch vor einem Zusammenbruch. Nur stellten sich die Spanier nicht gegen den Sparkurs der EU.

Von Hans-Günter Kellner | 30.06.2015
    Spaniens Flagge und Europafahne wehen vor blauem Himmel im Wind.
    Spanien lässt sich nicht durch die Griechenland-Krise vom den eigenen Reformen abbringen. (picture alliance/dpa/Jens Kalaene)
    Luis de Guindos:
    "Unser größter Schutzwall sind unsere Reformen. Keine andere Volkswirtschaft im Euroraum hat sich so verbessert wie unsere. Das ist unsere Firewall."
    Börse reagiert negativ auf Tsipras-Ankündigung
    Trotzdem herrscht auch in Spanien die Angst vor einer Ansteckung. Die Börse hat mit empfindlichen Kurseinbrüchen reagiert, die Zinsen für Staatsanleihen sind die in Höhe gegangen, wenn auch weniger stark, als befürchtet. Doch die Griechenlandkrise könnte nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Konsequenzen für Spanien haben. Auch die linkspopulistische spanische Partei Podemos fordert eine Neustrukturierung der spanischen Staatsschulden und sagt der Austeritätspolitik den Kampf an. Seit den Kommunalwahlen im Mai regieren von ihr mitgegründete Parteienbündnisse in vielen Großstädten im Land. Hans-Günter Kellner über wirtschaftliche und politische Ansteckungsgefahren durch den drohenden Grexit für Spanien.

    Podemos-Politiker solidarisieren sich mit Tsipras
    Podemos-Chef Pablo Iglesias ist immer noch außer sich. Schon am Wochenende hatte er den Parteivorstand zusammen gerufen. Er sieht die Dinge anders, als die Regierungen der meisten Euro-Staaten:
    "Die Griechen waren bereit, später in Rente zu gehen, eine höhere Mehrwertsteuer zu zahlen, sie wollten die Reichen stärker besteuern und die die Staatsschulden umstrukturieren. Dem IWF, war das nicht genug und er wird von Merkel und der spanischen Regierung auch noch unterstützt. Sie wollten weitere Rentenkürzungen und eine höhere Mehrwertsteuer auf Strom oder Milch. Das ist nicht nur ein Angriff auf die Souveränität der Griechen, sondern eine mafiöse Operation des Finanzterrorismus gegen eine demokratisch gewählte Regierung, die alle Bereitschaft zum Dialog und Verhandlungen gezeigt hat."
    Starke Töne, für die Iglesias allerdings bekannt ist. Juan Ignacio Crespo ist einer der bekanntesten unabhängigen Finanzexperten Spaniens. Er glaubt, die Solidaritätsbekenntnisse für Griechenland seien längst zu einer lästigen rhetorischen Übung für die Podemos-Politiker geworden:
    Juan Ignacio Crespo:
    "Vor sechs Monaten hätten sie gedacht, dass diese Entwicklung für sie vorteilhaft ist Ich bin mir aber sicher, dass sie sich jetzt nicht mehr gerne mit Syriza in Verbindung bringen lassen - mit einer Situation, in der Banken schließen, in denen die Leute Schlange stehen, um ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Wenn die Griechen aus dem Euro ausscheiden, sind die bisherigen Erfahrungen nichts im Vergleich zudem, was ihnen bevorsteht. Griechenland wird sich auf dem Niveau von Albanien wiederfinden. Das würde auch Podemos nicht guttun."
    Von einer Machtübernahme durch Podemos ist Spanien derzeit ohnehin weit entfernt. Die Parlamentswahl findet wahrscheinlich im November statt. Meinungsforscher glauben, dass die Partei auf Werte zwischen 15 und 20 Prozent kommt. Im besten Fall könne Podemos in einer Koalition mit den regierungserfahrenen Sozialisten an die Macht kommen. Zudem hält Juan Ignacio Crespo die Ängste vor griechischen Zuständen für völlig übertrieben:
    Juan Ignacio Crespo:
    "Selbst wenn sie regieren, werden sie viel pragmatischer sein als Tsipras. Schon, weil Spanien in einer ganz anderen Situation ist. Spanien wächst, es entstehen Arbeitsplätze. Podemos entwickelt sich sehr schnell. Im Augenblick haben sie ein Programm wie Mitterand 1981, der Banken verstaatlichte und die öffentlichen Ausgaben steigerte. Das brachte die französische Wirtschaft so sehr in Probleme, dass er nur zwei Jahre später eine völlige Kehrtwende machte. Podemos wird mit einem sehr ähnlichen Programm antreten. Aber bis zu den Parlamentswahlen ist noch Zeit. Sollte Podemos tatsächlich an die Macht kommen, wird das eine andere Partei sein."
    Crespo legt Wert auf seine politische Unabhängigkeit. Gerade darum ist seine Meinung sowohl in konservativen wie auch in linksliberalen Medien gefragt. Von den vielen Experten der spanischen Talkrunden steht er am wenigsten im Verdacht, der Regierung nach dem Munde zu reden. Trotzdem pflichtet der Finanzexperte Wirtschaftsminister Luis de Guindos bei: Auch Crespo meint, die derzeitigen Attacken auf den Finanzmärkten müssten Spanien und Europa keine Sorgen machen:
    Juan Ignacio Crespo:
    Spanien ist viel besser vorbereitet als 2011. Spaniens Wirtschaft wächst jetzt um drei Prozent, vor vier Jahren befanden wir uns in der Rezession. Aber vor allem haben wir die Europäische Zentralbank an unserer Seite. Der Europäische Gerichtshof hat gesagt, dass es legal ist, wenn sie Staatspapiere aufkauft. Die Artillerie der EZB ist zwischen einem und zwei Billionen Euro stark. Das wird die Märkte auch wieder beruhigen.
    Spanische Bevölkerung wettern nicht gegen EU-Sparpolitik
    So seien die Zinsen für spanische Staatsanleihen nun auch weit weniger stark gestiegen, als von vielen befürchtet. Crespo fühlt sich damit bestätigt. Lediglich die Aktien seien deutlich gefallen. Aber Börsen, sagt er, reagierten nun einmal empfindlich. Die Aufregung auf dem Parkett ist für den Finanzfachmann genauso ein Ritual wie die markigen Bekenntnisse von Pablo Iglesias, der Tsipras immer noch als einen Freund bezeichnet. Von einer spanisch-griechischen Koalition gegen die Sparpolitik halten aber auch die Spanier wenig. Darauf weist eine repräsentative Umfrage des El-Cano-Instituts hin: Für einen neuen Schnitt bei den griechischen Staatsschulden sprechen sich in Spanien nur neun Prozent aus. Von allen EU-Staaten ist Griechenland bei den Spaniern das unbeliebteste. Deutschland erhielt in der Umfrage hingegen die besten Sympathiewerte.